Ahrensburg. Fast jeder verunglückte Fahrer verletzt sich erheblich. Schleswig-Holstein reagiert, um den Verkehr wieder sicherer zu machen.
Sie gelten als hip, flink, aber auch gefährlich. Die Rede ist von E-Scootern, also Tretrollern mit Elektroantrieb, im Juristendeutsch auch Elektro-Kleinstfahrzeuge (EKF) genannt. Seit sie auf dem Markt sind, ist ihre Verbreitung sprunghaft gestiegen. Zwischen 2019 und 2022 hat sich ihre Anzahl in der Bundeshauptstadt Berlin von 11.000 auf 41.000 fast vervierfacht, in Hamburg auf über 20.000 verdreifacht und in München auf 13.000 mehr als verdoppelt.
Seitdem wird vielerorts mit Verve über den negativen Einfluss der E-Roller auf die Verkehrssicherheit diskutiert. Auch im nördlichsten Bundesland der Republik. Wo jetzt sogar eine Präventionskampagne unter dem Motto „Besser ankommen“ auf den Weg gebracht wurde. Tatsache ist, dass Unfälle im Zusammenhang mit den Scootern in Schleswig-Holstein deutlich zugenommen haben. Seit 2020 sind sie um das Fünffache gestiegen: Waren es in jenem Jahr noch 92, so wurden im Vorjahr schon 442 registriert.
84 Unfälle seit 2020 in Stormarn und Lauenburg
Diesen grundsätzlichen Befund bestätigt auch die für Stormarn und das Herzogtum Lauenburg zuständige Polizeidirektion in Ratzeburg. „In unseren beiden Kreisen sind 2020 gerade drei Unfälle mit Fahrzeugen dieser Art aktenkundig geworden. 2021 waren es 19, 2022 dann 31 und in diesem Jahr bereits 39 in nur drei Quartalen“, sagt Direktionssprecherin Jacqueline Fischer.
Die seit 2020 registrierten 84 Unfälle hätten sich unterdessen fast paritätisch auf beide Kreise verteilt, nämlich 40 in Stormarn und 44 im Herzogtum. Zudem würden die Unfallschwerpunkte hier wie dort vornehmlich in den Städten liegen. Spitzenreiter sei Geesthacht mit 20 Vorfällen, gefolgt von Stormarns Kreisstadt Bad Oldesloe (18) und Mölln (10). „Zum Glück hat es bisher aber keine Fälle mit Todesopfern in unserem Bereich gegeben“, so Fischer.
Immer mehr E-Scooterfahrer landen auf dem OP-Tisch
Gleichwohl weisen Unfallchirurgen darauf hin, dass Scooter-Fahrer immer öfter auf ihren OP-Tischen landen. Allein im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf wurden seit Einführung der E-Roller 450 zum Teil schwer Verletzte gezählt, Tendenz steigend. „Überwiegend handelte es sich dabei um Verletzungen der Arme und Beine“, sagt Unfallchirurg Dr. Matthias Priemel. Zudem weise die Hälfte aller Geschädigten auch Kopf- und Gesichtsverletzungen auf.
Er selbst würde niemals mit Elektrorollern fahren, so Priemel. Die seien zwar lustig und schnell. Aber viele Nutzer würden dazu neigen, auf den kleinen Reifen zu schnell zu fahren. „Das erhöht die Gefahr, bei Kantsteinen mit dem Lenker umzuschlagen und sich dann bei einer hohen Geschwindigkeit schwer zu verletzen“, so Priemel.
Gestürzte Rollerfahrer verletzen sich bei 85 Prozent aller Unfällen
Generell verletzten sich gestürzte E-Rollerfahrer bei 85 Prozent aller Unfälle. Unter Alkoholeinfluss steigt der Anteil von Kopf- und Gesichtsverletzungen auf mehr als 80 Prozent. Deshalb hat Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen zum Start der Präventionskampagne des Landes noch einmal eindringlich darauf hingewiesen, dass E-Scooter als Kraftfahrzeuge eingestuft sind. Das bedeute, dass die gleichen Promillegrenzen wie beim Autofahren gelten würden.
Neben dem Einfluss von Alkohol ist eine falsche Straßenbenutzung die zweithäufigste Unfallursache. In mehr als zwei Dritteln aller Fälle wurden die Scooterfahrer selbst als Unfallverursacher festgestellt. „Angesichts dieses alarmierenden Befunds, der auch auf die steigende Anzahl von E-Rollern zurückzuführen ist, haben wir jetzt gemeinsam mit der Landespolizei die Präventionskampagne gestartet, die hoffentlich zur Umkehr des Trends führen wird“, erklärt Madsen.
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Zielgruppe sei insbesondere die Altersgruppe der 16- bis 30-Jährigen, die E-Roller gern nach feuchtfröhlichen Feiern für den Weg nach Hause nutzen würden. Die zentrale Botschaft der Kampagne unter dem Motto „Besser ankommen“ laute: Wer unter Alkoholeinfluss fahre, punkte nur in Flensburg. „Diese Botschaft wird sowohl digital als auch analog ausgespielt. Um eine hohe Reichweite zu erzielen, kombinieren wir Online- und Außenwerbung“, so Madsen.
Auf große Plakatwände, kleinere Poster und digitale LED-Screens der Kampagne werden Stormarner in ihrem Kreis derweil kaum stoßen. Die sichtbare Außenwerbung erfolgt vor allem in den einwohnerreichsten Städten des Landes wie Kiel, Lübeck, Flensburg, Neumünster und Norderstedt.