Ahrensburg. Falter aus Fernost hat in der Region Schäden angerichtet wie nie zuvor. Wird das beliebte Gewächs jetzt zum Auslaufmodell?
Es gab Zeiten, da stand er in fast jedem Garten: der Buchsbaum – pflegeleicht, unempfindlich und vor allem immergrün. Das war einmal. Inzwischen erlebt das überaus beliebte Gewächs in unseren Breiten einem dramatischen Rückzug und ist zu einem echten Problemfall geworden. Schuld ist ein weiß-grauer Falter mit braunen Rändern aus Fernost, der sich in den vergangenen Jahren auch bis nach Stormarn vorgearbeitet hat. Der Buchsbaumzünsler sorgt für äußerst gefräßige, bis zu fünf Zentimeter lange grüne Raupen mit schwarzen Punkten, die in diesem Sommer in der Region so viel Schaden angerichtet haben wie nie zuvor. Jedenfalls können sich Baumschulen und Gartencenter im Kreis vor Anfragen zur Abwehr des lästigen Schädlings kaum retten.
Auf Friedhöfen sind Buchshecken weitgehend verschwunden
„Es vergeht seit Wochen kein Tag mehr, an dem nicht mindestens drei Kunden ratsuchend bei uns vorsprechen“, sagt Jörn Andresen, Seniorchef der gleichnamigen Baumschule in Bargteheide. Viele würden eine Krankheit vermuten, die ihre Buchsbäume dahinwelken lässt. „So wie etwa der Buchsbaumpilz aus Neuseeland, der viele Gewächse vor 20 Jahren befallen hatte“, blickt Andresen zurück.
Der Pilz hatte sich seinerzeit besonders dort rasant ausgebreitet, wo Buchse in Schattenlagen viel Nässe ausgesetzt waren. Etwa auf Friedhöfen, wo viele Gräber von kleinen Buchsbaumhecken gesäumt wurden. „Inzwischen sind sie auf Friedhöfen fast nicht mehr existent. Und das könnte bald schon auch für Gärten gelten, in denen Buchssträucher und -Bäume in der Regel viel luftiger und sonniger stehen“, fürchtet der Pflanzenexperte.
Beschaffung von Buchsbäumen wird immer schwieriger
Zum einen, weil vom Zünslers, befallene Gewächse verhältnismäßig lange brauchen, um sich wieder zu erholen und zu regenerieren. Zum anderen, weil es zunehmend schwerer wird, überhaupt noch Buchse zu bekommen. „Ich weiß von einem Produzenten aus der Region, der Tausende Setzlinge untergepflügt hat, weil die Nachfrage massiv eingebrochen ist“, sagt Andresen.
Auch in seiner Baumschule raten die Mitarbeiter inzwischen vom Buchsbaumkauf ab. „Wir haben nur noch Restbestände und ordern auch nicht mehr nach“, berichtet Andresen. Die Gefahr, dass Kunden unzufrieden sind und ihre Käufe reklamieren, sei einfach zu groß. „Erst der Pilz, jetzt der Zünsler – das bedeutete eine Doppelkeule für viele Buchse, der ihre Widerstandsfähigkeit nachhaltig beeinflusst und beeinträchtigt hat“, so der erfahrene Gartenprofi. Eine Entwicklung, die kaum noch umkehrbar sei.
Unheilvolle Allianz aus Klimawandel und Globalisierung
Andresen sieht die Ursache in einer unheilvollen Allianz aus Klimawandel und Globalisierung. Wie der Buchsbaumzünsler letztlich aus China und Japan nach Europa gelangte, ist noch immer umstritten. Laut Naturschutzbund Deutschland (NABU) sei es am wahrscheinlichsten, dass der Schädling durch Ladungen auf Containerschiffen eingeschleppt wurde, weil Baumschulen hierzulande „scharf waren auf günstige Buchsbäume aus Asien“, wie auf der NABU-Homepage zu lesen ist.
Tatsache ist indes, dass es durch eine klimabedingte Ausweitung der Vegetationszeiten auch mehrere Schädlingsgenerationen pro Jahr gibt. „Weil die Raupen oft unbeschadet durch die immer milderen Winter kommen, sorgen die Zünsler inzwischen bis zu viermal pro Jahr für Nachwuchs, der sich dann über die Buchsblätter hermacht“, erklärt Andresen.
Produkte auf Basis von Teebaum- und Neemöl können helfen
Auf dem Markt sind inzwischen Produkte verschiedener Hersteller, um den Zünsler zu bekämpfen. Dabei muss keineswegs die Giftkeule geschwungen werden. Gegen den Cydalima perspectalis, so die Fachbezeichnung des Zünslers, können auch biologische und systemische Mittel wirksam eingesetzt werden, die Insekten nicht schaden.
Dazu gehört etwa der Bacillus thuringiensis, der von den Larven aufgenommen wird und sie letztlich töten. Hilfreich sind auch Substanzen auf Basis von Teebaumöl oder Neemöl, die mittels einer Spritze ausgebracht werden. Allerdings bedarf es hier einer gewissen Gründlichkeit, um wirklich das ganze Gewächs gleichmäßig zu benetzen.
Auch die Stämme müssen gründlich behandelt werden
„Gelegentlich wird auch ein radikaler Rückschnitt empfohlen“, weiß Andresen. Der davon mit Blick auf die langsame Erholung der Buchse aber abrät. „Die Raupen fressen ja im Grunde nur die Blätter ab. Bei einem massiven Rückschnitt werden jedoch auch viele Triebe entfernt, die es dem Gewächs zusätzlich erschweren, wieder auszutreiben“, erklärt er. Deshalb sei es viel wichtiger, beim Besprühen betroffener Pflanzen auch die Stämme gründlich zu behandeln. Das gelte insbesondere für den Einsatz systemischer Mittel, deren Wirkstoffe vorrangig über den Stamm aufgenommen würden.
Doch nicht nur in der Baumschule Andresen sind die Abwehrmittel gegen den Buchsbaumzünsler in den vergangenen Wochen knapp geworden oder waren gar ausverkauft. Von Lieferengpässen berichtet ebenso Frauke Vogler, Fachberaterin in der Gartenabteilung des Baumarkts Evermann in Trittau.
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„Seit Mitte August haben wir eine extreme Nachfrage registriert, sodass wir an vielen Tagen das komplette Sortiment im freien Verkauf nicht mehr anbieten konnten“, sagt Vogler. Habe es in den vergangenen Jahren gereicht, diese Mittel einmal im Monat zu ordern, so löse sie derzeit wöchentlich eine Bestellung aus. „Oft sind Produkte aber wieder ausverkauft, bevor uns die Nachlieferung erreicht hat“, so Frauke Vogler. Biotechnische Zünslerfallen, die männliche Falter mittels eines Sexuallockstoffs abfangen, seien bereits seit Tagen vergriffen.
Laut Jörn Andresen ist Entspannung kaum in Sicht. „Wir empfehlen inzwischen Thujas als Alternative zu Buchsbäumen“, sagt er. Weil aber inzwischen fast jedes Jahr ein neuer Schädling auftauche, sei kaum noch vorauszusagen, welche Empfehlung tatsächlich Bestand haben werde. So habe sich etwa die Drosophila suzukii, besser bekannt als Kirschessigfliege, zu einer echten Bedrohung für den Weinanbau entwickelt. „Es gibt Beispiele, da befiel sie kurz vor der Lese ganze Hänge und vernichtete praktisch über Nacht die gesamte Ernte. Sich vor solchen Schädlingen zu schützen, wird immer schwieriger“, sagt der Experte aus Bargteheide.