Wentorf. Carsharing-Unternehmen kann sich vorstellen, sein Geschäftsgebiet über Bergedorf hinaus auszuweiten. Es gibt allerdings eine Bedingung.

Drei Kilometer können ziemlich lang werden. Rund drei Kilometer trennen die Wentorfer aktuell vom nächsten Carsharing-Auto, das je nach Anbieter in der Bergedorfer Innenstadt rund um den Mohnhof, im Villenviertel oder am Bahnhof geparkt ist. Drei Kilometer, die erst überwunden werden müssen – zu Fuß, mit dem Rad, auf dem Roller oder mit dem Bus.

Eine logistische Herausforderung, vor allem dann, wenn man unter Zeitdruck steht oder in Familie unterwegs ist. Da muss man schon ziemlicher Idealist sein, wenn man die Mühen trotzdem auf sich nimmt.

Carsharing: Autovermieter Miles zeigt Interesse an Wentorf

Der Wentorfer Torsten Dreyer ist so einer. Vor zwei Jahren hat seine Familie die beiden Autos, einen Volvo und einen Smart, abgeschafft und ist seitdem fast ausschließlich mit Carsharing-Autos, insbesondere der Firma Miles, und öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. „Das klappt sehr gut“, sagt Dreyer. Er fühle sich, seitdem er ohne Verantwortung für ein Auto sei, viel freier und spare nebenbei rund 300 Euro pro Monat und Auto.

Da fallen beispielsweise die 40 Euro für die Fahrt mit dem Carsharing-Auto von Bergedorf nach Lüneburg und zurück kaum ins Gewicht, sagt Dreyer. Die ist für dieses Wochenende geplant. Die drei Kilometer Wegstrecke von Bergedorf nach Wentorf überwindet die Familie mit dem Bus. Lange nach einem Fahrzeug suchen mussten sie nie. „Hier findet man immer eines“, sagt Dreyer. An manchen Tagen sind an die 30 Autos unterschiedlicher Größe vom Carsharing-Anbieter Miles in Bergedorf, hat Dreyer in der App nachgezählt.

Dass das Bus-Auto-Bus-Modell umständlich ist und leichter ginge, davon ist auch Dreyer überzeugt. Schon seit Jahren unterstützen die Grünen die Bemühungen, Carsharing-Anbieter in die angrenzende Umlandgemeinde zu holen. Wentorf ist mit diesem Wunsch nicht allein, auch in Glinde, Reinbek und Barsbüttel gibt es ähnliche Bestrebungen. Bislang aber zeigten die großen Anbieter kein Interesse, ihr Geschäftsgebiet auszuweiten. Deswegen forciert Barsbüttels Politik nun auch die Idee, dass das E-Werk Sachsenwald das Carsharing-Angebot übernehmen soll. Das E-Werk prüft aktuell die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens.

Der Grüne Torsten Dreyer (59) verzichtet seit zwei Jahren auf ein eigenes Auto.
Der Grüne Torsten Dreyer (59) verzichtet seit zwei Jahren auf ein eigenes Auto. © Gerullis | Undine Gerullis

4000 Miles-Autos in Hamburg, Zahl der Miles-Nutzer wächst ständig

Nun aber könnte es tatsächlich bequemer werden für die Wentorfer. Miles, einer der großen Carsharing-Anbieter in Hamburg mit aktuell 4000 Fahrzeugen unterschiedlicher Größen allein in der Hansestadt, hat erstes Interesse signalisiert, sein bisheriges Geschäftsgebiet bis nach Wentorf auszuweiten. Derzeit gebe es zwar noch keine konkreten Pläne für eine Expansion nach Wentorf, „aber wir vergrößern unser Geschäftsgebiet kontinuierlich, und auch die Nutzerschaft wächst kontinuierlich“, sagt Miles-Sprecherin Nora Goette. Die letzte große Erweiterung fand in Hamburg im September 2022 um rund 30 Quadratkilometer statt. Seit dem gebe es immer wieder in alle Himmelsrichtungen Anpassungen und Erweiterungen. Aktuell endet das Geschäftsgebiet in Bergedorf.

