Reinbek. Der Baum habe den Eigentümern schon seit Längerem Sorge bereitet. Auch ein Gutachter war eingeschaltet. Wer kommt für den Schaden auf?
Teile des Daches sind mit Folie notdürftig abgedichtet, die Fassade ist beschädigt und auch einige Fenster sind kaputt: Rund drei Wochen nach dem Unglück sind die Spuren noch unübersehbar: Wie berichtet, war in einer windstillen Nacht eine große Eiche auf die Villa an der Sophienstraße 1 in Reinbek gekippt. Die Wurzeln blieben in der Erde, der Fußweg unbeschädigt. Umso größer waren die Schäden am Haus.
Ganz unerwartet war der Vorfall für die Eigentümer nicht. „Der Baum hatte eine Schräglage, die uns seit Jahren beunruhigte“, sagt ein Mitarbeiter der Möller-Bornemann Hausverwaltung, der namentlich nicht genannt werden möchte. Die Firma hat die rund 120 Jahre alte Villa samt stattlicher Eiche vor etwa sieben Jahren gekauft und hat dort ihren Sitz. Schon länger wollten die neuen Eigentümer den Baum fällen lassen, „um zu verhindern, dass Personen zu Schaden kommen“. Doch die Stadt habe das abgelehnt.
Reinbek: Stadt soll Fällung der Eiche abgelehnt haben
Nun ist passiert, was die Eigentümer befürchtet hatten. Dass dabei niemand verletzt wurde, bezeichnet der Mitarbeiter als „großes Glück im Unglück“. Polizisten im benachbarten Revier waren in der Nacht zum 30. August vom lauten Rums hochgeschreckt und auf die Sophienstraße gelaufen. Dort sahen sie das Unglück und riefen die Feuerwehr. Die Retter rückten mit einem Großaufgebot und vier Fahrzeugen an. Sie holten eine Bewohnerin per Drehleiter aus der Dachgeschosswohnung, da der Hauseingang durch den umgestürzten Baum blockiert war.
„Die Feuerwehrleute leisteten großartige Arbeit“, sagt der Mitarbeiter dankbar. Und kritisiert: „Das Unglück hätte verhindert werden können, wenn die Stadt der Fällung zugestimmt hätte.“
Baumschutzsatzung regelt, welcher Baum schützenswert ist
Die werde mit Fällungswünschen häufiger konfrontiert, berichtet Jürgen Vogt-Zembol, Leiter der Umweltabteilung im Reinbeker Rathaus. Doch längst nicht alle könnten und dürften erfüllt werden. Insbesondere dann nicht, wenn es sich um einen schützenswerten Baum handele.
Welcher Baum schützenswert ist, regelt die Baumschutzsatzung der Stadt. „Ein 160 Jahre altes Exemplar zählt eindeutig dazu, es sei denn, es geht eine Gefahr für andere von ihm aus“, erklärt der Fachbereichsleiter die allgemeine Gesetzeslage. Zum konkreten Fall könne er keine Angaben machen.
Gutachter untersuchte die Eiche zuletzt vor einem Jahr
Eine Gefährdungslage erkannte ein privat beauftragter Baumgutachter bei der Eiche nicht. Der war an der Sophienstraße 3 regelmäßig vor Ort – zuletzt im September vergangenen Jahres und bescheinigte dem Baum für weitere zehn Jahre Standfestigkeit.
„Leider hat die Eiche das Gutachten nicht gelesen“, sagt der Mitarbeiter der Hausverwaltung. Für die Eigentümer des Hauses stelle sich nun die Frage, wer für den entstandenen Schaden am Haus aufkommt. Der liegt demnach im mittleren fünfstelligen Bereich.
Auf Villa gestürzte Eiche war im Innern stark verfault
Glücklicherweise sei die Statik des Hauses nicht beschädigt worden. Auch deshalb konnte die Bewohnerin schon am nächsten Tag in ihre Wohnung im Dachgeschoss zurückkehren, konnten die Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze nutzen.
Eine Fachfirma hatte den Eingang freigemacht und den stattlichen Baum an zwei Tagen fachmännisch zersägt und abtransportiert. Das Holz allerdings konnte nur noch als Brennmaterial verwendet werden, sagt der Verwalter, so verfault sei der Baum von innen gewesen. Davon überzeugte sich auch der Baum-Fachmann, der das Gutachten erstellt hat.
Auch interessant
- Reinbek: Roter Twingo am Grenzweg gibt Rätsel auf
- Unglück in Reinbek: Bus kracht in Dönerladen „Mr. Kebab“ – das sind die Folgen
- Bjarne Mädel: „Mit Sörensen habe ich privat nichts zu tun“
Gesetzliche Vorschriften, wie oft Eigentümer Bäume begutachten müssen, gibt es nicht. „Die Verkehrssicherungspflicht gilt immer und jederzeit“, sagt Jürgen Vogt-Zembol. Die nehme die Stadt sehr ernst und lasse ihre Bäume zweimal im Jahr, im belaubten und unbelaubten Zustand, von ihren Mitarbeitern kontrollieren – sofern es genügend Personal gibt. Aktuell sind die Stellen eines Baumkontrolleurs und eines Baumpflegers in der Verwaltung neu zu besetzen.