Reinbek. Reinbeker Musiker Wolfgang Nicklaus komponiert preiswürdig: Er hat den ersten Platz für seinen Song „Der Fremde neben Dir“ gewonnen.

Ende der 70er-Jahre hätte Wolfgang Nicklaus es wahrscheinlich nicht für möglich gehalten, dass er noch einmal eine Musikerkarriere hinlegen könnte. Denn damals saß der gebürtige Brandenburger zweieinhalb Jahre wegen „staatsfeindlicher Hetze“ im Gefängnis. „Ich hatte mit sogenannten ‚Freunden‘ über ein wiedervereinigtes Deutschland geredet. Bei der Stasi hieß es dann: Uns ist jeder Mörder lieber als Sie. Die haben zwar jemanden umgebracht, sind aber nicht gegen das System.“

Danach siedelte er im Alter von 25 Jahren in die Bundesrepublik über. Hier studierte er bis 1989 nicht nur Klavierpädagogik, sondern auch Komposition. „Ein Türöffner“, wie der heute 67 Jahre alte Reinbeker sagt. Als Komponist ist er seit 2018 erfolgreich, heimst regelmäßig erste Preise beim Deutschen Rock und Pop-Preis in Siegen ein. Gerade hat er mit „Der Fremde neben Dir“ wieder den ersten Preis für den besten deutschen Song 2023 gewonnen, sowie einen zweiten Preis für die beste Komposition und einen zweiten für den besten deutschen Text.

Aus der Stasi-Haft aufs Siegertreppchen für Rock und Pop

Die Jury des Deutschen Musikverbandes hat ihn in den drei Kategorien ausgezeichnet. „Es ist schon toll, überhaupt nominiert zu sein“, sagt Nicklaus stolz. „Mit einem solchen Erfolg habe ich überhaupt nicht gerechnet.“

Musiker Wolfgang Nicklaus in seinem Studio, in dem er komponiert.
Musiker Wolfgang Nicklaus in seinem Studio, in dem er komponiert. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Zur Entstehungsgeschichte erzählt er auf seiner Website www.wolfgang-nicklaus.de über diesen Song: „Stell Dir vor, Du müsstest ganz plötzlich in einer fremden Stadt, in einem fremden Land Fuß fassen. Wie dankbar bist Du dafür, dass Dir fremde Menschen freundlich und vorurteilsfrei begegnen und so auch auf Dich zugehen.“ Als Inspiration konnte der Reinbeker Musiker dabei aus seinen eigenen Erfahrungen schöpfen. Denn auch er musste als junger Mann in einem ihm fremden Land von vorn beginnen.

Er brennt für seine Kompositionen

Die Musik hat Wolfgang Nicklaus anscheinend im Blut: „Wir sind eine alte Musikerfamilie“, erzählt der 67-Jährige, der in Brandenburg aufgewachsen ist. „Mein Großvater war Kirchenmusikdirektor und Komponist, meine Mutter Kirchenmusikerin.“

Er erinnert sich gut: „Schon mit 15 Jahren in der Band mit meinem Bruder habe ich allen etwas vorgemacht, weil ich eine klassische Ausbildung hatte.“ Tatsächlich ist es die Komposition, die ihn an der Musik fesselt. „Oft brodelt eine Idee in mir“, erzählt er. „Die muss ich abspeichern. Manchmal stehe ich mitten in der Nacht auf, gehe ins Untergeschoss in mein Studio und spiele es ein. Das ist mir ein extremes Bedürfnis. Jetzt, wo ich kein Geld mehr verdienen muss, komme ich endlich zum Arbeiten.“

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Preise sind eine Frage der Ehre

Es ist nicht die erste Auszeichnung, die der Komponist und Musiker erhalten hat. 1998 erhielt er beim Balladenwettbewerb der Paul-Woitschach-Siftung des deutschen Komponistenverbandes den ersten Preis und den Sonderpreis für die beste Performance seines Songs „Stay with me“ in Hamburg.

Später, während seines Studiums an der Musikhochschule in Lübeck, gewann er den zweiten Preis und den Publikumspreis beim 7. Internationalen Kompositionswettbewerb für Kammermusik in Hitzacker für ein Bläserquintett. Dann folgte ein zweiter Preis beim vierten Kompositionswettbewerb der Stiftung „Ostdeutscher Kulturrat“ 1987 in Bonn/Berlin für ein Chorstück.

Ganz anders als in der Literaturwelt, in der viele Autoren nur von Preisgeldern und Stipendien leben, geht es bei diesem Musikpreis nur um die Ehre. „Diese Preise waren allerdings auch wichtig für meine Musikschule“, hat der 67-Jährige beobachtet: „Viele Klavierschüler orientieren sich auch an Auszeichnungen, wenn sie einen Lehrer suchen.“ Seit Oktober ist Wolfgang Nicklaus eigentlich Rentner, unterrichtet nur noch gelegentlich.

Der Bazillus Musik hat die ganze Familie gepackt

Der Bazillus Musik habe die gesamte Familie gepackt und nicht wieder losgelassen. „Meine Tochter Conni hat in Amsterdam Saxophon studiert und das Studium erfolgreich abgeschlossen, mein Sohn Tim in Hannover sein Masterstudium im Fach Jazz-Schlagzeug mit Note 1 abgeschlossen“, sagt der stolze Vater. Er hat sie als Musiker immer unterstützt.

Denn er selbst hatte sich nach dem Studium noch mit Tanzmusik sein Haus verdient. Er ist jedoch froh um sein Kompositionsstudium. So wird von ihm auch noch im Alter zu hören sein eine Perspektive, die ihm 1979 noch unerreichbar schien.

Der preisgekrönte Song ist auf dem Album „Mein Leben“ als erster Titel zu hören. Ebenso läuft er bei YouTube sowie Spotify unter Wolfgang Nicklaus und dem Titel „Der Fremde neben Dir“.