Bad Oldesloe. Warum die Ministerinnen Karin Prien und Aminata Touré jetzt gemeinsam die Berufsschule in Bad Oldesloe besucht haben.
Wenn sich mit Karin Prien und Aminata Touré gleich zwei amtierende Ministerinnen der schwarz-grünen Landesregierung zur selben Stunde an der Beruflichen Schule des Kreises in Bad Oldesloe einfinden, dann muss es schon einen bedeutsamen Anlass geben. Und ob! Seit Monaten steht die Betreuung von Kindern in den Kitas in der Kritik. Das System leidet in weiten Teilen unter einer mangelnden Verlässlichkeit. Betreuungszeiten werden massiv gekürzt und sogar ganze Gruppen temporär geschlossen. Laut Erhebungen der Kreiselternvertretung Stormarn lag der durchschnittliche Betreuungsausfall im Vorjahr bei 3,42 Wochenstunden pro Kind. Aus einzelnen der insgesamt 167 Kitas wurden für konkrete Gruppen wöchentliche Ausfallzeiten von bis zu zwölf Stunden gemeldet.
„Ja, wir stehen als Land hier vor einer riesigen Herausforderung, da wir uns durch den demografischen Wandel mit einem zunehmenden Fachkräftemangel konfrontiert sehen“, räumte Bildungsministerin Karin Prien (CDU) unumwunden ein. Bis 2035 würden Prognosen zufolge rund sieben Millionen Menschen ihre Erwerbstätigkeit beenden. Das sei eine schwere Hypothek, auf die schon jetzt reagiert werden müsse. Gerade in den Berufsfeldern Erziehung und Pflege.
Schnell neue Personalkapazitäten schaffen
Dies umso mehr, als der bevorstehende Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung ab 2026 neue Personalbedarfe mit sich bringen werde, so Prien. „Deshalb ist es ein gemeinsames großes Projekt beider Ministerien, möglichst schnell mehr Personalkapazitäten zu schaffen“, ergänzte Sozialministerin Aminata Touré (Grüne).
Besonders gestärkt werden soll die praxisintegrierte Ausbildung (PiA) von Fachkräften in den Erziehungsberufen, die in Kindertagesstätten wie an Schulen dringend gebraucht werden. Sie sieht sowohl Theorie-Unterricht an den Berufsschulen als auch feste Praxistage in den Betreuungseinrichtungen vor.
Durch Praxisphasen zugleich die Kitas entlasten
„Mit der praxisintegrierten Ausbildung wollen wir den Weg zur Fachkraft attraktiver machen, es sollen sich mehr junge Menschen für diese gesellschaftlich wichtigen Berufe entscheiden“, erklärt Touré. Ein entscheidender PiA-Vorteil sei, dass die Ausbildung vergütet werde und die Auszubildenden bereits einen engen Bezug zu den Kitas entwickeln könnten. „Und weil sie gleich in der Praxis Erfahrungen sammeln, entlasten sie damit zugleich den Personaldruck in den Kitas“, so Touré.
In Schleswig-Holstein wurde die praxisintegrierte Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher als Alternative zur klassischen, rein schulischen Ausbildung bereits 2017/18 an zehn Standorten eingeführt. Sie dauert in der Regel drei Jahre und schließt mit dem staatlich anerkannten Abschluss als Erzieher ab.
284 Schüler allein in der Erzieherausbildung
Zum kommenden Schuljahr 2023/24 soll PiA an der Beruflichen Schule Bad Oldesloe nun auch für die Sozialpädagogische Assistenz (SPA) anlaufen. Dort befinden sich bereits 284 Schüler in der Erzieheraus- und -weiterbildung. Nun sollen 150 angehende Assistenten hinzukommen.
Sie alle finden auf dem Campus am Schanzenbarg ideale Voraussetzungen. Auf dem weitläufigen Areal ist im dritten Quartal 2021 nach zweijähriger Bauzeit ein hochmoderner Erweiterungsbau für 7,4 Millionen Euro entstanden. „Der Bau folgte unserem pädagogischen Konzept, Differenzierungsflächen waren uns ebenso wichtig, wie eine möglichst große Transparenz“, sagt Schulleiter Kai Aagardt.
Moderne Lernbereiche auch auf Fluren und Terrassen
Neben 21 Klassenräumen beherbergt der Neubau unter anderem vier kombinierte Cluster- und Lernbereiche mit variablem Mobiliar und bequemen Sitznischen auch in den Fluren, zwei Lernterrassen unter freiem Himmel, ein Konferenzzentrum, eine Medienwerkstatt und ein Beratungszentrum zur Vermittlung von Arbeitsstellen. Erweitert wurde zudem der Bereich für die Lehrkräfte, denen nun auch Stillarbeits-, Teamarbeits- und Ruheräume zur Verfügung stehen.
„Um die praxisintegrierte Ausbildung sicherstellen zu können, haben wir Kooperationsverträge mit den Kitaträgern von 28 Einrichtungen geschlossen“, berichtet die zuständige Abteilungsleiterin Franka Rupnow. Regelmäßige Praktikumstage und -phasen seien wichtig für die Motivation der Auszubildenden und deren Bindung zu den Kitas.
Vergütung soll auch Ausdruck der Wertschätzung sein
Von entscheidender Bedeutung sei aber zudem die Ausbildungsvergütung. Sie erhöhe die Attraktivität der Erzieherausbildung und den Anreiz, sich überhaupt für diese zu entscheiden. „Sie soll ein Signal sein, nach einem allgemeinbildenden Schulabschluss nicht erst einmal jobben zu gehen, sondern sofort eine vergütete Ausbildung anzugehen. Die Vergütung soll aber zugleich Ausdruck der Wertschätzung für diese Berufe sein“, so Kultusministerin Karin Prien.
Das Land stellt dafür in diesem Jahr fünf Millionen Euro zur Verfügung, ab 2024 werden es sogar zehn Millionen Euro per annum sein. Mit dem Geld werden sowohl 21 neue Stellen für Lehrkräfte finanziert, die die künftigen Erzieher ausbilden, als auch die Förderung von PiA-Plätzen.
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Kreispräsident Hans-Werner Harmuth wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich auch der Kreis Stormarn an der Ausbildungsvergütung beteiligt. Für die praxisintegrierte Erzieherausbildung sollen von 2023 bis 2025 in einem Pilotprojekt 60 Stellen in den Kitas des Kreises geschaffen werden.
„32 Stellen werden in den kommenden beiden Jahren vom Kreis mit je 600 Euro pro Monat gefördert“, so Harmuth. Das entspreche indes nur der Hälfte der geplanten Ausbildungsvergütung von bis zu 1200 Euro. Die anderen 50 Prozent sollen vom Land, der Kommune und den Trägern aufgebracht werden. Diese Förderung wird es nach einem Kreistagsbeschluss auch für 30 PiA-Stellen von sozialpädagogischen Assistenten geben. Insgesamt 1,7 Millionen Euro wird der Kreis in diese Ausbildungsoffensive investieren.