Oststeinbek. Initiativensprecher unterstellt Gemeinde Mauschelei bei Grundstücksgeschäft. Die prüft strafrechtliche Schritte gegen den Vorwurf.

Eine Bürgerinitiative in Oststeinbek hat den Kampf aufgegeben, die Erweiterung des Gewerbegebiets zu stoppen. Ihr Eilantrag für ein Normenkontrollverfahren nach dem Beschluss des Bebauungsplans war vom Oberverwaltungsgericht Schleswig abgelehnt worden. Zu einem Hauptverfahren wird es nicht mehr kommen, die Gruppe akzeptiert das Urteil und sieht von weiteren juristischen Schritten ab. Initiativensprecher Helmuth Luther erhebt jetzt aber Mauschelvorwürfe gegen die Gemeinde wegen eines Grundstücksgeschäfts und hat damit den Zorn von Bürgermeister Jürgen Hettwer und Kommunalpolitikern auf sich gezogen. Der Streit eskaliert.

„Es ist eine bodenlose Frechheit, uns Korruption und Bestechlichkeit zu unterstellen. Herr Luther ist klar über das Ziel hinausgeschossen“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Patrick Klose. Was war passiert? Am 28. August schickte der 72 Jahre alte Luther eine E-Mail an den Verwaltungschef, die Fraktionsspitzen, Bürgervorsteher Hans-Joachim Vorbeck (CDU) und auch an diese Redaktion. Es geht um den rund 3,8 Hektar großen Acker gegenüber dem Sportplatz und der Walter-Ruckert-Halle, wo Firmen ansiedeln sollen.

Oststeinbek erwarb Mitte 2019 die Hälfte der Fläche

Alleiniger Eigentümer ist inzwischen der Unternehmer Marcus Scheck. Mitte 2019, also bevor er Baurecht hatte, kaufte Oststeinbek ihm 50 Prozent der Fläche ab. In Luthers Schreiben heißt es: „Die MCCJ Scheck und die Gemeinde Oststeinbek hatten seinerzeit eine Verwertungsgemeinschaft gegründet. Der gemeindliche Eigentumsanteil ist erst ganz am Ende des Verfahrens an die City-Ost Oststeinbek GmbH & Co KG, ein Tochterunternehmen innerhalb der Scheck-Gruppe, verkauft worden. Dieser Umstand ist nach unserem Wissen im gesamten Verfahrensverlauf an keiner Stelle öffentlich gemacht worden.“

Helmuth Luther kritisiert Kommunalpolitiker und Verwaltung.
Helmuth Luther kritisiert Kommunalpolitiker und Verwaltung. © HA | Henrik Bagdassarian

Auf Nachfrage sagt Luther, der einst auch Vorsitzender des Oststeinbeker Sportvereins war: „Bürger wurden nicht an den Planungen beteiligt, es wird immer still und heimlich entschieden.“ Der Vorwurf richtet sich gegen Parteienvertreter und Verwaltung. Luther beklagt in seiner E-Mail die Öffentlichkeitsarbeit und legt im letzten Absatz nach: „Das bedeutet, alle Gemeindevertreter kannten die Inhalte der Verträge und haben das abgenickt und dem Bürger vorenthalten. Da stellt sich doch die Frage: Wer hat denn bei diesem Geschäft noch die Hand aufgehalten? Es bleibt ein Geschmäckle.“

Bürgermeister kündigt in E-Mail Konsequenzen an

Diese Passage brachte das Fass zum Überlaufen. Bürgermeister Hettwer setzte sich mit den Fraktionsvorsitzenden zusammen und verfasste mit diesen eine E-Mail an Luther. Darin weist er den Initiativensprecher auf den Tatbestand der üblen Nachrede hin und kündigt Konsequenzen an: „Bei derartigen Unterstellungen bleibt – auch wenn von deinen Ausführungen nichts der Wahrheit entspricht – immer etwas Rufschädigendes hängen. Ich habe mit den Gemeindevertretern dazu bereits beraten, und wir werden deine Ausführungen rechtlich, insbesondere strafrechtlich, prüfen lassen.“

Mangelnde Information über den Grunderwerb muss sich Oststeinbek tatsächlich nicht vorwerfen lassen. Im Protokoll der Gemeindevertretung vom 24. Juni 2019 ist der Vorgang bei den Mitteilungen im öffentlichen Teil unter Punkt sieben nachzulesen. Auch die Summe wird genannt. Oststeinbek zahlte 960.000 Euro.

Dass die Kommune den 50-Prozent-Grundstücksanteil wieder abgegeben hat, liegt an einem Rückkaufsrecht von Scheck. Ohne dieses hätte er laut Hettwer keinen Kontrakt mit der Gemeinde geschlossen. Davon machte der Unternehmer Gebrauch, als der Bebauungsplan abgesegnet war. Er hat inzwischen mehr als eine Million Euro an Oststeinbek überwiesen. „Wenn Herr Scheck das Rückkaufsrecht nicht gezogen hätte, wären wir Eigentümer geblieben und hätten Bestimmungsrecht für die Zukunft erhalten“, so Oststeinbeks Bürgermeister.

Erschließung für Willipark hat vor wenigen Wochen begonnen

Marcus Scheck wollte vor mehr als zehn Jahren den Versicherer Allianz nach Oststeinbek holen, doch das Projekt platzte. Im Sommer 2010 sagte der Vorstand des Konzerns überraschend ab und verkündete den Verbleib in Hamburg. Seine Gewerbefläche im Norden der Gemeinde ist im Bebauungsplan mit dem Willipark auf einem angrenzenden Acker gefasst. Gegen diesen hatte die Bürgerinitiative nicht protestiert. Dort entstehen 90 Wohnungen für Senioren im Drittel-Mix: öffentlich geförderte Mieteinheiten und solche zu Marktpreisen sowie Wohnungen zum Kauf. Geplant sind acht Mehrfamilienhäuser mit maximal drei Ebenen plus Staffelgeschoss. Baubeginn soll Anfang 2023 sein. Dazu kommt auf dem Areal Richtung Willinghusener Weg ein rund 19 Meter hoher Bürokomplex. Die Erschließung hat vor einigen Wochen begonnen.

Auf dem Feld südlich des erweiterten Gewerbegebiets hinter dem Breedenweg soll auf Sicht ein Quartier mit 250 Wohneinheiten entstehen. Für diese Größenordnung hat sich die Mehrheit der Politik ausgesprochen. Ob das möglich ist, wird in einem Verkehrsgutachten untersucht. Bislang haben die Entscheider nur den Aufstellungsbeschluss für den B-Plan gefasst. Er ist nicht bindend. Luther und seine Mitstreiter wollen auch dieses Projekt verhindern. Nach der ersten Niederlage vor Gericht sagt der Rentner: „Wir werden uns jetzt um den Bebauungsplan 45 kümmern.“ Das klingt nach noch mehr Ärger.