Bargteheide. Prominente Landespolitiker stellen sich beim Speed-Dating im Kopernikus Gymnasium Bargteheide kritischen Fragen.
Jugendliche frühzeitig für politische Themen zu begeistern, ist in Zeiten von Fake News und professionell betriebener Desinformation wichtiger denn je, da sind sich alle Parteien einig. Zumal sich auch in deren Reihen ein Generationswechsel vollziehen muss, will man dem eigenen Anspruch als Interessenvertreter der Bürger gerecht werden. Das ist gerade im Vorfeld von Wahlen besonders wichtig, wie sie am kommenden Sonntag in Schleswig-Holstein anstehen, wenn die Kommunalvertretungen und der Kreistag neu gewählt werden. Das Kopernikus Gymnasium Bargteheide (KGB) hat aus diesem Anlass gerade ein Dialogforum organisiert und dazu prominente Landtagsabgeordnete eingeladen.
Buchholz piesackt Rivalen freundlich-provokativ
Dass man Ex-Justizminister Claus Christian Claussen (CDU), Ex-Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP), Martin Habersaat (SPD) und Malte-Jannik Krüger von den Grünen gemeinsam zu einem Speed-Dating der besonderen Art unter ein Dach bekommen hat, darf per se schon mal als Erfolg verbucht werden. Das umso mehr, als alle vier gut aufgelegt, offen und oft sehr persönlich, Rede und Antwort gestanden haben.
„Ich mag dieses Format, weil anders als das Publikum in manch Podiumsdiskussion die Schüler sehr gut vorbereitet waren, sich in die Themen eingearbeitet haben und folglich zumeist fundierte und kluge Fragen gestellt haben“, lobte Buchholz. Der Freidemokrat war als erfahrener Medienprofi allerdings auch so frei, die politischen Rivalen hier und da mit freundlich-provokativen Einwürfen zu piesacken.
Schüler plädieren für kostenlose Kita-Plätze
So etwa, als es um die Frage ging, ob es in Schleswig-Holstein nicht endlich gebührenfreie Kita-Plätze geben sollte. Als es darüber in der KGB-Kuhle zur Abstimmung kam, gingen sehr viele Hände der an der Debatte beteiligten rund 30 Neunt- und Zehntklässler nach oben, auch die von Buchholz. Christdemokrat Claussen musste sich hingegen fragen lassen, warum die schwarz-grüne Landesregierung das offenbar anders sehe.
„Das ist momentan nicht unser größtes Problem im Lande“, entgegnete Claussen und führte den gravierenden Fachkräftemangel in vielen Branchen ins Feld. „Außerdem wissen wir aus Gesprächen mit vielen Eltern, dass sie für eine gute Qualität in der Kitabetreuung durchaus bereit sind, sich an den entstehenden Kosten zu beteiligen“, so Claussen.
Ausbildungsvergütung für Erzieher notwendig
Auch Martin Habersaat, als Lehrer für Deutsch, Geschichte und WiPo ein ausgewiesener Bildungsexperte, kritisierte, dass es in Schleswig-Holstein kein kostenloses Grundangebot in Kindertagesstätten gebe. Zudem müsse dem Fachkräftemangel schnellstens durch eine regelhafte Ausbildungsvergütung für angehende Erzieher und Sozialpädagogische Assistenten begegnet werden. „Das gilt im Übrigen auch für Pflegekräfte. In diesem Beruf gehalten werden können sie nur, wenn die Arbeitsbedingungen attraktiver und verlässlicher werden und Aufstiegschancen durch Qualifikationsmöglichkeiten eröffnet werden“, so der Sozialdemokrat aus Reinbek.
Ein weiteres Hauptthema an einem der vier Speed-Dating-Tische war der Öffentliche Personennahverkehr. Hier sahen nicht nur die Schüler noch erheblichen Verbesserungsbedarf im Hinblick auf eine engere Taktung von Buslinien und den Ausbau des Radwegenetzes, soll die klimaschonende Mobilitätswende tatsächlich gelingen.
Digitale Infrastruktur noch unzureichend
Während Claussen erneut die Bemühungen der Bargteheider CDU um einen Halt der Regionalexpress-Züge am hiesigen Bahnhof verteidigte, gestand Buchholz ohne Umschweife ein, für die Fahrten zwischen seinem Heimatort Ahrensburg und dem Landtag das Auto zu nutzen. „Die Verbindungen nach Kiel sind einfach zu schlecht“, beschied er kurz und bündig.
Einig waren sich unterdessen alle Landtagsabgeordneten darin, dass die Ausstattung von Schülern und Lehrern mit digitalen Endgeräten unbedingt und möglichst schnell weiter verbessert werden müsse. Allerdings monierten die Schüler, dass die Verteilung von Tablets nur dann sinnstiftend sei, wenn auch die nötige technische Infrastruktur an der Schule geschaffen werde. Hier gebe es trotz des Anschlusses des KGB ans Glasfasernetz der Stadt noch erhebliche Defizite, die immer wieder zu Verbindungsabbrüchen führen würden.
Gewaltige Unterschiede beim E-Learning
Ihrer Ansicht nach sei es nötig, auch die Lehrkräfte für den Einsatz digitaler Geräte im Unterricht besser zu schulen. Größeres Augenmerk müsse zudem auf die Vermittlung von Medienkompetenz gelegt werden, um auf diese Weise Mediensucht und der Gefahr des Verlusts sozialer Beziehungen entgegenzuwirken.
Zweifel an der Grundausstattung der Endgeräte selbst äußerte unterdessen Malte-Jannik Krüger. Als Lehrer für Wi/Po und Deutsch habe er selbst Tablets bekommen, deren praktische Einsatzfähigkeit sehr überschaubar gewesen sei. „Ich glaube, es ist unstrittig, dass es beim E-Learning noch gewaltige Unterschiede an den verschiedenen Schulen gibt“, so der Grüne.
- Kevin Kühnert unterstützt SPD-Kandidaten in Bargteheide
- In Barsbüttel stehen die Finanzen im Fokus
- Kommunalwahl: Das sind die Themen in Bad Oldesloe
Unterdessen sahen sich die Politiker in der KGB-Kuhle auch mit Fragen konfrontiert, die mit dem Kommunalwahlkampf in Stormarn nur wenig zu tun hatten. Etwa, ob das Anlegen von Kreuzfahrtschiffen im Kieler Hafen verboten werden sollte. Da gingen die Ansichten sogar in Krügers eigener Familie weit auseinander, gestand er. Während er kein Kreuzfahrerfreund sei, arbeite sein Bruder als Techniker auf einem Aida-Schiff. „Klar ist, dass der CO2-Ausstoß durch den Einsatz neuer, emissionsfreier Antriebstechnik deutlich gesenkt werden muss“, so Krüger. Generelle Verbote sahen jedoch die meisten nicht als den richtigen Weg.
„Die rege Beteiligung der Schüler und der persönliche Austausch mit den Politikern haben gezeigt, dass dieses Speed-Dating-Format hilft, Einblicke in politische Strukturen zu bekommen und dadurch das Interesse an Meinungsbildungsprozessen zu fördern“, zogen die beiden projektbegleitenden Lehrerinnen Caroline von Sobbe und Susann Laatsch unisono ein positives Fazit des zweistündigen Dialogforums.