Lübeck. Im am Freitag gestarteten Revisionsprozess hat der angeklagte 23-Jährige überraschend ein Geständnis abgelegt.
Die Neuverhandlung des Verfahrens um den gewaltsamen Tod des 22 Jahre alten Mohamed C. (Namen geändert) auf einem Spielplatz in Grönwohld hat mit einem überraschenden Geständnis begonnen. „Ich habe das Leben vieler Menschen zerstört und unglaubliche Schuld auf mich geladen“, so der 23 Jahre alte Angeklagte in einer Erklärung, die sein Verteidiger vor dem Landgericht Lübeck am Freitag vorlas. Wenn er könnte, würde er die Tat ungeschehen machen. Zugleich drückte er der Familie des Getöteten sein „tiefstes Bedauern“ aus.
In einem ersten Prozess vor etwas mehr als einem Jahr hatte Nick G. die tödliche Messerattacke auf seinen langjährigen Bekannten noch bestritten und auf Freispruch plädiert. Das Gericht hatte allerdings schon damals keinen Zweifel an der Schuld des 23-Jährigen.
Anfang Juni 2021 hatte das Landgericht Lübeck G. wegen Totschlags zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Die Richter gingen davon aus, dass Nick G. seinen Bekannten am Abend des 21. Oktober 2020 gegen 22 Uhr nach einem Streit über gemeinsame Drogengeschäfte in der kleinen Gemeinde bei Trittau mit 27 Messerstichen getötet hat. Der leblose Körper des 22-Jährigen wurde am Folgetag von einem Anwohner entdeckt.
Tod auf dem Spielplatz: Familie des Opfers erreichte Revision
Auslöser des Streits waren nach Auffassung des Gerichts Schulden, die G. bei seinem Geschäftspartner hatte und nicht begleichen konnte. Der 23-Jährige hatte, wie Chatprotokolle vom Handy des Opfers belegen, den Getöteten immer wieder vertröstet und Ausreden erfunden, warum er das Geld nicht zurückzahlen könne. G. habe in einem emotionalen Ausnahmezustand gehandelt, um sich aus seiner ausweglosen Lage zu befreien.
Die Neuverhandlung war notwendig geworden, nachdem der Bundesgerichtshof dem Revisionsantrag der Anwälte der Familie von Mohamed C., die in dem Verfahren als Nebenklägerin auftritt, stattgegeben hatte. In dem neuen Prozess geht es um die Frage, ob es sich möglicherweise nicht um Totschlag, sondern um Mord handelt. Davon sind die Eltern und Geschwister des Getöteten überzeugt, sie wollen eine lebenslange Freiheitsstrafe für Nick G. erreichen. Das Gericht sah damals keine ausreichenden Voraussetzungen für eine Verurteilung wegen Mordes. Entscheidend ist dafür, ob sich bestimmte Tatmerkmale wie Heimtücke oder niedrige Beweggründe nachweisen lassen. Der BGH befand hingegen in seiner Entscheidung, das Landgericht Lübeck habe ein heimtückisches Vorgehen Gs. „nicht tragfähig ausgeschlossen“.
Für die Staatsanwaltschaft bleiben nach Geständnis viele Fragen offen
Die Richter verwiesen das Verfahren zur erneuten Verhandlung vor einer anderen Kammer zurück an das Landgericht. Das objektive Tatgeschehen stellte der Gerichtshof nicht infrage. Eine geringere Strafe für Nick G. am Ende des neuen Verfahrens ist damit ausgeschlossen.
In seinem Geständnis ging der 23-Jährige nun detailliert auf den Tatabend ein. Eine Tötungsabsicht bestreitet er. Es sei richtig, dass er sich am Abend des 21. Oktober 2020 mit Mohamed C. auf dem Spielplatz getroffen habe.
Das spätere Opfer habe ihn zu dem Treffen aufgefordert, weil er C. 700 Euro geschuldet habe. „Ich wollte mich vom Betäubungsmittelhandel lösen und aussteigen“, so der 23-Jährige. Dazu habe ihn auch seine damalige Freundin ermutigt. „Die Beziehung war mir sehr wichtig“, so G. Ihm sei jedoch klar gewesen, dass Mohamed C. das nicht akzeptieren würde. Den Getöteten beschrieb er als „aufbrausend, herrisch und herablassend“. Einen Bekannten, der Drogenschulden bei dem Duo hatte, habe er mehrfach mit einem Messer bedroht und verprügelt. „An dem Abend ergriff ich das Wort und sagte, dass ich aussteige“, so Nick G. Daraufhin sei sein Bekannter wütend geworden und habe ein Messer gezogen. „Weil ich ihn kannte, habe ich die Bedrohung sehr ernst genommen“, heißt es in der Erklärung des 23-Jährigen.
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Es sei zu einem Gerangel gekommen, in dessen Zuge er Mohamed C. zu Boden gestoßen habe. Der 22-Jährige habe dabei das Messer verloren. „In Panik habe ich es aufgehoben und aus Angst wahllos auf ihn eingestochen“, so G. Anschließend sei er „wie in Trance“ nach Hause gegangen und habe das Messer am Folgetag entsorgt. Zu Nachfragen äußerte der 23-Jährige sich nicht, bot aber an, diese schriftlich zum kommenden Verhandlungstag zu beantworten. Dass es aus Sicht der Staatsanwaltschaft nach dem Geständnis viele Unklarheiten gibt, machte Anklagevertreter Niels-Broder Greve deutlich. „Wie sah das Messer aus? Wo wurde die Tatwaffe entsorgt? Und wo lag das Messer genau, als es zu Boden fiel?“, wollte er wissen.
Urteil soll Ende Noveber verkündet werden
Hintergrund ist, dass die Rechtsmedizin davon ausgeht, dass es sich bei der Tatwaffe um einen Schlagring mit ausklappbarer Klinge gehandelt hat. Einen solchen soll Nick G. besessen haben. Die Ex-Freundin des Angeklagten, die zum Tatzeitpunkt mit G. zusammen war, gab vor Gericht an, einen solchen im Zimmer des 23-Jährigen gesehen zu haben. Daneben habe G. auch weitere Messer und eine Schusswaffe besessen. „Ich habe mir nichts weiter dabei gedacht“, sagte die 20-Jährige. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich um Sammlerstücke handele. Dass ihr Freund die Waffen eingesteckt oder gar benutzt habe, habe sie nie mitbekommen. Nach dem Tattag habe sie den Schlagring allerdings nicht mehr gesehen.
Die Aussage der Ex-Freundin war für das Gericht deshalb von Interesse, weil beide unmittelbar vor und nach dem Treffen auf dem Spielplatz gechattet und telefoniert haben sollen. „Ich liebe dich so doll, mein Engel“, schrieb G. seiner Freundin laut einem Chatprotokoll kurz nach der Tat. Sie hätten jeden Abend Kontakt gehabt, vor dem Schlafengehen Liebesbekundungen ausgetauscht, sagte die Trittauerin dazu.
G. habe ihr, bevor er losging, noch versichert, dass das Treffen an jenem Abend das letzte sein werde. „Er war wie immer, auch am nächsten Tag“, so die 20-Jährige. Sie habe auch nicht den Eindruck gehabt, dass ihr Freund vor irgendjemandem Angst gehabt habe, sagte die Trittauerin vor Gericht. Auch sei er nie aggressiv gegenüber anderen gewesen.
Der Prozess soll am kommenden Freitag, 11. November, fortgesetzt werden. Das Urteil wollen die Richter Ende des Monats verkünden.