In München ist das Unternehmen schon seit dem vergangenen Jahr ins Umland expandiert und expandiert laufend weiter. „Die bisherigen Erfahrungen damit waren positiv. Die Nähe zur Stadt und anderen Gemeinden ist entscheidend dabei“, sagt Goette.

Grüne wollen Parkzeitbeschränkung für Carsharing-Autos aufheben

Ob Wentorf ein geeigneter Kandidat ist, soll sich in einem ersten Kennlerngespräch im Januar mit der Gemeinde herausstellen. In dem Gespräch soll es vor allem um diese Fragen gehen: „Was brauchen die Anbieter? Welche Voraussetzungen müssen wir als Gemeinde schaffen? Müssen wir bei der Ladeinfrastruktur nachbessern?“, sagt Wentorfs Bürgermeisterin Kathrin Schöning.

Eine Voraussetzung, die Torsten Dreyer in seinen Gesprächen mit den Unternehmen bereits herausgehört hat, ist: die Aufhebung der Parkzeitbeschränkung von zwei Stunden im Zentrum Wentorfs für die Carsharing-Autos. Um keine Zeit zu verlieren und den Anbieter bei Laune zu halten, hat seine Fraktion deshalb einen entsprechenden Antrag in den jüngsten Liegenschaftsausschuss eingebracht. Bei der Begründung für die Sonderstellung berufen sich die Grünen auf die Praxis in Hamburg, wo die Fahrzeuge der sogenannten Free-Floating-Anbieter, deren Autos nicht an einem festen Platz wieder abgestellt werden müssen, von Parkgebühren und Parkzeitbeschränkungen befreit sind.

FDP will keinen Wildwuchs wie in Hamburg mit den E-Rollern

Das allerdings sei so nicht ganz richtig, sagt Heiko Faasch, Fraktionsvorsitzender der CDU. „Auch in Hamburg sind die Parkzeitbeschränkungen für Carsharing-Autos nicht aufgehoben. Auch hier gilt Parkscheibenpflicht.“ Seine Fraktion hat deshalb dem Antrag der Grünen nicht zugestimmt und die Entscheidung auf später vertagt, wenn alle rechtlichen Fragen genau geklärt sind. Grundsätzlich aber sei es eine sehr erfreuliche Nachricht, dass sich ein Anbieter für Wentorf interessiert, sagt Faasch.

Die Bedenken der CDU teilt auch die FDP, die vor einer Entscheidung erst alle Fakten zusammen haben will: „Nichts gegen Carsharing, aber wir wollen einen geordneten Prozess“, sagt Dirk Matzen, FDP-Fraktionsvorsitzender. „Die Möglichkeit, mitzubestimmen, sollten wir uns nicht nehmen lassen, sonst droht uns in Wentorf möglicherweise der gleiche Wildwuchs wie in Hamburg mit den E-Rollern“, fürchtet der FDP-Mann.

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Nun ist das Thema erst einmal vertagt. Dreyer hofft, dass die Gemeinde sich diese Chance nicht durch die Lappen gehen lässt. „So ein Carsharing-Angebot ist ein Gewinn für die gesamte Gemeinde“, sagt der Grüne. Die CDU wiederum forciert aktuell andere alternative Mobilitätsangebote und setzt darauf, On-Demand-Anbieter wie MOIA nach Wentorf zu holen. Die kleinen Elektrobusse werden per App gerufen. Bislang endet das Geschäftsgebiet in Billstedt.

Ob eine Ausweitung des Gebiets Sinn macht, soll eine Machbarkeitsstudie klären. „Konkret wird untersucht, zu welchen Zeiten und für welche Wege eine Nutzung wahrscheinlich wäre, wie hoch die Belegung der Fahrzeuge kalkuliert wird und welche Kosten entstehen“, sagt Florian Slopianka (CDU), dem das Thema besonders wichtig ist. Ob es sich lohnt, so viel Geld in die Hand zu nehmen, davon ist Torsten Dreyer immer noch nicht ganz überzeugt, zumal nicht einmal Bergedorf attraktiv genug für die VW-Tochter ist. Nichtsdestotrotz haben auch die Grünen dem CDU-Antrag zugestimmt. Dreyer: „Die beiden Konzepte sind völlig unterschiedlich. Alles, was die Mobilitätswende voranbringt, sollten wir unabhängig aller politischen Couleur unternehmen.“