Ahrensburg/Bad Oldesloe. Dass bei sogenannten “Mahnwachen“ zum “Frieden mit Russland und China“ aufgefordert wird, spaltet die Partei.

Selbstbewusst reckt Ali Haydar Mercan am Abend des 6. Mai 2018 die Faust in die Höhe, mit Daumen hoch posieren die Kandidaten der Linken in Ahrensburg für die Kamera. Bei der Kommunalwahl ist der 2009 in der Schlossstadt gegründeten Partei erstmals der Einzug in die Stadtverordnetenversammlung gelungen. 6,6 Prozent erreicht die Linke und erringt drei Mandate. Mercan wird daraufhin erster Fraktionschef der Partei in Ahrensburg.

Offene Kritik an Russland-Sanktionen

Knapp viereinhalb Jahre später gibt es in der Linkspartei wenig Grund zur Freude: Ein anhaltender personeller Aderlass, nicht nur in Ahrensburg, sondern auch auf Kreisebene, setzt den Genossen zu. Zudem sorgt eine aktuelle Kontroverse in der Partei für Unruhe. Ein knappes halbes Jahr vor den nächsten Kommunalwahlen, bei denen die Linke eigentlich an ihren Wahlerfolg von 2018 anknüpfen wollte, sind die Aussichten düster.

Auslöser der jüngsten Querelen sind sogenannte „Mahnwachen für den Frieden“. Zwei gab es bereits am vergangenen Wochenende in Bargteheide (Freitag) und Ahrensburg (Sonnabend), zwei weitere sollen am kommenden Wochenende erneut in Bargteheide und in Trittau folgen. Auf einem Transparent wird dabei „Frieden mit Russland und China“ und eine „Rückkehr zum Völkerrecht – gegen NATO, Aufrüstung, Sanktionen und Boykott“ gefordert.

„Irreführende und absurde Forderungen“

Während darüber auf der Homepage des Kreisverbands der Linken kommentarlos berichtet wurde, hat sich die Ahrensburger Linksfraktion „aufs Schärfste“ von der Aktion distanziert. In einer öffentlichen Stellungnahme ist von „irreführenden und absurden Forderungen“ die Rede. „Wir verurteilen den Angriffskrieg Putins auf die Ukraine in aller Klarheit – auch wenn Teile der Linken immer wieder versuchen, die Beschlusslage zu unterlaufen“, sagt der Fraktionsvorsitzende Erik Schrader. Vielmehr gelte es, die demokratische Ukraine in ihrer Verteidigung gegen das imperialistische russische Regime zu unterstützen.

Nach dem Weggang von Florian Kautter (r.) führt nun wieder Heidi Beutin die Fraktion der Linken im Stormarner Kreistag.
Nach dem Weggang von Florian Kautter (r.) führt nun wieder Heidi Beutin die Fraktion der Linken im Stormarner Kreistag. © HA | Linke

Für Fraktionsvize Oliver Böge steht zudem die Legitimation infrage, die Mahnwache im Namen des Ortsverbands Ahrensburg/Bargteheide veranstaltet zu haben. In Bargteheide hätten sich lediglich fünf Personen zusammengefunden, die sich als Ortsverband der Linken ausgegeben haben. „Mir ist jedenfalls kein Beschluss zur Durchführung von ,Mahnwachen für den Frieden‘ bekannt“ so Böge.

Zwei Ausschlussverfahren überstanden

Heidi Beutin, seit dem Sommer wieder Fraktionsvorsitzende der Kreistags-Linken, sieht das allerdings völlig anders. „Die Mahnwache ist im Vorfeld auf einer Sitzung des Ortsverbands am 13. Oktober im Rantzau-Haus eingehend diskutiert und anschließend einstimmig befürwortet worden“, sagte Beutin unserer Redaktion. Keiner der Anwesenden habe sich offen dagegen ausgesprochen.

