Lübeck/Grönwohld. Streit um Drogen war in Grönwohld eskaliert. 21-Jähriger wegen Totschlags verurteilt. BGH hatte Entscheidung gekippt. War es doch Mord?
Der blutige Tod des 22 Jahre alten Mohamed C. (alle Namen geändert) auf einem Spielplatz in Grönwohld beschäftigt bald erneut das Landgericht Lübeck: Ab November wird das Verfahren gegen den 21 Jahre alten Bekannten des Getöteten, Nick G. neu aufgerollt. In einem ersten Prozess hatte die VII. Große Strafkammer des Landgerichts G. Anfang Juni 2021 wegen Totschlags zu zehn Jahren Haft verurteilt.
Das Gericht und die Staatsanwaltschaft sind überzeugt, dass der 21-Jährige seinen Bekannten am Abend des 21. Oktober 2020 nach einem Streit über gemeinsame Drogengeschäfte bei Trittau mit 27 Messerstichen getötet hat. Am Nachmittag des Folgetags war die Leiche zwischen Schaukeln, Wippe und Rutsche entdeckt worden. Die Tat versetzte die kleine Gemeinde bei Trittau in Bestürzung.
Sowohl Familie des Opfers als auch Angeklagter beantragten Revision
Sowohl die Familie von Mohamed C. als auch Nick G.s Anwalt gingen gegen das Urteil in Revision. Die Familie möchte eine Verurteilung wegen Mordes und damit eine lebenslange Freiheitsstrafe erreichen. Ihre Anwälte verweisen auf zahlreiche Stichverletzungen im Rücken des Opfers und die Einschätzung einer Rechtsmedizinerin, die einen hinterhältigen Angriff während einer Umarmungssituation für wahrscheinlich gehalten hatte.
Das Mordmerkmal der Heimtücke sah die Kammer jedoch nicht als erwiesen an, vielmehr sei nicht auszuschließen, dass es infolge des Streits zunächst zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen den jungen Männern gekommen sei, ehe G. zustach. Auch gingen die Richter davon aus, dass der 21-Jährige die Tat nicht geplant, sondern „in einem emotional aufgeladenen Moment“ gehandelt habe.
BGH hält Urteil des Landgerichts für nicht ausreichend begründet
Diese rechtliche Einordnung des Gerichts sei nicht nachvollziehbar, kritisierten die Anwälte der Familie, die in dem Verfahren als Nebenkläger auftritt. Das sah der Bundesgerichtshof (BGH) in Teilen genauso und entschied im Mai dieses Jahres, dass das Verfahren vor dem Landgericht Lübeck neu aufgerollt werden muss. „Aus Sicht des BGH wurde nicht hinreichend begründet, warum es sich bei dem Tatgeschehen um einen Totschlag und nicht um einen Mord handelt“, sagte Sprecher Kai Hamdorf.
Gleichwohl hatte der Bundesgerichtshof keine Zweifel daran, dass Nick G. die Tat begangen hat. „Der BGH geht davon aus, dass sich das objektive Tatgeschehen wie vom Landgericht Lübeck dargelegt zugetragen hat“, so Hamdorf. Einen Antrag der Verteidigung, die ebenfalls Revision eingelegt und mit Widersprüchen im zeitlichen Ablauf bei den Aussagen mehrerer Zeugen argumentiert hatte, wies der BGH deshalb als unbegründet ab.
Eine geringere Haftstrafe für Nick G. ist ausgeschlossen
Der Prozess soll in Lübeck am Freitag, 4. November, neu beginnen, diesmal vor der I. Großen Strafkammer. Fünf Termine sind im November angesetzt. Mutmaßlich müssen laut Sprecher Stephan Bahlmann nicht alle Zeugen noch einmal aussagen, da der Tatablauf vom BGH nicht infrage gestellt wurde. Dass die Haftstrafe für G. am Ende geringer ausfällt als im ersten Verfahren, ist damit nicht möglich.