Bad Oldesloe. Warum die Abfallwirtschaft Südholstein jetzt schnell einen strategischen Partner für die Lösung dieses Problems sucht.

Die Einführung der Biotonne in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg vor mehr als zehn Jahren darf zweifellos als Erfolgsmodell bewertet werden. 85 Prozent aller Haushalte haben inzwischen eine und mit jedem Jahr ist die Sammelmenge seit 2015 deutlich gestiegen: in Stormarn von 21.105 auf zuletzt 30.666 Tonnen, im Herzogtum Lauenburg von 15.768 auf 24.136 Tonnen. Insgesamt also auf mehr als 54.000 Tonnen. Das entspricht einem Pro-Kopf-Zuwachs von 85,7 auf 123,1 Kilo pro Jahr. Diese an sich positive Bilanz hat unterdessen auch eine Schattenseite. Denn der wertvolle Bioabfall ist der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) buchstäblich über den Kopf gewachsen.

„Weil die Aufnahmekapazität der Vergärungsanlage in Trittau längst überschritten ist, muss der Abfall inzwischen nach Lübeck und Schwerin transportiert werden“, sagt AWSH-Chef Dennis Kissel. Das aber sei auf Dauer weder klimafreundlich noch wirtschaftlich. Dadurch würden außerdem zusätzliche Aufwendungen entstehen. Zum einen für die anfallenden Ferntransporte, zum anderen für höhere Verwertungskosten in den externen Anlagen.

Kapazität von 70.000 Tonnen wird angestrebt

Mittlerweile werden knapp 20.000 Tonnen Bioabfall außerhalb der Kreise Stormarn und Lauenburg behandelt. Die vereinbarte Maximalmenge beim Vertragspartner Abfall-Wirtschaftszentrum Trittau (AWT) beträgt nur 36.000 Tonnen pro Jahr.

In der Bioabfallvergärungsanlage Trittau werden jährlich 36.000 Tonnen Grün- und Bioabfälle in Strom und Kompost verwandelt. Hier: Wolfram Gelpke, Geschäftsführer der Abfallverwertung Trittau (AWT), im Anlieferungsbereich der Anlage.
In der Bioabfallvergärungsanlage Trittau werden jährlich 36.000 Tonnen Grün- und Bioabfälle in Strom und Kompost verwandelt. Hier: Wolfram Gelpke, Geschäftsführer der Abfallverwertung Trittau (AWT), im Anlieferungsbereich der Anlage. © HA | Lutz Kastendieck

Nicht minder gravierend ist der Umstand, dass der Vertrag mit AWT 2027 ausläuft und nicht mehr verlängert werden kann. „Alle Optionen sind gezogen und ausgereizt, deshalb müssen wir nun neue Wege gehen“, sagte Kissel unserer Redaktion. Deshalb sei in den vergangenen Wochen im Aufsichtsrat der AWSH intensiv der Bau einer neuen Anlage mit einer Jahreskapazität von mindestens 70.000 Tonnen diskutiert worden, um bereits jetzt die Weichen für eine nachhaltige Lösung ab 2028 zu stellen.

SPD: „Wir wollen keinen Mülltourismus!“

„Dieser Aufgabe können wir uns nicht entziehen. Die energetische Nutzung des Bioabfalls ist wichtiger denn je, deshalb ist es richtig und wichtig, rechtzeitig in die Planung einzusteigen“, sagt Kreistagsvizepräsident Heinz Hartmann (SPD). Klar sei auch, dass man keinen „Mülltourismus“ wolle, erst recht nicht auf lange Sicht.

Mit diesem Tenor äußerte sich auch Sabine Rautenberg, Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Kreistag. „Bioabfall ist ein wichtiger Rohstoff, diese Erkenntnis hat sich nun endlich durchgesetzt“, so Rautenberg in der letzten Kreistagssitzung des Jahres. Deshalb sei die neue Vergärungsanlage ein wichtiger Meilenstein für die Energiewende wie den Klimaschutz.

Bewerber müssen einen Standort mitbringen

Diskutiert wurde in der Kreispolitik insbesondere darüber, ob die AWSH solch eine Anlage in Eigenregie betreiben, oder sich stattdessen einen strategischen Partner suchen sollte. „Hier gibt es inzwischen eine eindeutige Ansage seitens des Aufsichtsrats, dass Letzteres gewünscht ist. Sprich einen Partner, der einen geeigneten Standort mitbringen muss“, so Kissel. So sichere man sich zugleich fachliche Kompetenz und Expertise bei der Umsetzung des Projekts.