Als Organisator der Mahnwachen gilt Karl Allwardt. Laut Schrader sei der Bargteheider eine zentrale Figur der Querdenkenbewegung in Stormarn gewesen, habe wiederholt an Protesten gegen die Corona-Maßnahmen teilgenommen, diese teilweise mitorganisiert und sei überregional sogar als Redner bei Querdenker-Kundgebungen aufgetreten. Nach zwei gescheiterten Parteiausschlussverfahren auf Landes- und Bundesebene ist Allwardt aber noch immer Mitglied der Linken, weil seine Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt seien, so Schrader.

Viele profilierte Mitglieder verloren

Beutin sieht Allwardt eher als Praktiker, der sich mit den von ihm ordnungsgemäß beantragten Aktionen auf seine Art klar gegen den Krieg positioniert habe. „Es gibt in der Ukraine eine schwere Krise, die nun mal nicht wegzudiskutieren ist“, so Beutin. Über den Weg zum Frieden gebe es jedoch verschiedene Ansichten, auch innerhalb der Partei, das müsse man akzeptieren. Für sie sei Allwardt keineswegs eine Belastung für die Partei. Zumal er in den sozialen Netzwerken für die Mahnwachen sehr viel „positives Feedback“ erhalten habe.

Unterdessen hat Stormarns Linke in den vergangenen Monaten viele engagierte und profilierte Mitglieder verloren. Florian Kautter ist seiner Frau Imke, bis Mitte des Jahres Leiterin des Oldesloer Kultur- und Bildungszentrums KuB, nach Göttingen gefolgt. Der Ahrensburger Fraktionschef Ali Haydar Mercan hat sein Mandat aufgeben müssen, weil er zum Studium nach Frankfurt am Main gezogen ist. Torben Klages, ehemaliger Sprecher des Ortsverbands Ahrensburg/Bargteheide, hat der Partei ebenso den Rücken gekehrt wie Erik Schrader.

Ein Parteiloser ist jetzt Fraktionschef

Letzter hatte seinen Austritt in einem langen Beitrag auf Facebook unter anderem mit einer zu russlandfreundlichen Position seiner Partei im Ukraine-Krieg, dem Umgang prominenter Parteimitglieder mit der Corona-Pandemie und einer anhaltenden Beschäftigung der Bundespartei mit sich selbst begründet. Der Fraktion in Ahrensburg gehörte er aber weiter an, sogar als Vorsitzender.

Dass ausgerechnet ein Parteiloser zum Fraktionschef gewählt wurde, illustriert die zunehmende Personalmisere der Linken in Stormarns größter Stadt. Denn dort ist seit Juli auch der Ortsverband führungslos. Torben Klages, erst seit August 2021 im Amt, hatte die Partei aus ähnlichen Gründen verlassen wie Schrader. Eine Neuwahl des Ortsvorstands soll am 22. November erfolgen. Ob sich dann auch genügend Personen finden, die sich bei der Kommunalwahl für Mandate in der Stadtverordnetenversammlung bewerben, muss sich erst noch zeigen. Dass Schrader erneut für die Linke kandidiert, scheint derzeit ausgeschlossen.

In Stormarn ist die Partei ohnehin nur in drei Parlamenten vertreten: In Ahrensburg mit drei und in Bad Oldesloe mit zwei Stadtverordneten sowie mit drei Abgeordneten im Kreistag. Außer in Ahrensburg und in der Kreisstadt gibt es zwar noch einen gemeinsamen Ortsverband für Reinbek, Glinde und Oststeinbek in Südstormarn. Mandate konnten aber bislang in keinem Stadt- oder Gemeindeparlament errungen werden.

Angesichts der aktuellen Situation hält sich die Kreisvorsitzende Heidi Beutin (Köthel) mit Prognosen zu den Chancen ihrer Partei im Mai kommenden Jahres auffällig zurück. „Keine Frage, wir befinden uns in einer schwierigen Situation“, sagt die Galionsfigur der Stormarner Linken. Die zahlreichen Wahlpleiten bei Landtagswahlen in den vergangenen Monaten würden auch nicht gerade für überbordenden Optimismus sorgen. „Deshalb hätten wir uns die Debatte um die Mahnwachen wirklich sparen sollen, besonders hilfreich war sie jedenfalls nicht“, so Heidi Beutin.