Heidmühlen/Bad Oldesloe. Wolfsbetreuer setzt auf Schutzzäune, Schleswig-Holstein investiert 2023 zwei Millionen Euro. Stormarns Kreisjägermeister ist skeptisch.
Wie umgehen mit dem Wolf? Darüber gehen die Meinungen noch immer weit auseinander. Die einen sagen, er gehöre nun mal zur heimischen Fauna und sollte deshalb seinen Platz im Ökosystem des „echten Nordens“ haben. Vornehmlich Nutztierhalter sehen die Lage weitaus kritischer. Und mit jedem Riss eines Schafs oder Angriffs auf Rinder oder Pferde erhält die schwelende Debatte neue Nahrung. Umweltstaatssekretärin Katja Günther hat sich im Wildpark Eekholt, in dem auch das Wolfsinformationszentrum des Landes Schleswig-Holstein angesiedelt ist, gerade über den neuesten Stand beim Wolfsmanagement informiert.
„Die Rückkehr des Wolfs in unsere Breiten darf sicher als Erfolg des aktiven Artenschutzes gewertet werden“, sagt Günther. Andererseits bedeute es aber auch eine Herausforderung für die Gesellschaft im ländlichen Raum. Übergriffe von Wölfen auf Nutztiere seien der Akzeptanz in der Bevölkerung nicht zuträglich. „Deshalb geht es beim Wolfsmanagement um präventive Maßnahmen zum Schutz der Nutztiere ebenso wie um den finanziellen Ausgleich von entstandenen Schäden“, so Günther.
Zahl der Nutztierrisse deutlich zurückgegangen
Nachdem es in den Jahren 2018/2019 zu insgesamt 156 Nutztierrissen in Schleswig-Holstein gekommen war, flossen 2020 in den Herdenschutz rund 517.000 Euro plus 42.582 Euro an Entschädigungsleistungen. Als 2020/2021 nur noch 32 Risse registriert wurden, waren es im Vorjahr nur noch 150.000 plus 9000 Euro. Im laufenden Jahr will das Land insgesamt zwei Millionen Euro investieren, auch in die personelle Ausstattung haupt- und ehrenamtlicher Strukturen.
Nach Ansicht der Staatssekretärin sei diese Summe absolut auskömmlich. Offiziellen Angaben zufolge gebe es hierzulande derzeit nur zwei bekannte residente Wolfspaare: eines im Sachsenwald im Herzogtum Lauenburg und eines im Segeberger Forst. Da Letzteres vermutlich für zwei bis vier Junge gesorgt hat, gilt die Wolfsfamilie als erstes Rudel im Land seit mehr als 150 Jahren.
Große Schafdichte im Land wird zum Problem
Jahrzehntelang war Schleswig-Holstein nur Durchzugsland für Wölfe. Entweder auf dem Weg gen Norden, Richtung Dänemark, oder gen Süden, Richtung Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Das hat sich in vergangenen Jahren offenbar geändert. „Wölfe sind sehr anpassungsfähig. Wo sie gute Ausgangsbedingungen finden, lassen sie sich schnell nieder“, weiß Thomas Gall, Fachreferent für Artenschutz im Kieler Umweltministerium. Die große Schafdichte in Schleswig-Holstein dürfte solch ein Kriterium sein. Mit zehn bis zwölf Tieren pro Quadratkilometer sei sie so hoch wie nirgends sonst bundesweit.
Deshalb werden Herdenschutzmaßnahmen in den fünf Wolfspräventionsgebieten, zu denen unter anderen die Kreise Segeberg und Herzogtum Lauenburg zählen, nicht aber Stormarn, bis zu 100 Prozent vom Land gefördert. „Diese Maßnahmen umfassen insbesondere Litzen – und Euronetzzäune mit einer Höhe von bis zu 120 Zentimetern, die mit einer Spannung von mindestens 3000 Volt versehen sind“, sagt Gall.
Wölfe sind überaus lernfähig und anpassungsbereit
Diese Zäune hätten sich bewährt, weil der Wolf durchaus lernfähig sei und nach entsprechenden Erfahrungen solcherart eingehegte Weideplätze meide, bestätigt auch Wolf von Schenck, langjähriger Geschäftsführer des Wildparks Eekholt und selbst ausgebildeter Wolfsbetreuer. Seiner Ansicht nach sei ein friedliches Miteinander von Mensch und Wolf durchaus möglich.
Das sehen aber längst nicht alle so. Stormarns Kreisjägermeister Uwe Danger zählt zur großen Schar der Skeptiker, die das auch von Staatssekretärin Günther so gepriesene flexible Wolfsmanagement für nur bedingt hilfreich halten. Und das nicht erst seit den beiden Übergriffen in den Kreisgrenzen aus den vergangenen Monaten.
Zwei tödliche Übergriffe in Stormarn in vier Monaten
Am 21. November 2022 hatte ein Wolf zwei Schafe auf einer Weide in Großensee gerissen. Ende Februar dieses Jahres waren es auf dem Gut Nevenstaven in Travenbrück sogar drei. Als der Landwirt den Schaden entdeckte, war eines der Tiere bereits tot. Zwei weitere waren so schwer verletzt, dass er sie erschießen musste, um sie von ihren Leiden zu erlösen.
Laut genetischer Untersuchung ging die tödliche Attacke in Travenbrück auf das Konto einer bekannten Wölfin mit der Kennung GW2656f. Sie war dem zuständigen Landesamt schon seit dem Mai 2022 bekannt, als sie im Kreis Plön bereits drei Schafe getötet und zwei weitere verletzt hatte. Anschließend waren noch sechs weitere Risse in den Kreisen Plön, Segeberg und Rendsburg-Eckernförde aktenkundig geworden.
Vermutlich mehr Wölfe als durchs Monitoring erfasst
„Ich bin überzeugt, dass längst mehr Wölfe im Land unterwegs sind, als durch das Monitoring erfasst werden“, sagt Danger. Jüngst habe es erst wieder Sichtkontakte mit Wölfen in Nütschau und Wolkenwehe, einem Ortsteil von Bad Oldesloe, gegeben. „Sie sind sehr beweglich und haben einen großen Aktionsradius“, so der Kreisjägermeister.
Gäbe es Naturräume wie vor 200 Jahren, hätte der Wolf wohl eine realistische Chance in unseren Breiten. „Doch der Mensch, die Landwirtschaft und die modernen Verkehrswege haben seinen Lebensraum so stark verändert, dass ein konfliktarmes Zusammenleben kaum noch möglich erscheint“, ist Danger überzeugt. Da würden auch keine modernen Schutzzäune helfen, von denen sich erfahrene Wölfe eben nicht immer fernhalten ließen.
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Letztlich habe es diese faszinierende Tierart aber selbst am schwersten, sich in freier Wildbahn zu behaupten und zu überleben. Und sei deshalb in Wildparks wie in Eekholt am besten aufgehoben, wo derzeit mit Jascha und Balou sowie Mascha und Alexander zwei Paare in getrennten Gehegen zu den gefragtesten Bewohnern der Anlage zählen.
Wie zum Beweis für Uwe Dangers Skepsis steht im Schulungsraum des Wildparks ein prachtvolles Exemplar als starres Anschauungsobjekt. Die einjährige Wölfin starb im April 2014 auf der A24 im Kreis Stormarn nach der Kollision mit einem Auto.