Oststeinbek. 16-Millionen-Euro-Projekt an der Brückenstraße. 78 von 80 Wohnungen sind vergeben. Es gibt einen Pflegestützpunkt.

Von ihrer Wohnzimmercouch blicken Karin und Klaus Baumbach durch eine hohe Fensterfront direkt ins Grüne, sehen Felder und jede Menge Bäume. Es ist idyllisch. Dass Bauarbeiter vor dem Gebäude mit Rüttlern den Boden verdichten an dem Platz, wo demnächst ein Pavillon entsteht, hören sie dank der Isolierung nicht. Das Paar ist im Mai in Oststeinbeks neues Seniorenquartier an der Brückenstraße neben der Feuerwehrwache gezogen – ein 16-Millionen-Euro-Projekt der Firma Semmelhaack. Nach und nach füllt sich die Anlage mit ihren 80 Mietwohnungen, wovon inzwischen 78 vergeben sind. Die letzten Einheiten werden im August fertiggestellt und damit früher als geplant.

Die letzten Wohnungen werden Anfang August fertiggestellt. Die Firma Semmelhaack ist damit schneller als geplant.
Die letzten Wohnungen werden Anfang August fertiggestellt. Die Firma Semmelhaack ist damit schneller als geplant. © René Soukup

Es ist eine besondere Zeit für die Baumbachs. Sie haben Liebgewonnenes aufgegeben. „Wir waren sechs Parteien in unserem alten Zuhause, hatten engen Kontakt zu Nachbarn“, sagt der 82-Jährige. Er sei inzwischen angekommen, seine Gattin (81) noch nicht. Die beiden lebten 47 Jahre in einer Eigentumswohnung im Ortsteil Havighorst – im Dachgeschoss. Einen Fahrstuhl gibt es dort nicht. Das Treppensteigen habe ihnen Probleme gemacht, berichtet der Rentner. Die Möglichkeit, bei Bedarf auf die Betreuungseinrichtung vor Ort zurückgreifen zu können, war für die beiden ein wichtiger Punkt, um sich für die Wohnung zu bewerben. „Wir sind seit 60 Jahren verheiratet und wollen zusammen alt werden“, sagt Klaus Baumbach. Er und seine Frau haben sich auch in Wentorf, Bergedorf sowie in Geesthacht umgeschaut. Überall gab es Dinge, die nicht ihren Vorstellungen entsprachen. „Letztendlich bin ich froh, dass wir nicht weiter weggezogen sind.“

Sieben Mehrfamilienhäuser auf 1,2 Hektar

Ihr Wohnmobil haben sie vor Kurzem verkauft, zwei Jahrzehnte waren die Baumbachs damit viel unterwegs, machten Touren über mehrere Wochen. Langeweile kommt trotzdem nicht auf. Der Senior hat sich einen Hobbyraum mit Computer eingerichtet. In Havighorst hatte das Paar zwei Zimmer, jetzt sind es drei bei identischer Wohnungsgröße – 76 Quadratmeter. Das Mobiliar wurde mitgenommen. Verständlich, einen gut erhaltenen Mahagonischrank entsorgt man nicht mal so eben. Auch farblich passen die Utensilien zum Vinylboden in Holzoptik.

Heike Haerting hat ihr Reihenhaus an eine Familie mit zwei Kindern verkauft, lebt jetzt in einer 58-Quadratmeter-Wohnung.
Heike Haerting hat ihr Reihenhaus an eine Familie mit zwei Kindern verkauft, lebt jetzt in einer 58-Quadratmeter-Wohnung. © René Soukup

Eine Etage unter den Baumbachs im ersten Obergeschoss wohnt Heike Haerting. Die 79-Jährige kommt wie ein Jungbrunnen daher, die Treppen nimmt sie im Laufschritt. Die rüstige Rentnerin hält sich fit mit zum Beispiel Yoga im Oststeinbeker SV, einmal pro Woche geht sie zu Fuß nach Glinde auf den Wochenmarkt, fährt aber auch Auto und vor allem Fahrrad. Haerting hat 50 Jahre auf der anderen Straßenseite in einem Reihenhaus gelebt: drei Ebenen, 300 Quadratmeter Grundstück. Die Arbeit im Garten und das Sauberhalten der Immobilie – das musste sie nicht mehr haben.

Mit einem Umzug hatte sich die Seniorin schon vor fünf Jahren beschäftigt, wollte ihr Haus eigentlich gegen eine Eigentumswohnung tauschen. Das Objekt ihrer Begierde war der sogenannte Willipark im Norden Oststeinbeks mit 90 Einheiten. Der Baubeginn war für 2020 anvisiert. Geschehen ist noch nichts. Also griff Haerting an der Brückenstraße zu. 58 Quadratmeter, Wohnzimmer mit offener Küche – es ist klein im Vergleich zu früher, aber fein. Ihre rustikalen Bauernmöbel, in unterschiedlichen Farben gestrichen, verleihen der Wohnung einen speziellen Charme. Dennoch wird sich die Seniorin, die im April eingezogen ist, von dem Inventar trennen. „Ich werde anderes Mobiliar kaufen, weil es ein Neuanfang ist. So ein Umzug macht etwas mit der Psyche. Die ersten beiden Wochen hatte ich Magenschmerzen.“ Jetzt habe sie sich eingelebt. „Die Lage ist einfach wunderschön.“

Im Gemeinschaftsraum können Mieter ihren Geburtstag feiern

Nadja Belkin (l.) und Rabia Cömert leiten den Pflegestützpunkt auf der Anlage. Ihr Büro richten sie gerade ein.
Nadja Belkin (l.) und Rabia Cömert leiten den Pflegestützpunkt auf der Anlage. Ihr Büro richten sie gerade ein. © René Soukup

Auf dem 1,2 Hektar großen Areal sind sieben Mehrfamilienhäuser mit bis zu vier Ebenen platziert. Der Komplex wird nach Ende der Arbeiten in einem Park eingebettet sein mit Gehwegen. Im Gemeinschaftsraum mit Küchenzeile können die Bewohner kochen und Geburtstage feiern. Die Firmen Bestlüd und Vitanova sind Kooperationspartner für die ambulante Pflege. Mit Rabia Cömert (42) und Nadja Belkin (41) haben die Mieter zwei Ansprechpartnerinnen vor Ort. Sie haben in der Anlage ein Büro, beraten in allen Lebenslagen. Zum Beispiel organisieren sie die Entleerung des Briefkastens und Haushaltshilfe, vermitteln Krankengymnastik oder unterstützen beim Ausfüllen von Anträgen. „Wir werden im Gemeinschaftsraum ein gemeinsames Frühstück veranstalten. Die Bewohner können Vorschläge machen zu weiteren Freizeitangeboten“, sagt Cömert. Sie will das Kennenlernen forcieren.

Eigentlich war das Quartier ausschließlich für Oststeinbeker gedacht. Das hatte die Politik mit Semmelhaack vereinbart. 280 Einheimische waren vorgemerkt. Als sie zugreifen konnten, machten viele einen Rückzieher. Von den 24 Sozialwohnungen gingen neun an Personen aus anderen Kommunen. Die Kaltmiete pro Quadratmeter beträgt 6,34 Euro, neun Cent davon sind für den Gemeinschaftsraum. Bei den frei finanzierten Einheiten sind 38 von 56 durch Ortsansässige belegt, zwei Bleiben mit jeweils zwei Zimmern noch verfügbar. Bis zu 14 Euro kalt kostet der Quadratmeter, zum Beispiel bei einer Dreiraum-Wohnung im Staffelgeschoss.