Ahrensburg. Tischtennisspieler des SSC Hagen Ahrensburg bangen um Frank Baah, der vor sieben Jahren aus Ghana floh. Eine letzte Hoffnung bleibt.
Aus der großen Sporthalle der Stormarnschule dringen gedämpfte Stimmen, nur unterbrochen von Kommandos der Trainer und dem Aufprallgeräusch von Plastikbällen. Die Jugend der Tischtennis-Abteilung des SSC Hagen Ahrensburg schart sich um die vielen Tischtennisplatten, die in der Halle aufgestellt sind. Mittendrin Frank Baah, der beliebte Trainer der Nachwuchsspieler.
Den 33-Jährigen, der aus Ghana stammt und 2020 als Geflüchteter nach Deutschland gekommen ist, hat seine Leidenschaft fürs Tischtennisspiel zu dem Verein gebracht. Hier engagiert er sich, trainiert dreimal pro Woche, ist bei Auswärtsspielen mit dabei und dreht bei der Gelegenheit kleine Videos für den Instagram-Channel der Abteilung. Es ist offensichtlich: Baah muss nicht integriert werden, er integriert sich selbst.
Die Abschiebung kann ihn jederzeit treffen
Einer der Jungs, die er trainiert, ist David Dreßler. Der Zehnjährige sagt: „Frank ist sehr nett und ein guter Trainer, der sich Zeit nimmt. Ich habe viel bei ihm gelernt.“ Auch Davids Vater Hauke Dreßler, der das Training beobachtet, ist voll des Lobes für Baah. Er sagt: „Er ist motiviert und tut alles, um hier anzukommen. Er geht liebevoll mit den Kindern um. Wenn er uns verlassen müsste, wäre das sehr schade und ein großer Verlust für uns alle.“ Doch das interessiert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht. Baah soll abgeschoben werden. Es kann ihn jederzeit treffen. Sie können im Morgengrauen in die Hamburger Flüchtlingsunterkunft, in der er lebt, kommen und ihn mitnehmen, ihn zwingen, ins Flugzeug nach Ghana einzusteigen. Er hat schon miterlebt, wie das anderen Geflüchteten passiert ist.
Seitdem er das weiß, sind sie wieder besonders präsent, die Bilder von der Flucht vor den Separatisten, den Western Togoland Rebels. Sie überfielen seine Arbeitsstelle und schossen seinen Chef vor seinen Augen nieder. 24 Jahre alt war er damals, und er rannte um sein Leben. Baah selbst trug Verletzungen an Armen und Beinen durch Streifschüsse davon. Die Flucht nach Togo und der vergebliche Versuch, dort Arbeit zu finden. Die Weiterreise nach Libyen, Entführung, Folter und der Krieg, und schließlich die dreitägige Überfahrt übers Meer nach Italien, die fünf seiner Mitreisenden nicht überlebten. Die Rettung durch die italienische Küstenwache. Ein Monat Gefängnis, bis die Identität bestätigt war.
Kein Asyl – in ein paar Tagen bist du weg
In Italien hätten ihm Regierungsbeamte gesagt, er könne nicht in dem Land bleiben, weil es nur ein Auffanglager für Geflüchtete sei, sagt Baah. Er ging nach Belgien, dann nach Luxemburg. Von dort gelangte er nach Deutschland – und schien nach sieben Jahren Odyssee endlich an einem Ort und bei einem Verein angekommen zu sein, der Baah so etwas wie ein Stück Heimat bietet, Gemeinschaft, Zugehörigkeit und Wertschätzung und das Gefühl, der Gesellschaft etwas zurückgeben zu können. „Ich bin glücklich mit meinem Club und meinen Freunden hier“, sagt Frank Baah. „Ich möchte gern hierbleiben. Ghana ist kein sicheres Land. Die Rebellen haben politische Motive, wollen erreichen, dass ein Teil Ghanas unabhängig wird. Sie terrorisieren die Bevölkerung, wollen Menschen als Soldaten rekrutieren oder bringen sie um.“ Sein Blick verdunkelt sich. Er schluckt. Auf dem Weg von Ghana nach Deutschland sei er dem Tod nur knapp entkommen, sagt er.
Jonas Jensen, zweiter Abteilungsleiter Tischtennis, sagt mitfühlend: „Unser Trainer Frank Baah hat eine große Leidensgeschichte hinter sich.“ Für den Verein sei er ein großer Gewinn, alle stünden hinter ihm. „Er hat in Deutschland eine Heimat gefunden.“ Es müsse furchtbar sein, plötzlich ein Schreiben zu bekommen, in dem es heiße: „In ein paar Tagen bist du weg.“
SSC Hagen: Mitglieder finanzieren Anwalt
Und doch ist genau das passiert. Am 17. März erhielt Frank Baah eine Urteilsbegründung des BAMF zur Abschiebung, die wenige Tage darauf erfolgen sollte. Jensen sagt: „Sie lautete, dass Ghana ein sogenanntes sicheres Herkunftsland sei.“ Der SSC Hagen Ahrensburg reagierte sofort, informierte die Mitglieder. Die Folge: Eine große Welle der Solidarität. Innerhalb eines Tages kam eine vierstellige Summe zusammen, mit der ein Anwalt bezahlt werden konnte. Dieser reichte am 24. März Klage beim Verwaltungsgericht Hamburg gegen den BAMF-Bescheid ein und beantragte deren aufschiebende Wirkung.
