Ahrensburg. Geflüchteter hatte beim SSC Hagen Ahrensburg ein Zuhause gefunden. Wie es für ihn weitergeht, ist ungewiss. Das sagt sein Anwalt.
Am Sonntagabend steht Tischtennistrainer Frank Baah auf dem Zentralen Omnibusbahnhof in Hamburg. Beim letzten Handschlag mit seinem Freund und Kollegen Erhard Mindermann vom SSC Hagen Ahrensburg versucht der vor neun Jahren aus Ghana geflüchtete Trainer ein Lächeln fürs Abschiedsfoto. Es ist dieses Lächeln, das sie beim SSC Hagen vermissen werden.
Damit und mit seiner freundlichen, zugewandten Art hat Baah sich einen Platz in ihren Herzen erobert. Doch nun muss er ausreisen und alles zurücklassen, was ihm wichtig und lieb war. Ihm bleibt keine Wahl, denn das Land, das für ihn zur zweiten Heimat hätte werden können, will ihn loswerden – zur Not per Abschiebung.
Da zählt es auch nicht, dass er bereits gut integriert ist, sich ehrenamtlich engagiert und sogar eine Zusage für eine Vollzeitarbeitsstelle nachweisen kann. Für den 33-Jährigen war das Jobangebot vergleichbar mit einem Sechser im Lotto, hätte wirtschaftliche Unabhängigkeit und eine Zukunftsperspektive bedeutet – nach neun Jahren Ungewissheit.
Trainer hoffte, dass Odyssee in Deutschland zu Ende ist
Die ist sein ständiger Begleiter seit der langen Flucht. Begonnen hat seine Odyssee im März 2013. Nach einem bewaffneten Angriff einer Rebellenorganisation, bei der sein Arbeitgeber erschossen wurde, flüchtete er von Ghana aus über Togo, Burkina Faso und Niger durch die Sahara nach Libyen. Beim Versuch, auf dem Seeweg nach Italien zu gelangen, riskierte er sein Leben – denn einige seiner Leidensgefährten überlebten die gefährliche Überfahrt nicht. Frank Baah wurde schließlich von der italienischen Küstenwache gerettet. Das Datum hat sich ihm eingebrannt: Es war der 12. Juni 2016.
Seit Oktober 2020 lebte Baah in Deutschland. Er beantragte Asyl und versuchte, sich aktiv nach besten Kräften zu integrieren: So nahm er Kontakt zum SSC Hagen Ahrensburg auf, weil er sich mit seinen Tischtennis-Kenntnissen einbringen und der Gesellschaft etwas durch sein Engagement zurückgeben wollte. Er trainierte mehrmals wöchentlich die Jugend und unterstützte den Verein bei Turnieren.
Drohende Abschiebung zerrte an Frank Baahs Nerven
Im März dieses Jahres erhielt Frank Baah den Bescheid, dass sein Antrag auf Asyl abgelehnt worden sei. Die Abschiebung war wenige Tage darauf geplant. Was dann folgte, war ein monatelanges Tauziehen: Baahs Unterstützer aus dem Verein schalteten einen Anwalt ein, der beim Verwaltungsgericht Hamburg Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einlegte.
Doch in Sicherheit bis zur Gerichtsverhandlung im September konnte er sich deswegen nicht fühlen. Mehrfach stand die Drohkulisse einer Abschiebung im Raum. Beim Gerichtstermin am 12. September dann ein Hoffnungsschimmer: Wenn Baah in Italien als asylberechtigt anerkannt sei, dürfe er nicht abgeschoben werden, so die Aussage des zuständigen Richters. Denn dem BAMF war es nicht gelungen, Näheres zum Status Baahs von den italienischen Behörden zu erfahren. Bekannt war nur, dass er für Italien eine Aufenthaltserlaubnis hatte.
Rückmeldung der italienischen Behörden ändert alles
Doch dann teilte der Richter Baahs Anwalt Kaihan Galanawi mit, dass sein Mandant in Italien nicht als Asylant anerkannt sei. Das änderte alles, machte eine Abschiebung nach Ghana zum nächstmöglichen Zeitpunkt wahrscheinlich. Ein Albtraum für Baah, der einer Abschiebung um jeden Preis zuvorkommen wollte.
Sein Anwalt sagt: „Durch die Ausreise macht die Klage keinen Sinn mehr. Wir werden sie daher zurückziehen.“ Damit sei das Verfahren grundsätzlich beendet. Einen Härtefallantrag ziehe er nicht mehr in Betracht. „Den kriegen wir nicht durch, weil er aus einem sicheren Drittland kommt und ausgereist ist.“
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Es sei schwierig, eine Prognose abzugeben, wie es weitergehe. „In Italien hat Frank Baah eine Duldung, aber keinen Asylstatus. Wir müssen abwarten, wie lang die Einreisesperre ist“, erläutert Galanawi. Die Hoffnung sei von Anfang an recht gering gewesen, ein paar kleine Möglichkeiten hätten sich aufgrund der neuen Erkenntnisse zerschlagen. „Wenn man am Ende der Möglichkeiten angelangt ist, muss man offen mit dem Mandanten sein.“
Wenn Frank Baah erneut einreisen dürfte, sei es allerdings möglich, das ganze Verfahren wieder neu aufzurollen. Ob sich der Versuch lohne, sei jedoch fraglich. In der Klageschrift hatte Galanawi argumentiert, dass im Falle einer Rückkehr Baahs nach Italien die ernsthafte Gefahr bestehe, dass er dort „in absehbarer Zeit keine menschenwürdige Unterkunft finden, sondern über einen längeren Zeitraum obdachlos sein wird“.
Schüler schreibt an Trainer einen emotionalen Brief
Das könnte eine realistische Einschätzung sein, die auch Baah durchaus bewusst ist. Erhard Mindermann macht sich Sorgen, er sagt: „Ich habe Frank noch nie in so schlechter Verfassung, so abgemagert und so traurig gesehen.“ Das Bild will ihm nicht aus dem Kopf. Beim Abschied seien ihm die Tränen gekommen, so Mindermann. Traurig ist auch Familie Nyseth aus Ahrensburg. Alexandra und Jens Nyseth haben am 14. September an das BAMF geschrieben und sich darin für den Verbleib des Trainers ausgesprochen. Ihr Sohn Hendrik (13) hat auch einen Brief geschrieben – an Frank Baah. Darin heißt es: „Du warst für mich immer einer meiner Lieblingstrainer, weil du immer sehr viel Geduld hattest und in jeder Minute gelächelt hast und nett warst. Ich würde es sehr traurig finden, wenn du abgeschoben wirst. Ich wünsche dir viel Glück!“
Das könnte Baah gut gebrauchen. Mindermann sagt: „Als Jugendtrainer fällt es mir schwer, den Kindern unseres Vereins dieses Ergebnis zu erklären. Wir kämpfen weiter für unseren Sport, unsere Werte und für eine Rückkehr von Frank.“