Bargteheide/Kiel. Warum Schleswig-Holsteins Ex-Justizminister nicht wieder Mitglied des neuen Kabinetts von Daniel Günther sein wollte.
Dass jemand auf einen Ministerpostenbewusst verzichtet, ist ungewöhnlich. Claus Christian Claussen hat es getan. Der ehemalige Justizminister von Schleswig-Holstein sorgte mit seinem Entschluss für Aufsehen und Verwunderung. Sogar beim Ministerpräsidenten Daniel Günther. Nach der für die CDU so überaus erfolgreich verlaufenen Landtagswahl hätte der den Parteifreund gern wieder in seinem neuen Kabinett gesehen. „Ich habe aber noch ein bürgerliches Leben als Anwalt und Notar, ein Beruf, den ich liebe. Weil beides zusammen wegen des Ministergesetzes aber nun mal nicht geht, musste ich mich für eins entscheiden. So sind nun mal die Regeln“, sagt der Jurist mit eigener Kanzlei in Bargteheide.
Im Mai 2020 hatte Claussen den Ministerposten von Sabine Sütterlin-Waack übernommen, die ins Innenressort berufen worden war. „Als mich Daniel Günther darum bat, die Aufgabe im Zuge der Kabinettsumbildung zu übernehmen, wollte ich nicht leichtfertig absagen“, so der Vater von fünf Kindern. Die Lage sei durch die Corona-Pandemie schwierig genug gewesen. Zudem habe er eine spannende Herausforderung darin gesehen, so ein wichtiges Amt zu übernehmen.
Den Strafvollzug und die Gerichte besser aufgestellt
„Dass wir das Resozialisierungs- und Opferschutzgesetz einstimmig durch den Landtag gebracht und zugleich dem Strafvollzug, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte personell besser aufgestellt haben, erfüllt mich mit Stolz und stiller Freude“, blickt Claussen zurück. Für die enge, konstruktive Zusammenarbeit sei er seinen vielen guten Mitarbeitern im Ministerium von ganzem Herzen dankbar.
Ebenso interessant seien die anderen Teilbereiche seines Ressorts gewesen, Europa und Verbraucherschutz. Als Vorsitzender der String-Kooperation, eines Zusammenschlusses von Kommunen im Korridor Hamburg–Oslo mit rund 14 Millionen Einwohnern, habe er ein Stück Zukunft mitgestalten können. „Im Rahmen einer OECD-Studie ging es darum, wie diese ganze Region zu einem grünen Megahub umgebaut werden kann: Mit einem Wasserstoff-Tankstellennetz, um vor allem den Schwerlastverkehr zu dekarbonisieren, der sich für Elektroantriebe nun mal nicht eignet. Mit einem Ausbau des Schienennetzes und vielen anderen Infrastrukturprojekten“, erzählt Claussen.
Mit Weltuntergangsszenarien kann er nichts anfangen
Ein konkretes Beispiel für das Zusammenwachsen Europas ist für ihn auch die feste Fehmarnbeltquerung. Sie zeige, wie neue Infrastruktur Wachstum schaffe und damit Wohlstand sichere. Der Belttunnel stehe allerdings auch für die unterschiedliche Herangehensweise diesseits und jenseits des Tunnels. „Während die Skandinavier eher die Chancen sehen und die Querung mit positivem Pragmatismus angehen, dominieren bei uns Vorbehalte und Bedenken“, sagt Claussen. Als Beleg nennt er zwei Zahlen: Während es in Dänemark 56 Einwendungen gab, waren es in Deutschland grob geschätzt 12.500.
Claussen kann mit überbordendem Pessimismus und Weltuntergangsszenarien wenig anfangen. Er sei schon immer ein optimistischer Mensch gewesen. Erst recht seit seinem schweren Unfall 1981. Als Soldat auf Zeit ist er von einem Unimog überfahren worden. Wegen eines Trümmerbruchs oberhalb des Knies verlor er das linke Bein und lag fünfeinhalb Monate im Krankenhaus.
