Ahrensburg. In Stormarn gibt es gefährliche Hunde, aber keine Rasseliste mehr. Die Behörden sind auf Anzeigen angewiesen, um handeln zu können.
Innerhalb weniger Tage sind in Deutschland drei Menschen bei Kampfhund-Attacken ums Leben gekommen. In Hessen hat ein Staffordshire-Mischling einem sieben Monate alten Baby in den Kopf gebissen. Der Junge starb nach dem Angriff des Familienhundes im Krankenhaus. In Hannover sind zuvor eine 52 Jahre alte Frau und ihr 27-jähriger Sohn in ihrer Wohnung ebenfalls vom eigenen Staffordshire-Mischling totgebissen worden. Die Vorfälle haben eine neue Debatte über die Gefahr von sogenannten Kampfhunden ausgelöst, viele Menschen sind verunsichert. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu gefährlichen Hunden in Stormarn – von Pflichten der Halter bis zu Handlungsmöglichkeiten der Behörden.
Welche Rassen gelten als Kampfhunde?
Offiziell gibt es in Schleswig-Holstein keine Kampfhunde mehr. Früher wurden die Rassen American Staffordshire Terrier, Bullterrier, American Pitbull Terrier und Staffordshire Bullterrier pauschal als gefährlich eingestuft. 2015 hat die damalige Landesregierung ein neues Hundegesetz verabschiedet, mit dem die sogenannte Rasseliste abgeschafft wurde. Seit dessen Inkrafttreten am 1. Januar 2016 wird ein Hund erst dann als gefährlich eingestuft, wenn er auffällig geworden ist – also zum Beispiel Menschen oder andere Tiere angegriffen oder gebissen hat. Somit kann in Schleswig-Holstein heute theoretisch jeder Hund in die Kategorie „gefährlich“ fallen – vom großen Schäferhund bis zum kleinen Chihuahua. Allein wegen seiner Rasse darf hingegen kein Hund mehr als gefährlich eingestuft werden.
Wer entscheidet über eine Einstufung als „gefährlich“?
Dafür sind die Ordnungsbehörden der Kommunen zuständig. „Tatsächlich muss erst etwas passieren, bevor wir reagieren können“, sagt Kerstin Albrecht vom Ahrensburger Ordnungsamt. „In den meisten Fällen bekommen wir von einem Zeugen den Hinweis auf einen auffälligen Hund.“ Der betroffene Halter werde dann zu einer Anhörung ins Rathaus bestellt, bei der er sich zu den Vorwürfen äußern kann. Albrecht: „Wenn die Lage eindeutig ist, stufen wir den Hund anschließend als ,gefährlich’ ein.“ Laut schleswig-holsteinischem Hundegesetz ist es für die Entscheidungsfindung möglich, den Hund von einem Tierarzt begutachten zu lassen. Die Kosten dafür muss der jeweilige Halter tragen.
„Wir sind bei dem Thema auf Anzeigen von Bürgern angewiesen“, sagt auch Rolf Urban, der für die öffentliche Sicherheit zuständige Mitarbeiter der Stadt Glinde. „Entweder bei unserem Ordnungsamt oder der Polizei.“
Nach welchen Kriterien erfolgt die Entscheidung?
In Paragraf sieben des Hundegesetzes ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen die Behörden einen Hund auf seine Gefährlichkeit überprüfen sollen. Vier Punkte sind genannt:
1. Wenn der Hund einen Menschen gebissen hat und dies nicht zur Verteidigung anlässlich einer strafbaren Handlung geschah.
2. Wenn der Hund in der Öffentlichkeit wiederholt in gefahrdrohender Weise Menschen angesprungen hat oder ein anderes aggressives Verhalten zeigt.
3. Wenn der Hund ein anderes Tier gebissen hat, ohne selbst angegriffen worden zu sein.
4. Wenn der Hund unkontrolliert Tiere hetzt oder reißt.
„Wir orientieren uns an dieser Auflistung“, sagt Kerstin Albrecht.
Was passiert, wenn ein Hund jemanden gebissen hat?
„Es wird überprüft, ob dieser Hund gefährlich ist“, sagt Bargteheides Rathaussprecher Alexander Wagner. Je nach Einzelfall würden für die Dauer der Prüfung vorübergehende Maßnahmen angeordnet, zum Beispiel ein Leinenzwang.
Was kann ich machen, wenn ich einen auffälligen Hund sehe?
