Reinbek. Der gebürtige Reinbeker gibt Einblicke in seinen neuen Film, spricht über Ängste, Lieben, Humor und was er unbedingt noch machen will.
Bjarne Mädel ist einer der gefragtesten deutschen Schauspieler und einer der berühmtesten Söhne Reinbeks. Hier wuchs er die ersten Jahre seines Lebens auf. Damals war das schauspielerische Talent des heute 55-Jährigen noch nicht abzusehen. Als kleiner Junge träumte Mädel eher von einer Profikarriere als Fußballer und kickte für die TSV Reinbek. Die Leidenschaft fürs Schauspielern entdeckte der mehrfach ausgezeichnete Schauspieler während seines Studiums. Bekannt und geliebt wird er für seine Rollen von skurrilen Typen wie „Ernie“ Heisterkamp in der Comedy-Serie Stromberg, Polizeiobermeister Dietmar Schäffer in der Krimiserie „Mord mit Aussicht“ oder als Tatortreiniger, der viele zum Lachen gebracht hat.
Etwas sonderbar ist auch Kommissar Sörensen, in dessen Rolle Mädel vor drei Jahren schlüpfte. Der Kommissar leidet an einer Angststörung und ließ sich von der Großstadt Hamburg ins fiktive Katenbüll in Nordfriesland versetzen, um Ruhe für seine gequälte Seele zu finden, was nicht wirklich gelingt. Zum ersten stand Mädel nicht nur vor der Kamera, sondern führte auch Regie. Mit großem Erfolg: Sein Erstling mit dem besonderen Erzählton, einer Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor, erhielt gleich zwei Grimme-Preis – einen fürs Schauspiel und einen für die Regie.
Bjarne Mädel: Zweiter Sörensen-Film wird im Oktober ausgestrahlt
Nun erscheint der zweite Krimi „Sörensen fängt Feuer“ des Wahlberliners. Erneut führte Bjarne Mädel Regie und spielte die Hauptrolle. Am Mittwoch, 18. Oktober, wird der Film in der ARD um 20.15 Uhr ausgestrahlt. Ab Mittwoch, 11. Oktober, ist er in der ARD-Mediathek. Im Interview mit Redakteurin Undine Gerullis gibt Bjarne Mädel erste Einblicke in den Film und spricht über große Themen des Lebens: Ängste, Lieben (zur Schauspielerei und zum HSV), Humor und warum er unbedingt noch einmal in die Nähe von Reinbek kommen will.
Herr Mädel, wie geht es Kommissar Sörensen im zweiten Film? Konnte er seine Angst besiegen?
Der zweite Film schließt zeitlich fast nahtlos an den ersten an, steht aber für sich. Sörensen ist darin immer noch ein Angstpatient, der unter anderem ständig Panik hat zu versagen und der Angst hat vor der Angst. Er versucht aber, von seinen Tabletten runterzukommen. Das macht ihn reizbar und dünnhäutig. Dennoch spielt die Angst in diesem Film nicht die übergeordnete Rolle. Stattdessen rücken die Themen Verlorenheit und Einsamkeit in den Fokus. Was passiert, wenn Menschen einsam sind oder Angst davor haben, einsam zu sein? Dann kann es vorkommen, dass sie sich fragwürdigen Gruppierungen anschließen.
Einsam ist Sörensen auch. Ist der Titel „Sörensen fängt Feuer“ ein Hinweis darauf, dass eine Frau sein Feuer entfacht?
Der Titel ist da durchaus doppeldeutig gemeint, ja. Im ersten Film haben wir gesehen, dass Sörensen bereits eine ziemlich gute Partnerin – die Polizistin Jenny Holstenbeck (Katrin Wichmann) – vor sich sitzen hat, was er in seinem Zustand aber gar nicht mitgekriegt oder wertschätzen konnte. Da können die Zuschauer gespannt sein, wie es zwischen den beiden weitergeht. Auch erfahren wir im zweiten Film noch mehr über seinen Kollegen Malte Schuster und dessen Probleme.
Das Buch zum Film schrieb, wie schon beim preisgekrönten Vorgänger, Sven Stricker, der die Figur des Kriminalkommissars extra für Sie entwickelt hat. Wie viel Sörensen steckt eigentlich in Bjarne Mädel?
Die Frage finde ich als Schauspieler immer ein wenig merkwürdig. Wenn Bruno Ganz Adolf Hitler spielt, stellt die Frage ja auch niemand. Kommissar Sörensen ist eine fiktive Figur, mit der ich privat nichts zu tun habe. Ich habe weder eine Angststörung, noch bin ich Polizist. Ich habe auch keine Tochter, die in Hamburg wohnt. Die Rolle möglichst gut zu spielen, ist mein Beruf, und Figuren sind zum Glück nicht deckungsgleich mit mir.
Die seelische Erkrankung spielen Sie so authentisch und überzeugend, dass Betroffene sagen, genauso fühlt sich der Zustand an. Wie haben Sie sich vorbereitet?
Es hat mich wahnsinnig gefreut, dass sich Zuschauer mit ihrer Erkrankung wiedererkannt oder gut dargestellt gefühlt haben. Ich hatte natürlich auch eine sehr gute Quelle, da der Autor Sven Stricker – ein guter Freund von mir – selbst betroffen war und ich ihn schon kannte, als die Angst ihn noch im Griff hatte. Ich habe da vieles miterlebt und mir bestimmte Symptome von ihm genau beschreiben lassen, wie sich was anfühlt. Mittlerweile ist es bei Sven zum Glück andersherum: Nun hat er die Angst fest im Griff.
