Ahrensburg. Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein suchen bis Ende dieses Jahres 100 neue Fahrer. Was für den Job spricht.

Rund 100.000 Busfahrerinnen und Busfahrer bringen bundesweit Menschen täglich an ihr Ziel. Die Mobilitätswende und der demografische Wandel sorgen jedoch dafür, dass diese Zahl in den kommenden Jahren nicht ausreichen wird, um den Personalbedarf zu decken. Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zufolge müssen jährlich bis zu 6000 Fahrer gewonnen werden, sollen allein die bestehenden Strecken und Linien auch künftig bedient werden. Die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH), die jährlich 66,9 Millionen Fahrgäste befördern, gehen deshalb jetzt in die Offensive, um neue Kolleginnen und Kollegen für den Job hinterm Steuer zu gewinnen.

Wünsche nach Leistungserweiterungen sind groß

„Bis zum Fahrplanwechsel im Dezember dieses Jahres brauchen wir im gesamten Unternehmen rund 100 neue Mitarbeiter“, sagt Thorge Storm, Leiter des Betriebshofs in Ahrensburg. Die Wünsche nach Leistungserweiterungen seien im gesamten Geschäftsgebiet groß, das immerhin die gesamte Metropolregion Hamburg mit den Umlandkreisen Stormarn, Herzogtum Lauenburg, Segeberg und Pinneberg umfasst. Das betreffe neue Linien ebenso wie Streckenerweiterungen und Taktverdichtungen.

Deshalb werben die Verkehrsbetriebe bereits seit geraumer Zeit unter anderem mit dem griffigen Slogan „Du kannst das auch“. Genau der fiel Robin Kupfer in einem der VHH-Busse ins Auge, als er sich vor einem Jahr beruflich neu orientieren wollte. „Ich habe bis dahin im Arzneimittelgroßhandel gearbeitet, wollte mich aber verändern und war deshalb auf der Suche nach einem neuen Job“, berichtet der 33-Jährige.

Mit zehn Jahren schon Traktor gefahren

In Nordfriesland aufgewachsen, saß er bereits als Zehnjähriger das erste Mal auf einem Traktor und ratterte über die Felder seiner Heimat. „Große Fahrzeuge haben mich schon immer begeistert. Deshalb fiel es mir auch gar nicht schwer, mich auf Busse einzulassen“, so der Quereinsteiger.

Robin Kupfer ist Quereinsteiger und hat es nicht bereut.
Robin Kupfer ist Quereinsteiger und hat es nicht bereut. © HA | Lutz Kastendieck

Ungewohnt sei allenfalls gewesen, dass man in den großen Bussen rund 1,50 Meter vor der Vorderachse sitze. „Das war anfangs gerade bei Kurvenfahrten ungewohnt, weil man gänzlich anders einschlagen muss als bei einem Auto. Hat man den Dreh aber erst einmal raus, wird das Ganze ziemlich schnell Routine“, sagt Kupfer.

Kontakt zu Fahrgästen auf dem Land viel persönlicher

Seit Anfang September vergangenen Jahres fährt er jetzt regelmäßig verschiedene Linien in Stormarn und im Hamburger Osten und hat seine Entscheidung noch nicht einen Tag bereut. „Keine Tour ist wie die andere, der Job ist einfach so abwechslungsreich wie die Strecken, auf denen ich unterwegs bin“, versichert er. Am besten gefalle ihm die Tour von Bargteheide nach Poppenbüttel. „Da fährst du praktisch vom platten Land in die Stadt, vorbei an Äckern, Wiesen und viel Grün und durch verschiedene Verkehrszonen, die mal total ruhig, dann aber auch wieder urban und hektisch sind“, beschreibt er den besonderen Reiz hinterm Lenkrad.

Das Fahren durch ländlich geprägtes Terrain schätzt Kupfer auch deshalb, weil der Kontakt zu den Fahrgästen sehr viel persönlicher und direkter sei. „Da wirst du als Fahrer freundlich gegrüßt und in Gespräche verwickelt, was bei hektischen Städtern eher nicht der Fall ist“, erzählt der gelernte Tischler. Er kenne Senioren, die eine Tageskarte lösen würden, nur um zwei Stunden mit dem Bus ziellos durch die Gegend zu fahren und daheim nicht allein zu sein.

