Bad Oldesloe. Zahl an eingehenden Notrufen ist dramatisch gestiegen. Um sie abarbeiten zu können, braucht es mehr Platz und Personal.
Als zwischen 16. und 21. Februar dieses Jahres in dichter Folge die drei Sturmtiefs „Ylenia“, „Zeynep“ und „Antonia“ mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 110 km/h durchs Land fegten, verzeichnete auch der Kreis Stormarn erhebliche Schäden. Bäume stürzten auf Straßen und Bahntrassen, Dächer wurden von Häusern gerissen und der Straßenverkehr war durch zahlreiche Unfälle beeinträchtigt. Wie dramatisch die Situation tatsächlich war, zeigte sich vor allem an den eingegangenen Notrufen. „Allein am Sonntag, 20. Februar, verzeichneten wir innerhalb von 24 Stunden 2640 Anrufe, so viele wie nie zuvor“, sagt Carsten Horn, Leiter der Integrierten Rettungsleitstelle Süd in Bad Oldesloe.
1600 Anrufe sind heute ein Durchschnittswert
Seit Jahren registriert die zentrale Leitstelle für die Kreise Stormarn, Ostholstein und Herzogtum Lauenburg steigende Notrufzahlen. „1600 waren früher mal die absolute Spitze für einen Tag. Heute stellt diese Zahl eher einen Durchschnittswert dar“, so Horn. Es reiche schon ein Starkregenereignis wie am 21. Juli rund um die Kreisstadt und die Leitstelle sehe sich mit mehr als 1900 Notrufen konfrontiert.
Bereits im Vorjahr wurde ein Plus von 7,6 Prozent im Vergleich zu 2020 verzeichnet. In diesem Jahr wird die Steigerung mehr als 10 Prozent betragen. „Am 25. November war die Gesamtzahl an eingegangenen Notrufen aus 2021 bereits erreicht. Dabei verblieben von diesem Zeitpunkt an bis zum Jahresende noch fünf volle Wochen“, rechnet Horn vor.
Vor allem im Sommer erhöhte Notrufzahlen
Diese Flut an Notrufen stellen den Leitstellenchef und sein Team vor völlig neue Herausforderungen, die Belastung der Mitarbeiter hat in den vergangenen Monaten enorm zugenommen. Nicht nur bei Unwettern und anderen besonderen Einsatzlagen. „Vor allem im Sommer liegen die Notrufzahlen permanent über dem Durchschnitt, da mit der Ferienreisewelle insbesondere an die Ostseeküste sehr viel mehr Auswärtige auf den Straßen des Kreises unterwegs sind“, erklärt Horn.
Zudem spielt der demografische Faktor eine zunehmende Rolle. Eine alternde Gesellschaft bedingt automatisch eine zunehmende Zahl an Notfalleinsätzen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass 70-Jährige schnelle medizinische Hilfe brauchen, ist nun mal deutlich höher als bei 17-Jährigen“, so Horn.
Momentan sind 31 Disponenten im Einsatz
Momentan besteht sein Team aus 31 Disponenten und neun Schichtleitern. Hinzu kommen noch sieben Azubis, die die Leitstelle unabhängig von einem konkreten Eigenbedarf jährlich ausbildet. Einem aktuellen Gutachten zufolge ist die Mitarbeiterzahl auskömmlich. Allerdings liegen ihm Anrufzahlen zugrunde, die längst nicht mehr aktuell sind.
Mit Blick auf den Bau der neuen Leitstelle an der Teichkoppel im Oldesloer Gewerbegebiet an der Autobahn 1 ist deshalb ein neues Gutachten beauftragt worden. Unabhängig davon wurden aber schon mal drei weitere Stellen bewilligt, wenn auch vorläufig nur befristet.
Work-Life-Balance ist vielen Bewerbern wichtig
Die Suche nach geeigneten Bewerbern gestaltet sich unterdessen nicht ganz einfach. „Neben medizinischer Kompetenz, einer schnellen Auffassungsgabe und Entscheidungsfreude sind vor allem Teamgeist und sogenannte Soft Skills wie Geduld, Selbstvertrauen und Empathie gefragt“, erläutert Horn. Immerhin gehe es darum, die eingehenden Anrufe blitzschnell nach dem unmittelbaren Gefährdungsgrad der Betroffenen zu ordnen, um die Einsatzkräfte von Rettungsdiensten und Feuerwehr bedarfsgerecht disponieren zu können.
„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Work-Life-Balance vor allem jüngeren Bewerbern extrem wichtig ist und private Belange immer stärker berücksichtigt werden müssen“, sagt Horn. Wie belastbar und teamfähig ein Bewerber tatsächlich sei, zeige sich aber eben oft erst in konkreten Drucksituationen bei Groß- und Flächenlagen.
Rückkehr zu 12-Stunden-Schichten gefordert
Um die Belastung der Mitarbeiter besser steuern zu können, war im Laufe des Jahres von Zwölf-Stunden- auf Acht-Stunden-Schichten umgestellt worden. Das hat sich allerdings nicht bewährt. „Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei so noch schwerer in Einklang zu bringen, signalisierten viele Mitarbeiter. Zumal einige auch noch erhebliche Strecken zwischen ihrem Wohnort und der Leitstelle zurücklegen müssen“, berichtet Horn. Deshalb werde man zu Beginn des neuen Jahres zu den Zwölf-Stunden-Diensten zurückkehren, von denen ein Drittel als bildschirmfreie Bereitschaftszeit geplant wird.
Damit ist das Problem der räumlichen Enge im Leitstand an der Mommsenstraße aber nicht gelöst. „Gerade bei besonderen Einsatzlagen ist die Belastungsgrenze oft erreicht“, sagt Horn. Die Ausbildung der neuen Disponenten habe man zwar zum Teil ins neue Katastrophenschutzzentrum Hammoor ausgelagert. Dennoch sei noch viel Improvisation gefragt. „Deshalb fiebern wir alle der der Fertigstellung des Neubaus an der Teichkoppel entgegen“, so Carsten Horn.
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Der Prestigebau, für den der Kreis Stormarn mit 28,5 Millionen Euro in Vorleistung geht, sieht für den Leitstand eine Fläche von 2300 Quadratmetern vor. Das sind schon 600 Quadratmeter mehr als ursprünglich geplant. Da die Krankenkassen rund 70 Prozent der Gesamtkosten tragen, wird es nun zu Nachverhandlungen über die tatsächliche Beteiligung kommen.
Der Rohbau liegt unterdessen im Zeitplan. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen durch Materialengpässe und Fachkräftemangel soll Anfang kommenden Jahres Richtfest gefeiert werden. Und auch den angepeilten Probebetrieb fürs erste Halbjahr 2024 hält Bauamtsleiter Thilo Scheuber weiter für umsetzbar.