Bad Oldesloe. Dem Kreistag liegen zu dem Thema vier verschiedene Anträge vor. Linke fordern zusätzliches Engagement über Landeszuweisung hinaus.

Der verheerende Brand im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos hat die durch die Corona-Pandemie verdrängten Missstände in der europäischen Migrationspolitik wieder schlagartig in die politische Diskussion zurück gebracht. So wird sich der Stormarner Kreistag auf seiner Sitzung am Freitag gleich mit vier Anträgen beschäftigen, die sich um die Aufnahme von Geflüchteten drehen.

Bis zu 70 Menschen dürften nach Schleswig-Holstein kommen

Dem Kreis wurden seit Januar dieses Jahres vom Landesamt für Ausländerangelegenheiten Schleswig-Holstein bislang 175 Personen zugewiesen. Das Gros ist auf die Ämter Bargteheide-Land, Nordstormarn und Trittau, sowie die Stadt Reinbek verteilt worden. Die meisten Geflüchteten leben aktuell in den Städten Ahrensburg, Bad Oldesloe, Reinbek und Glinde.

Die Prognosen für das gesamte Jahr beliefen sich im Februar auf 350 Asylsuchende. „Nachdem sich die Bundesregierung kürzlich bereit erklärt hat, weitere 1553 Menschen aus den völlig überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen, dürften laut Königsteiner Schlüssel allein aus diesem Kontingent 50 bis 70 nach Schleswig-Holstein kommen, wovon rein rechnerisch bis zu acht auf Stormarn entfielen“, sagte Landrat Henning Görtz unserer Redaktion.

Linken veranlassten bereits im März einen Antrag

„Auch die Landeshauptstadt Kiel hat sich mit den Stimmen der CDU zum sicheren Hafen für Geflüchtete erklärt“, sagt Florian Kautter, Kreistagsabgeordneter der Linken.
„Auch die Landeshauptstadt Kiel hat sich mit den Stimmen der CDU zum sicheren Hafen für Geflüchtete erklärt“, sagt Florian Kautter, Kreistagsabgeordneter der Linken. © Finn Fischer

Dass sich die katastrophalen Zustände in den Auffanglagern in der Ägäis angesichts der Uneinigkeit in den EU-Mitgliedsländern verschärfen würde, hatte die Kreistagsfraktion der Linken bereits Anfang März zu einem Antrag veranlasst, in dem sie unter anderem forderte, „zeitnah 30 Geflüchtete, prioritär begleitete und unbegleitete Minderjährige“ aus dem griechischen Lager aufzunehmen.

„Die Linken-Bundestagsabgeordnete Cornelia Möhring aus dem Kreis Plön war persönlich im Lager Moria und hat uns anschließend vom Leid der Geflüchteten berichtet. Als die Türkei dann auch noch immer mehr Flüchtlinge an ihren Grenzen abwies, habe ich den Antrag im Namen unserer Kreistagsfraktion angeregt“, berichtet Florian Kautter.

Beratung der Anträge wurde mehrfach verschoben

Er habe zudem bei anderen Fraktionen dafür geworben, sich dieser Initiative anzuschließen, etwa bei den Grünen. Diese brachten am 11. März aber einen eigenen Antrag ein, ebenso wie bereits am 9. März die Freien Wähler. „Das hat uns schon sehr gewundert. Während sich im Antrag der Freien Wähler sogar Formulierungen und Zahlen aus unserem Antrag wiederfanden, wollten sich die Grünen offenbar auf keine konkrete Anzahl von aufzunehmenden Geflüchteten festlegen“, so Florian Kautter.

Beraten wurde indes keiner der drei Anträge. Der Kreistag am 27. März war wegen des Ausbruchs der Corona-Pandemie abgesagt worden. Und auf der Tagesordnung der Sitzung am 19. Juni fanden sich die Anträge nicht wieder. „Mitten in der Corona-Krise wurde die Agenda in Absprache mit den Fraktionen auf wenige, zwingend notwendige Themen wie zum Beispiel die Änderung der Sozialstaffel für die Kitabetreuung begrenzt“, erklärt Landrat Henning Görtz.

Angesichts der aktuellen Entwicklungen in Griechenland werde man sich am Freitag nun aber mit der Aufnahme von Geflüchteten eingehend befassen. „Natürlich wird sich der Kreis dieser Aufgabe mit all ihren Anforderungen stellen, dazu sind wir allein schon durch die normalen Zuweisungen verpflichtet“, so der Landrat.

Linke bei interfraktionellem Antrag außen vor

„Letztlich müssen die Kommunen Geflüchtete aufnehmen. Da kann der Kreis nicht einseitig Verpflichtungen eingehen“, sagt Joachim Wagner, CDU-Fraktionschef im Kreistag.
„Letztlich müssen die Kommunen Geflüchtete aufnehmen. Da kann der Kreis nicht einseitig Verpflichtungen eingehen“, sagt Joachim Wagner, CDU-Fraktionschef im Kreistag. © Barbara Moszczynski

Offenbar wollten die großen Fraktionen die Deutungshoheit bei diesem durchaus kontrovers diskutierten Thema nicht den Linken überlassen. Anfang der Woche präsentierten CDU, SPD, FDP und Grüne plötzlich einen interfraktionellen Antrag, ohne Linke und Freie Wähler ins Boot zu holen. Darin wurde der Beschluss der Bundesregierung begrüßt, 1553 Personen, insbesondere Familien mit Kindern und unbegleitete minderjährige Kinder, mit abgeschlossenen Asylverfahren aus den Flüchtlingslagern in Griechenland aufzunehmen.

„Wir unterstützen die Landesregierung, die Geflüchteten in Schleswig-Holstein und damit auch im Kreis Stormarn unterzubringen. Wir sind uns aber zugleich bewusst, dass auch die Flüchtlinge in den griechischen Lagern weiter Hilfe vor Ort brauchen. Deshalb unterstützen wir ebenfalls die Arbeit der deutschen Hilfsorganisationen und deren Lieferungen von Hilfsgütern“, so CDU-Fraktionschef Joachim Wagner.

Kreis soll grundsätzliche Bereitschaft signalisieren

Auf die Frage, warum dieser Antrag jetzt ausgerechnet mit den Grünen auf den Weg gebracht wurde und nicht mit den Linken, sagte Wagner, letzterer gehe von völlig falschen Voraussetzungen aus: „Letztlich müssen die Kommunen die Geflüchteten aufnehmen. Deshalb kann der Kreis nicht zu deren Lasten einseitig Verpflichtungen eingehen. Zum anderen hat der Bundesrat erst kürzlich abgelehnt, dass Kommunen selbst entscheiden, wie viele Flüchtlinge sie aufnehmen wollen.“ Dafür gebe es mit dem Königsteiner Schlüssel ein geordnetes Verfahren, das jede Festschreibung anderer Zahlen ausschließe.

Das sieht Florian Kautter anders. „Unsere Intention war unter anderem, dass der Kreis grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, über die regulären Landeszuweisungen hinaus zusätzliche Geflüchtete aufzunehmen, die über das Mittelmeer und die Türkei nach Europa geflohen sind“, sagt Kautter. So gehöre unter anderem die Landeshauptstadt Kiel zu den Gründungsmitgliedern des kommunalen Bündnisses „Sichere Häfen“, die mehr Flüchtende aufzunehmen bereit sind, als ihnen durch die Verteilungsquoten zugewiesen werden, insbesondere aus Seenot Gerettete. „Übrigens mit den Stimmen der Kieler CDU-Stadtratsfraktion“, wie Kautter anmerkte.