Fühlt sich seiner Heimatstadt sehr verbunden
„Seitdem weiß ich, dass sich die Dinge schnell ändern können – und es noch viel schlechter kommen kann. Wäre ich damals etwas schneller unterwegs gewesen, wäre vielleicht nichts passiert. Wäre ich aber langsamer gewesen, hätte ich den Unfall möglicherweise nicht überlebt“, reflektiert er die dramatischen Augenblicke.
Diese Erfahrungen haben seine norddeutsche Gelassenheit wohl noch verstärkt. Bodenständig war er sowieso. Seiner Heimatstadt Bargteheide fühlt er sich ebenso verbunden wie den Mitarbeitern seiner Kanzlei und seinen Klienten. „Bei einer weiteren Amtsperiode hätte ich meinen Beruf endgültig aufgeben, die Kanzlei schließen und alle Mitarbeiter, die mich größtenteils schon viele Jahre begleiten, entlassen müssen. Das war für mich keine Option“, erklärt der 61-Jährige.
Jetzt Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses
Den Verzicht auf den Ministerposten sieht er nicht als Knick seiner politischen Karriere, weil er als Mitglied der CDU-Landtagsfraktion und Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses Parlamentarier bleibe. Zumal er auch in dieser Rolle viel für Stormarn und seine Bewohner tun könne. Und sicher wieder öfter zu Hause in Bargteheide sein werde als in den vergangenen beiden Jahren.
Dann bleibt auch wieder mehr Zeit für seine zweite große Leidenschaft neben der Juristerei, der Musik. Bereits während seines Abiturs am Kopernikus Gymnasium Bargteheide hat er Gitarre und Bass spielen gelernt. „Musik ist eine universelle Sprache der Menschheit, das hat mich schon immer fasziniert“, sagt Claussen. Er ist überzeugt davon, dass Rockmusik unter anderem zum Zusammenbruch der Sowjetunion beigetragen hat.
Bis heute Begeisterung für Punk- und Indierock
Dass Claussen so ganz und gar nicht dem Klischee des konservativen Christdemokraten entspricht, zeigt sich etwa darin, dass ihn bis heute vor allem Punk und Indie-Rock begeistern, also alternative Musik abseits des Mainstreams und der großen Majorlabel. „Die ,It’s Alive‘-Scheibe der Ramones aus dem Jahr 1978 gehört für mich zu den besten Alben, die jemals produziert worden sind“, sagt Claussen.
Dieser Musik frönt er bis heute mit zwei Freunden, die er noch aus der Schulzeit kennt. So oft es seine knappe Freizeit zulässt, treffen sie sich in einem Probenraum in Tremsbüttel. Dort spielen sie neben eigenen Stücken auch Coverversionen von The Clash, Motörhead und Nirvana.
HSV-Dauerkarte nach zwölf Jahren abgegeben
Jetzt freut sich der passionierte Hobbymusiker schon auf sein nächstes Konzert von Bruce Springsteen. „Ich habe den Boss schon mal in Lissabon gesehen und fand ihn großartig. Er hat die Rockmusik für mich ebenso stark geprägt wie die Gitarrengötter Eric Clapton und Keith Richards“, erklärt Claussen. Weil es mit Tickets für die Springsteen-Tournee in Deutschland nicht geklappt hat, fährt er im Juli nächsten Jahres nach Kopenhagen.
Etwas abgekühlt hat sich hingegen seine Begeisterung für den nur noch zweitklassigen HSV. „Nach der dritten missglückten Rückkehr in die Erste Bundesliga habe ich meine Dauerkarte nach zwölf Jahren frustriert abgegeben“, berichtet Claus Christian Claussen. Wofür die älteren seiner vier Töchter zwischen fünf und 27 Jahren nur wenig Verständnis gezeigt hätten. Sie seien weiter Fans der Rothosen, obwohl es sie inzwischen nach München und Berlin gezogen habe. Während ihr Vater sich jetzt darauf beschränkt, wirklich großen Fußball vor dem Fernseher zu verfolgen, daheim in Bargteheide.