Oststeinbek. Oberverwaltungsgericht in Schleswig lehnt Eilantrag von Bürgerinitiative auf Normenkontrollverfahren ab. Gibt die Gruppe jetzt auf?

Bei Politikern und der Verwaltung in Oststeinbek herrscht Erleichterung. Die von der Gemeinde auf den Weg gebrachte Erweiterung des Gewerbegebiets kann umgesetzt werden. Eine Bürgerinitiative will das Projekt verhindern. Sie hatte, nachdem der Bebauungsplan beschlossen war, beim Oberverwaltungsgericht Schleswig einen Eilantrag für ein Normenkontrollverfahren gestellt. Dieser wurde jetzt abgelehnt. In der Regel wird das Urteil auch im Hauptverfahren bestätigt – wenn es überhaupt dazu kommt.

„Es ist nicht das eingetreten, was wir uns vorgestellt haben. Nun kann mit dem Bau angefangen werden“, sagt Hans-Helmut Luther, Sprecher der Gruppe. „Wir müssen nun das Urteil prüfen, wissen noch nicht, ob wir weitermachen.“ Denn bis zu einem Hauptverfahren dauert es Jahre, die Gerichte sind total überlastet. Als Beispiel dient das Wohnbauprojekt der Firma Semmelhaack am Gleisdreieck in Glinde. Auch dort war eine Bürgerinitiative mit einem Eilantrag gescheitert, wartet auf ein endgültiges Urteil. Wie berichtet, hat Semmelhaack vor Kurzem mit den Arbeiten begonnen.

Im Bebauungsplan ist ein Projekt mit 90 Seniorenwohnungen integriert

Mit diesem Plakat am Barsbütteler Weg wirbt die Bürgerinitiative seit Langem um Unterstützung.
Mit diesem Plakat am Barsbütteler Weg wirbt die Bürgerinitiative seit Langem um Unterstützung. © Unbekannt | René Soukup

Der betreffende Bebauungsplan in Oststeinbek umfasst zwei Vorhaben: Neben dem 3,8 Hektar großen Acker gegenüber dem Sportplatz und der Walter-Ruckert-Halle, wo Firmen ansiedeln sollen, ist auch der sogenannte Willipark Bestandteil mit 90 Seniorenwohnungen im Drittelmix: öffentlich geförderte und frei finanzierte Mieteinheiten sowie Bleiben zum Kauf. Auf dem Feld nahe dem Willinghusener Weg wird die Baugesellschaft Vakon aus Neubrandenburg aktiv. Sie plant acht Gebäude auf 1,1 Hektar. Die Häuser haben maximal drei Ebenen plus Staffelgeschoss, Wohnungen sind von rund 50 bis 145 Quadratmeter groß und die Komplexe durch Lauben­gänge miteinander ver­bunden. Ein 2000-Quadratmeter-Gemeinschaftsgarten lädt zum Verweilen ein. Vakon plant Elektrotankstellen, Carsharing und wird Fotovoltaik-Anlagen installieren. Mindestens 50 Prozent der Dächer werden begrünt. Zum Willipark gehört zudem ein Bürokomplex, den der Großhansdorfer IT-Unternehmer Christian Stölken entwickelt.

Mit dessen Gebäude und den Wohnungen ist die Bürgerinitiative einverstanden. Ihr Protest bezieht sich auf das Firmenareal. Luther und seine Mitstreiter hatten unter anderem Lärmemissionen und die Oberflächenversiegelung beanstandet, der Gemeinde vorgeworfen, beim Verkehrsaufkommen mit falschen Kriterien gearbeitet zu haben. Am Barsbütteler Weg, über den man von der Möllner Landstraße zum Sportplatz gelangt, hängen an mehreren Stellen noch Plakate, auf denen die Initiative um Unterstützung wirbt. „Für den Erhalt der Feldmark – denn jeder Knickt zählt“ oder „Für einen lebenswerten Ort“ ist darauf zu lesen.

Rund 400 Unterschriften sammelte die Gruppe und übergab die Liste Bürgermeister Jürgen Hettwer. Sie hatte versucht, die Politik von ihren Vorstellungen zu überzeugen. Alle Bitten und Appelle liefen ins Leere. Im Gemeindeparlament stimmten 15 Politiker für den B-Plan bei drei Gegenstimmen von der örtlichen Wählergemeinschaft und der Enthaltung eines SPD-Vertreters. Sich an das Oberverwaltungsgericht zu wenden, war für sie schließlich unausweichbar.

Straße ist auch wichtig für Schulneubau

„Das Urteil ist folgerichtig. Die Politik hat nicht, wie uns vorgeworfen wurde, an den Bürgern vorbeigehandelt. Das Allgemeinwohl geht über Einzelinteressen“, sagt Ostbek.net-Fraktionschef Carsten Bendig. Ähnlich bewertet der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Mielcarek das Schreiben des Oberverwaltungsgerichts: „Für Oststeinbek ist das positiv. Es zeigt, dass Verwaltung und Politik ordnungsgemäß gearbeitet haben.“

Eigentümer der Gewerbefläche ist der Unternehmer Marcus Scheck, der die Nachricht mit großer Freude zur Kenntnis genommen hat. Er sagt: „Wir haben vor, mit Höchstgeschwindigkeit die Straße zu realisieren.“ Er meint damit den Erschließungsabschnitt vom Willinghusener Weg bis hin zur Sporthalle. Dieser ist für ein weiteres Projekt bedeutend: den Neubau der Grundschule, die ebenfalls über diese Route angeschlossen wird. Das Areal für die Bildungseinrichtung zwischen Sportplatz, Tennisverein und der jetzigen Schule ist bereits gerodet.

Laut Ablaufplan sollen Fassade und Dachkonstruktion 2023 erstellt sein. Ziel ist es, dass die Erst- bis Viertklässler vom Sommer 2024 an im Komplex unterrichtet werden. Weil die Auftragsbücher der Handwerksfirmen aber prall gefüllt sind und es zu Lieferengpässen bei Materialien kommt, könnte es auf Anfang 2025 hinauslaufen.

Das angedachte Investitionsvolumen in Höhe von 25 Millionen Euro wird Oststeinbek wahrscheinlich überschreiten. Damit die Kosten nicht aus dem Ruder laufen, wurden bereits Vorkehrungen getroffen. Die Dacheindeckung wird aus Aluminium statt Zink sein. Das war eine Idee der CDU.

Neues Quartier mit 250 Wohneinheiten könnte nächsten Streit entfachen

Sollte die Bürgerinitiative eine Hauptverhandlung nun nicht mehr in Betracht ziehen, bedeutet das noch lange nicht ein Ende ihrer Aktivitäten. Zwischen der neuen Gewerbefläche und dem Breedenweg ist ein Quartier mit rund 250 Wohneinheiten beabsichtigt. Jüngst hatte die Politik mehrheitlich per Beschluss ein solches Volumen zugelassen. Luther und Gleichgesinnte lehnen das ab. Wenn es einen Bebauungsplan gibt, was noch nicht der Fall ist, könnte die Gruppe auch hier in Richtung Normenkontrollverfahren gehen. Es gibt aber eine Alternative, das Vorhaben zu stoppen. Die Initiativie könnte über ein Bürgerbegehren einen Bürgerentscheid erwirken, müsste dazu Unterschriften sammeln. Anfang Mai ist damit eine Reinbeker Initiative beim Holzvogtland erfolgreich gewesen. Luther sagt, man habe sich mit dieser Option schon beschäftigt.