Grönwohld. Bauernfamilie aus Grönwohld hat auf innovative Haltungsform umgestellt. Warum das gut für Mensch, Tier und die Umwelt ist.
Auf einer tief verschneiten Wiese im Stormarner Dorf Grönwohld steht neuerdings ein besonderes Tiny House. Beim Näherkommen vernimmt der Besucher allerdings keine menschlichen Stimmen, sondern fröhliches Gegacker. Kein Wunder, denn der Trailer ist seit Kurzem das Domizil von 360 braunen Legehennen und vier Hähnen des Oetjen-Hofs, der durch die NDR-Kultserie „Neues aus Büttenwarder“ bekannt geworden ist. „Mit dieser Investition haben wir den Einstieg in die mobile Hühnerhaltung gewagt. Denn die ist gut für die Tiere, gut für die Umwelt und damit auch gut für uns Menschen“, sagt Enno Oetjen.
Sogar die Hühnerstangen sind wohltemperiert
Tatsächlich ist das digital gesteuerte Tiny House ein tierisches Luxus-Hotel mit allerlei Annehmlichkeiten fürs eierlegende Federvieh. Sechs Zentimeter dicke Sandwichplatten sorgen im 22 Quadratmeter großen Stallraum per se für eine gute Wärmedämmung, sogar die Hühnerstangen sind wohltemperiert. Fürs Eierlegen gibt es extra abgeschottete Austriebsnester samt Eiersammelband.
In einem kleinen Vorraum befindet sich die Schaltzentrale des Chicken-Trailers. „Über einen Touchscreen-Monitor lässt sich buchstäblich alles automatisch steuern: das Licht, die Temperatur, die Lüftung, die Fütterung“, erklärt Enno Oetjen. Eine kettengeführte Futterschnecke mit Timer garantiert sechs Mahlzeiten am Tag - pünktlich und in gleichbleibender Qualität aus einem Futtersilo mit rund 700 Kilo Fassungsvermögen. Frisches Wasser spenden 44 Nippel-Cup-Tränken, die permanent aus einem frostsicheren 600-Liter-Tank gespeist werden.
Auslaufklappen öffnen sich automatisch
Die Scharrfläche im Untergeschoss ist im Winter der Fitnessraum des Hühnervolks. Erreichbar ist er über mehrere ausklappbare Leitern. Die sportlichsten Hennen hüpfen derweil einfach direkt den halben Meter hinab ins trockene Stroh. Hier können sie nach Herzenslust scharren und picken, Plexiglasfenster mit Fuchsgittern sorgen für Licht und Luft.
Kaum hat Enno Oetjen eine der Auslaufklappen geöffnet, finden sich auch schon mehrere Hühner, die neugierig und unternehmungslustig lieber draußen als drinnen sein wollen, um nach frischen, grünen Halmen Ausschau zu halten. „Sobald der Schnee weg ist, können die vorprogrammierten Klappen auch automatisch geöffnet werden, damit die Tiere auf die Wiese können, die dann mit Weidezäunen eingehegt und gesichert wird“, so Oetjen.
Technik wird von Photovoltaikanlage gespeist
Sogar das Licht kann im Winter so eingestellt werden, dass den Tieren an 14 bis 16 Stunden taggemäße Verhältnisse ermöglicht werden. Selbst Sonnenauf- und -untergänge sind mittels einer voreinstellbaren Dimmung simulierbar. Zur Ausstattung gehören zudem Kippfenster im Stallraum, die sich temperaturabhängig öffnen und schließen.
Gespeist wird die gesamte Technik von einer Photovoltaikanlage auf dem Dach. Damit die Kollektoren bei einer entsprechenden Platzierung des Trailers möglichst viel Sonnenenergie einfangen können, ist das Dach schräg. Durch die Ausrüstung mit Laderegler und Speicher verfügt das Hühner-Hotel über eine weitgehend autarke Stromversorgung.
73.000 Euro haben die Oetjens investiert
Wenn Hubi Oetjen den Stallraum betritt, bekommt das Hühner-Domizil sogar noch eine Wellness-Note. Schnell hat sie eine der Hennen im Arm. Dann wird gekuschelt, gekrault und sanft massiert, dass die Tiere verzückt die Augen verdrehen. „Auch Hühner brauchen mal eine Streicheleinheit, das tut ihnen gut und uns“, ist Hubi überzeugt.
Üppige 73.000 Euro haben sich Oetjens das neue Hühner-Paradies aus dem bayerischen Schönebach bei Augsburg kosten lassen. Zeigen sich die Tiere dafür denn auch erkenntlich? „Oh, ja“, sagt Hubi. Dann tritt sie im Vorraum an die Kurbel des Eiersammelbands. Prompt rollen aus der Verbindungsklappe zum Stallraum Dutzende Eier in verschiedenen Größen. Stolz zeigt sie, dass ihre Hühner nicht nur M und L können, sondern auch XXL.
Anfangs landen mehr Eier im Mist statt auf dem Band
„Natürlich mussten sich die Tiere erst einmal an die neue Umgebung gewöhnen“, berichtet Hubi. Deshalb seien in den ersten Tagen mehr Eier im Mist als auf dem Band gelandet: „Am ersten Tag nach dem Einzug haben wir gerade acht Eier eingesammelt. An den darauffolgenden Tagen konnten wir dann schon zwei Zehner-Packungen füllen. Inzwischen sind es täglich bis zu 280 Eier.“
Selbst die Reinigung des Trailers erfolgt alle zehn bis 14 Tage maschinell. Mit einem Akkuschrauber wird am Heck des Trailers ein Kotband aufgerollt und entleert sich dort in die Schaufel eines Hofladers. Da der Stallboden mit begehbaren Drahtrosten ausgestattet ist, werden den gefürchteten Vogelmilben keine Unterschlupfmöglichkeiten geboten.
- Jan Fedder: Grönwohld trauert um Büttenwarder-Star
- Büttenwarder bleibt in Grönwohld lebendig
- Exotisch Shoppen: Warum Grönwohld jetzt einen orientalischen Shop hat
„Dank eines hydraulischen Fahrwerks kann der 12,80 Meter lange und drei Meter breite Trailer einfach und schnell umgesetzt werden, wenn das abgesteckte Gehege abgefressen ist“, sagt Enno Oetjen. Das schütze die Grasnarbe vor einer Überweidung und einem übermäßigen Nährstoffeintrag durch Kot und beuge zudem Krankheiten vor. „Weil die Hühner praktisch täglich auf frischen, grünen Wiesen grasen können, sind sie gesünder, vitaler und nicht zuletzt legefreudiger“, ergänzt Ehefrau Hubi.
Entstanden ist das Konzept der mobilen Hühnerhaltung vor etlichen Jahren in Österreich und der Schweiz. Inzwischen hat es sich über die Alpen bis nach Süddeutschland verbreitet, wo längst mehrere Unternehmen in die Herstellung der Hühner-Hotels eingestiegen sind. Sie stehen heute für eine tier- und umweltgerechte Haltung auf höchstem Niveau. Das durch den hohen Grad an Automatisierung nicht zuletzt den Landwirten mehr Freiräume verschafft. „Der Trailer bedeutet schon eine immense Arbeitserleichterung“, bestätigen Enno und Hubi Oetjen unisono.