Den Fall dem zuständigen Ordnungsamt oder der Polizei melden. „Der Hund kommt mir komisch vor“ werde als Begründung für eine Überprüfung aber nicht ausreichen, sagt Imke Bär, Sprecherin der Ahrensburger Verwaltung. Wenn ein Hund ständig knurre oder Menschen anbelle, nehme die Stadt das aber ernst, sagt Albrecht. „Wir schicken dann ein Hinweisschreiben an den Halter mit Informationen zur richtigen Hundeführung.“ Das Problem sei, dass die Verwaltung nur dann aktiv werden könne, wenn der Name des Halters bekannt sei. Albrecht: „Viele Zeugen können uns aber nicht sagen, wem der beschuldigte Hund gehört.“
Wie viele gefährliche Hunde sind in Stormarn registriert?
Dazu gibt es keine Statistik, denn die Kommunen müssen ihre Zahlen nirgendwo melden. „Auf Kreisebene sammeln wir keine Daten zu dem Thema“, sagt Michael Drenckhahn, Sprecher der Stormarner Kreisverwaltung. Eine Umfrage des Abendblattes hat ergeben, dass die Zahlen meist im einstelligen Bereich liegen.
In Ahrensburg sind derzeit beispielsweise sieben Hunde als „gefährlich“ eingestuft. Das seien ganz unterschiedliche Rassen, sagt Albrecht. Genauere Angaben könne sie aber nicht machen. In Glinde gilt zurzeit ein Hund offiziell als „gefährlich“. „Das ist ein Terrier-Mischling“, sagt Rolf Urban vom Ordnungsamt der Stadt. In Bad Oldesloe sind drei „gefährliche Hunde“ registriert, sagt Bürgermeister Jörg Lembke. Die Rassen wisse er nicht, „aber die Einstufung hängt davon ja nicht ab, sondern nur vom Verhalten des Tieres“. In Bargteheide gibt es drei „gefährliche Hunde“. „Das sind aber alte Fälle. Die Tiere wurden schon vor der Gesetzesänderung als gefährlich eingestuft“, sagt Rathaussprecher Alexander Wagner. Seit der Neufassung des Hundegesetzes vor zwei Jahren seien keine weiteren Tiere hinzugekommen.
Welche Bestimmungen und Pflichten gelten für „gefährliche Hunde“ und deren Halter?
Wenn ein Hund als „gefährlich“ eingestuft wird, muss der Halter zunächst seine persönliche Eignung und die erforderliche Zuverlässigkeit zur Haltung des Tieres nachweisen. Dafür müsse er unter anderem ein Führungszeugnis vorlegen, sagt Albrecht. Zudem müsse er volljährig sein und eine Sachkundeprüfung, den sogenannten Hundeführerschein, machen. Das geht zum Beispiel bei Hundetrainern und -schulen, die von der Tierärztekammer Schleswig-Holstein für diese Aufgabe zertifiziert wurden. Eine weitere Anforderung ist nach Angaben der Stadt Bargteheide ein ausbruchsicheres Grundstück. Zudem müsse der Hund in der Öffentlichkeit immer an einer Leine geführt werden, die maximal zwei Meter lang sein dürfe. Je nach Einzelfall sei auch das Tragen eines Maulkorbs Pflicht.
Welche Auswirkungen hat die Einstufung auf die Höhe der Hundesteuer?
Für „gefährliche Hunde“ müssen in Stormarn in der Regel deutlich höhere Steuern gezahlt werden. In Bargteheide zum Beispiel beträgt die Hundesteuer 90 Euro pro Jahr. Für „gefährliche Hunde“ werden 600 Euro fällig. In Ahrensburg müssen normalerweise 80 Euro pro Jahr gezahlt werden, „gefährliche Hunde“ kosten 480 Euro.
Wie lange ist die Einstufung als „gefährlicher Hund“ gültig
?
Grundsätzlich unbegrenzt. Die Halter können aber einen Antrag bei der Behörde stellen, damit die Einordnung zurückgenommen wird. Das ist frühestens zwei Jahre nach der ersten Entscheidung möglich. Voraussetzung ist, dass der Hund einen Wesenstest bestanden hat und – mit einem Jahr Abstand – auch eine tierärztliche Begutachtung.
Wie werden als „gefährlich“ eingestufte Hunde kontrolliert?
In Ahrensburg beispielsweise gar nicht. Das gehe aus personellen und logistischen Gründen nicht, sagt Kerstin Albrecht. „Die Hunde sind über das ganze Stadtgebiet verteilt. Wir wissen nicht, wo und wann sie Gassi gehen.“ Kontrollen seien deshalb schwierig – „es sei denn, jemand gibt uns einen konkreten Tipp“. Glinde sieht keinen Anlass für Kontrollen. Rolf Urban sagt: „Wir sehen den einen Hund sowieso fast täglich in der Stadt an der Leine spazieren gehen.“