Anzustreben sei dabei ein Standort im Gebiet der beiden Kreise, der sich möglichst nahe am logistisch optimalen Punkt befinden sollte. Und dieser liege im Umfeld des Autobahnkreuzes Bargteheide. „In einem Vergabeverfahren müssen die sich aus den konkret vorgeschlagenen Anlagenstandorten ergebenden Vor- und Nachteile jedenfalls für beide Entsorgungsgebiete betrachtet werden“, erklärt Kissel.

Akzeptanz in der Öffentlichkeit ist wichtig

Wichtige Faktoren bei der Standortsuche seien neben seiner Lage ein ausreichendes Flächenpotenzial für die Anlage selbst und alle derzeit denkbaren Verwertungsmöglichkeiten ihrer Produkte, spätere Erweiterungsoptionen, keine genehmigungsrechtlichen Probleme sowie eine größtmögliche Akzeptanz in der Öffentlichkeit. „Im Regelfall gibt es diesen ,idealen‘ Standort nicht. Deshalb wird eine Standortauswahl immer eine Kompromisslösung sein“, ist Kissel überzeugt.

Kampagne gegen Plastik in der Biotonne (v.l.): Andreas Lange und Wolfram Gelpke (Geschäftsführer AWT), Axel Herrfurth (AWT-Betriebsleiter), Landrat Henning Görtz, Dennis Kissel und Olaf Stötefalke (beide AWSH).
Kampagne gegen Plastik in der Biotonne (v.l.): Andreas Lange und Wolfram Gelpke (Geschäftsführer AWT), Axel Herrfurth (AWT-Betriebsleiter), Landrat Henning Görtz, Dennis Kissel und Olaf Stötefalke (beide AWSH). © HA | Klix

Ein möglicher Standort im Kreis Herzogtum Lauenburg würde den Kreis gegebenenfalls zwar von Umschlags- und Transportkosten entlasten. Für den Kreis Stormarn entstünde im Gegenzug jedoch sehr wahrscheinlich die Notwendigkeit der Errichtung einer Umschlaganlage. Was wiederum mit deutlich höheren Transportkosten einherginge.

Klimaneutrale Fahrzeuge senken Emissionen

„Meinen wir es mit dem Klimaschutz ernst, müssen die erforderlichen Transportwege zur Minimierung von Treibhausgasemissionen aber verkürzt und eine möglichst regionale Verwertung der entstehenden Produkte wie Gas und Kompost angestrebt werden“, erklärt Kissel. Zumal die AWSH für die Verwertung der Produkte auf die Leistungen der Vertriebsgemeinschaft Kompost Nord (VKN) zurückgreifen könne, an der die AWSH bereits seit Längerem beteiligt sei.

„Eine Minimierung transportbedingter Emissionen kann aber auch durch den Einsatz einer klimaneutralen Fahrzeugtechnik erreicht werden“, so Kissel. Allerdings seien die infrage kommenden Fahrzeuge momentan noch sehr teuer und überdies kaum verfügbar. Auf jeden Fall werde es wohl schwierig, eine Einflussnahme auf diesen logistischen Aspekt vertraglich festzuschreiben.

Weil es sich beim Bioabfall um eine mengenmäßig bedeutende Fraktion handelt, wird seine Behandlung erheblichen Einfluss auf die künftige Entwicklung der Müll-Entgelte haben. Zumal die kommunalen Mengen die gewerblichen klar übersteigen. So ist mit einer Kostensteigerung von derzeit 65 Euro pro Tonne Gewicht auf 80 bis 100 Euro zu rechnen. „Deshalb sollten Vertragslaufzeit und Verlängerungsoptionen an die zu erwartende Lebensdauer der Anlage angepasst sein“, sagt AWSH-Chef Dennis Kissel.

Erste Auswirkungen des anhaltenden Preisdrucks werden bereits im kommenden Jahr spürbar. So steigen die Abfuhrentgelte für die 80-Liter-Biotonne von derzeit einem Euro auf 1,21 Euro pro Monat.