Hatten sie Einfluss auf die Handlung?
Die Handlung ist durch die Romanvorlage vorgegeben, aber ich hatte dann selbstverständlich als Regisseur Einfluss auf die Gewichtung. Sven und ich haben bei der Drehbuchentwicklung eng zusammengearbeitet und uns zusammen überlegt, was wir beim Film wie in den Fokus nehmen. Der Film ist ein Konzentrat aus dem etwa 380 Seiten langen Roman. In den Büchern gibt es beispielsweise eine sehr schöne Beziehung zu seinem Vater, die musste wegfallen. Man kann eben nicht alles in 89 Minuten erzählen, was einem im Buch gefällt.
Was kommt nach der Angst und dem Feuer? Ist ein dritter Sörensen-Film schon in Arbeit?
Im Moment nicht. Ich bin stolz auf das bisherige Ergebnis und die beiden Filme, in die ich viel Zeit und Arbeit mit einem tollen Team gesteckt habe. Im zweiten Film haben wir uns ästhetisch noch ein bisschen mehr getraut. Der Film ist an einer für den Plot wichtigen Stelle auch bewusst artifiziell geworden. Ob das jedem gefällt, weiß ich nicht. Mir gefällt auch der zweite Film sehr gut.
Regie oder Schauspiel? Was macht mehr Spaß?
Das kann ich so pauschal nicht sagen. Ich hatte ja eigentlich nie vor, Regie zu führen. Das hat sich jetzt bei Sörensen so ergeben, aber ich bleibe natürlich in erster Linie Schauspieler. Ich habe auch nicht vor, generell die Seiten zu wechseln. Das war jetzt bei Sörensen toll, da ich selbst noch mitspielen konnte und als Spielertrainer quasi mit auf dem Platz war. Nur draußen auf der Bank zu sitzen, das wäre mir im Moment zu wenig. Dafür bin ich einfach zu gern Schauspieler.
Sie haben die ersten Jahre ihrer Kindheit in Reinbek verbracht und sind an der Kückallee aufgewachsen. Hier entdeckten sie bei der TSV Reinbek ihre Fußballleidenschaft, waren gern im Sommer am Tonteich. Vor einiger Zeit im Interview mit dieser Zeitung sagten Sie, dass sie gern mal wieder in den Tonteich springen möchten. Haben Sie es in diesem Sommer geschafft?
Das würde ich wirklich gern mal wieder. Ich habe einen alten Schulfreund, der direkt in der Nähe vom Tonteich wohnt. Ein Besuch bei ihm und eine gemeinsame Schwimmrunde im Tonteich – das wollten wir schon länger machen. Hat in diesem Jahr leider nicht geklappt, vielleicht dann im nächsten.
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Sie haben mal an einem Imagefilm fürs Reinbeker Rathaus mitgewirkt. Hätten Sie sich auch eine Karriere in der Verwaltung – als Chef des Kulturamtes – vorstellen können?
Nein, ich bin sehr glücklich mit meinem Beruf. Ich möchte keinen anderen haben. Der vereint alles, was mich ausmacht. Ich habe eine Zeit lang, unter anderem im Hamburger Hafen, schwer körperlich gearbeitet, da kam mir der Kopf zu kurz. Während des Studiums hingegen hatte ich das Gefühl, dass der Kopf vom Rest abgeschnitten ist. Das Ganzheitliche am Schauspielberuf, das mag ich. Noch ist ja auch kein Ende in Sicht ist. Großvaterrollen kann ich erst überzeugend spielen, wenn ich 70 bin. Insofern freue ich mich auf alle Rollen, die meinem Alter entsprechen und hoffe, dass ich das noch möglichst lange machen kann.
Sie sagen von sich, dass Sie andere Menschen gern zum Lachen bringen, weil das Leben mit all seinen Schattenzeichen mit Humor leichter zu ertragen ist. Haben Sie heute (es ist später Vormittag) schon jemanden zum Lachen gebracht?
Nein, heute noch nicht, aber ich bin auch sehr spät ins Bett gekommen und noch nicht so lange auf. Grundsätzlich bringe ich schon gern Leute zum Lachen. Es gibt eine Formel von Charly Chaplin: Komödie ist Tragödie plus Zeit. Wenn man mittendrin steckt in einer Tragödie, ist das natürlich nicht lustig. Wenn man aber eine Distanz dazu aufbauen kann, durch Zeit oder Humor, kann das sehr heilsam sein und helfen. Chaplin sagte auch: Stolpern ist die einzige Möglichkeit, der Welt einen Tritt zu verpassen. Ich mag den humorvollen Blick auf die Ernsthaftigkeit der Welt.
Wieder ein ernsteres Thema: Sie sind bekennender HSV-Fan: Klappt der Aufstieg nun endlich im sechsten Anlauf oder geht die Rückrunde wieder schief?
Ich gehe davon aus. Ich habe das Gefühl, dass der Teamgeist stimmt. Ich habe also keine Angst vor der Relegation und glaube an das Feuer in der Mannschaft und an den Aufstieg.