Hauseigene Fahrschule mit acht Lehrern

Natürlich gebe es auch mal unliebsame Begegnungen und Situationen, in denen er einschreiten müsse. „Vor einigen Tagen gab es einen Fall, wo drei Jugendliche herumlärmend Kinder drangsaliert und bedroht haben. Da habe ich an der nächsten Haltestelle angehalten und sie mithilfe eines weiteren Fahrgasts vor die Tür gesetzt, so etwas lasse ich in meinem Bus nicht durchgehen“, berichtet Kupfer.

Derweil wird Xenia Kater gerade von Reiner Lau auf ihre Fahrprüfung Ende Juni vorbereitet. Der erfahrene Mecklenburger, der von seinem Wohnort unweit des Ratzeburger Sees jeden Tag nach Ahrensburg pendelt, hat als Chef der hauseigenen Fahrschule mit acht Lehrern in den vergangenen zweieinhalb Jahren 133 von insgesamt 156 Anwärtern durch die Prüfung gebracht, eine Quote von 85 Prozent.

Sogar Kampfjetpilot ließ sich umschulen

„Ich habe Menschen mit den verschiedensten Berufen zum Busfahrer umgeschult“, berichtet der 56-Jährige. Darunter seien Lehrer, Richter, Personalchefs und sogar ein Kampfjetpilot gewesen. Inzwischen würden sich auch immer mehr Frauen den Job zutrauen. Von den 120 Fahrern am Standort Ahrensburg seien knapp 20 weiblich.

Die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein suchen dringend Busfahrerinnen und Busfahrer. Hier: Xenia Kater steht kurz vor ihrer Abschlussprüfung.
Die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein suchen dringend Busfahrerinnen und Busfahrer. Hier: Xenia Kater steht kurz vor ihrer Abschlussprüfung. © HA | Lutz Kastendieck

Mit Xenia Kater soll nun bald eine weitere hinzukommen. Die Bergedorferin, die früher in der Gastronomie und im Einzelhandel gearbeitet hat, ist über eine Freundin zu den VHH gekommen, wo sie innerhalb von drei Jahren zur Fachkraft im Fahrbetrieb ausgebildet wird. 80 der 90 Pflichtstunden hat sie bereits absolviert.

Gelenkbus kann bis zu 28 Tonnen wiegen

„Anfangs war ich schon sehr nervös und hatte einen Heidenrespekt“, gibt sie unumwunden zu. Immerhin bewege man mit einem 18 Meter langen Gelenkbus bei Maximalauslastung bis zu 28 Tonnen. Und habe dabei eine besondere Verantwortung, weil man eben Menschen befördere und keine Waren.

Inzwischen mache ihr das Fahren dieser großen Fahrzeuge aber Riesenspaß. Unterdessen sei die gesamte Ausbildung vielschichtig und abwechslungsreich. Die habe sie unter anderem in die Werkstatt geführt mit einem ungeahnten Nebeneffekt. „Jetzt kann ich sogar an meinem eigenen Auto herumschrauben und spare somit viel Geld“, sagt Xenia Kater.

Attraktiv sei die Ausbildung aber nicht zuletzt deshalb gewesen, weil sie von Beginn an vergütet werde. Einsteiger erhalten rund 2700 Euro im Monat. Ein Verdienst der später durch diverse Zuschläge auf bis zu 3500 Euro gesteigert werden kann. Hinzu kommen weitere Arbeitgeberleistungen wie eine Altersvorsorge und ein Fitnesszuschlag von 15 Euro im Monat.

„Was mich aber vor allem überzeugt hat, war das familiäre Klima im Unternehmen und das Bestreben, Probleme gemeinsam zu lösen. Zumal es vielseitige Qualifikations- und Weiterbildungsmöglichkeiten gibt“, sagt Xenia Kater. Insofern sei das ein Beruf mit vielen Chancen und guten Zukunftsaussichten. Selbst wenn sie in ein paar Jahren nicht mehr hinterm Steuer sitzen wolle.