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Unter anderem bemängelte er Verfahrensfehler bezüglich der Anhörung Frank Baahs, bei der ein Dolmetscher mit unzureichenden Sprachkenntnissen zum Einsatz gekommen sei, was dazu geführt habe, dass das Protokoll wichtige Details nicht enthalten habe. Am 27. April lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. In dem Beschluss heißt es, dass sich aus der Antragsbegründung nicht ergebe, „dass der dargestellte Überfall auf seinen Arbeitgeber dem Antragsteller persönlich galt“. „Welcher Attentäter“, gibt Jensen zu bedenken, „kennt die Namen seiner Opfer bei einem solchen Überfall von vornherein?“ Der Rechtsanwalt konnte lediglich eine Duldung bis zum 9. Juni erreichen.
Sportverein schreibt Brief an das BAMF
Im Mai 2021 hatte der Verein bereits ein Schreiben an das BAMF geschickt, um Baah „bei seinen Bemühungen um ein positives Ergebnis des Asylverfahrens“ zu unterstützen. Darin heißt es, dass er zu den ehrgeizigsten und besten Spielern der Abteilung zähle: „Sein freundliches und respektvolles Verhalten hat uns außerdem dazu ermutigt, ihm eine Trainerausbildung zu ermöglichen, falls das Asylverfahren erfolgreich abgeschlossen wird.“
Ein Traum, der nun zerplatzen könnte. Johannes Frahm, dessen 14 Jahre alter Sohn Christian mit Baah trainiert, sagt: „Wenn Christian nach Hause kommt, ist es der Trainer, von dem er am meisten erzählt.“ Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, dass man ausgerechnet Baah die Rote Karte zeige. „Er ist so integriert. Die Kinder leiden mit, sie können das nicht verstehen.“ Er halte es für ein bedenkliches Weltbild, was den Kindern durch den Umgang mit dem Trainer vermittelt werde.
Trainer ist Gewinn für Verein und Sparte
Auch Janne Nyseth (10), Bruno Neumann (11) und Nick Pokrantz (11) singen ein Loblied auf den Trainer: „Er hat mir ganz viel beigebracht“ (Janne). „Er hat meine Form verbessert“ (Bruno). Und: „Mit ihm kann man richtig schöne Spiele machen und gut Ballonabwehr üben“ (Nick). Niemand will hier auf Baah verzichten, er ist angekommen als Mensch und Sportler. Und dabei „zuverlässiger als die Deutschen“, sagt Jonas Jensen.
Rafael (10) und sein Vater Timo Schmidt sind überzeugt, dass Frank Baah eine Chance verdient. Rafael sagt: „Er hat meinen Topspin und generell meine Schläge verbessert.“ Timo Schmidt trainiert mit Baah, „aber ich verliere leider immer gegen ihn“. Der Trainer sei „ein Riesengewinn für Verein und Sparte“. Er könne nicht verstehen, dass Baah abgeschoben werden soll. „Ihn zurückzuschicken wäre klar die falsche Entscheidung“, kritisiert er. Er wünsche sich mehr engagierte Menschen wie Baah und dass Geflüchteten wie ihm nicht untersagt werde zu arbeiten.
Könnte Arbeitsstelle seine Rettung sein?
Vielleicht könnte Arbeit der rettende Anker sein. Denn welchen Grund sollte ein Land haben, einen Menschen abzuschieben, der für seinen Unterhalt selbst aufkommt, dem Staat in keiner Weise zur Last fällt? Baah hat die Chance ergriffen. Mit Jensens Hilfe hat er einen Arbeitgeber gefunden, der ihn als Lagerist einstellen will. Der Arbeitsvertrag ist bereits unterschrieben. Der Anwalt hat ihn am 31. Mai an die Behörden weitergeleitet. Jetzt heißt es warten. Und hoffen.
Jonas Jensen sagt: „Wenn man die ganze Geschichte hört und überlegt, wie wäre es, wenn wir in so einer Lage wären? Wenn wir woanders hinkämen, wie sollten wir da aufgenommen werden?“ Verein, Eltern und Kinder beantworten die Frage mit menschlicher Verbundenheit. Die zeigt sich auch in kleinen Gesten. Wie der des zehn Jahre alten Rafael. Als er hörte, was Frank Baah droht, bot er sofort an, sein Sparschwein zu schlachten, um dem Trainer zu helfen.