Ammersbek/Berlin. So eine Überraschung: Ehrenamtliche erhält Einladung nach Berlin. Was die Anerkennung ihres vielseitigen Engagements für sie bedeutet.
Der Moment, als ihr Mann Adrian ihr ein mit dem Bundesadler verziertes Schreiben übergab, was er gerade aus dem Briefkasten geholt hatte, steht Sonja Borowski aus Ammersbek noch immer ganz lebendig vor Augen. Im ersten Moment durchfuhr die zierliche Frau mit den großen hellblauen Augen ein Schreck: Was hatte die offizielle Post des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zu bedeuten? Doch als sie den Brief öffnete, war die Überraschung groß: Zu ihrer Freude enthielt er eine persönliche Einladung nach Berlin. Darin hieß es: „Der Bundespräsident und Frau Elke Büdenbender bitten Frau Sonja Borowski mit Begleitung zum Bürgerfest in den Park von Schloss Bellevue.“
Etwas Derartiges hatte Borowski nicht erwartet. Die Frage, wie sie zu der Ehre gekommen war, klärte sich beim Blick in die mitgeschickten Unterlagen. „Es werden Bürgerinnen und Bürger zu Gast sein, die das Ehrenamt in herausragender Weise mit Leben erfüllen“, war dort zu lesen. Eine Bedingung, die hundertprozentig auf die Ammersbekerin zutrifft. Ihr soziales Engagement ist beispielhaft. Immer an ihrer Seite: ihr Mann Adrian. Ob es um das Retten von Lebensmitteln geht, die sonst im Abfall landen würden, um Unterstützung für alleinerziehende Familien, die nur über ein geringes Einkommen verfügen, Begleitung eines Obdachlosen, Hilfe im Behördendschungel für anerkannte Geflüchtete aus Afghanistan oder darum, die Gemeinde von herumliegendem Müll zu säubern. Die Borowskis schauen nicht weg, sondern hin – und packen an.
Beim Empfang des Bundespräsidenten sind Kinder willkommen
Einen Tag vor dem Termin reisten sie mit dem Zug nach Berlin, „der Umwelt wegen“. Der Nachwuchs durfte mit. Es hatte geheißen, dass Kinder bei dem Empfang nicht nur willkommen seien, sondern ein vielfältiges Programm für sie angeboten werde. „Wir sind in Berlin vorher noch zum Friseur gegangen und haben uns schön gemacht, bevor die Veranstaltung losging.“
Etwa 1500 Menschen heißt der Bundespräsident alljährlich am ersten Tag des Bürgerfests willkommen, bevor es am zweiten für die Öffentlichkeit geöffnet wird. Dieses Mal waren es deutlich mehr, weil das Fest im letzten Jahr wegen eines Unwetters abgebrochen werden musste und die Gäste des Vorjahres erneut eingeladen waren. „Vor Ort waren wir schon ganz schön aufgeregt“, berichtet Sonja Borowski. „Das war schon etwas ganz Besonderes. Vor allem, weil es so einen Dresscode gab. Und wir konnten den Diplomateneingang nutzen, statt in der Warteschlange zu stehen, weil wir unser Kind dabei hatten..“
Engagierte Ammersbekerin fühlt sich angesprochen und gewürdigt
Sie hätten es genossen, durch das Schloss Bellevue zu gehen und beim Fest eingeladen zu sein. „Wir geben ja unglaublich viel und bekommen von den Menschen, die wir unterstützen, unglaublich viel zurück — durch Dankbarkeit, ganz liebe Sprachnachrichten oder auch mal Blumen.“ Aber beispielsweise bei denjenigen, die von der Verteilung der Lebensmittel profitierten, käme nur ganz selten ein positives Feedback. „Das Ehrenamt wird irgendwann normal in unserem Bekanntenkreis.“ Es sagten zwar alle, dass sie es bemerkenswert fänden, was die Borowskis leisteten, „aber für viele ist es schon selbstverständlich“.
Bei dem Fest hätten sie hingegen herumgehen und sich überall etwas zu essen nehmen können. Die Rede des Bundespräsidenten hat Sonja Borowski beeindruckt. „Die war wirklich toll. Ich mochte die Rede“. Er habe das Ehrenamt als sehr wichtig dargestellt, gerade in einer Zeit wie dieser. „Das hat einen verbündet mit ihm. Ich habe mich angesprochen und durch die Einladung und den Tag gewürdigt gefühlt.“
Festtag hat die Eheleute mit neuer Motivation und Energie erfüllt
Sie seien mit der klaren Hoffnung angereist, Steinmeier zu treffen. Ihr Ziel, mit ihm zu sprechen und ein Selfie mit ihm zu machen, haben sie tatsächlich erreicht. Die Ammersbekerin wünscht sich für die Zukunft weitere Treffen mit Politikerinnen und Politikern in einem kleineren Rahmen. „Ich würde viel lieber noch einmal in Diskussion gehen.“ Es sei wichtig, dass mehr Menschen aus der Zivilbevölkerung in die Politik das einbringen, „was wir tagtäglich im Ehrenamt erleben“. Es gehe auch darum, die Lücken zu benennen, wo explizit Handlungsbedarf bestehe.
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Es sei ein großes, sehr gut organisiertes Fest bis nachts mit tollen Aktionen auf den Bühnen gewesen. „Wir sind auf jeden Fall mit dem Gefühl dort rausgegangen, dass es ein sehr schöner Tag war“, lautet ihr Fazit. Erfüllt von neuer Motivation und Energie. „Gerade durch die Rede des Bundespräsidenten haben wir uns gesehen und bestätigt gefühlt und auch aufgefordert, weiter auf das Recht der Menschen, denen wir eine Stimme geben, zu bestehen.“ Steinmeier habe die Demokratie sehr in den Vordergrund gerückt und gesagt, das sei das Gut, das geschützt werden müsse. „Diese Beteiligung, das Gesehenwerden und diese Rechte verteidigen wir ja auch, indem wir beispielsweise das Recht auf Familiennachzug fordern.“
Wie im Fall eines afghanischen Politikers, der in Deutschland Asyl erhalten hat. Seine Frau und sein kleines Kind sind noch im Iran und können jederzeit an Afghanistan ausgeliefert werden. Wie berichtet, hat es die deutsche Botschaft in Teheran trotz unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben und Vorlage aller erforderlichen Dokumente bislang versäumt, das dringend benötigte Visum für Mutter und Kind auszustellen. Noch schlimmer: Die Botschaft hat der Frau vor wenigen Tagen mitgeteilt, dass die Wartezeit sich von elf auf 14 Monate verlängert. .Ein Rückschlag, doch die Borowskis geben nicht auf. Am 21. Oktober werden sie erneut nach Berlin reisen. Die Demo vor dem Auswärtigen Amt ist bereits angemeldet.