Barsbüttel. Straße Bei den Tannen im Ortsteil Willinghusen wird vorerst nicht ausgebaut. Wie Politiker diese Entscheidung begründen.
Drei Sanierungsvarianten für die Straße Bei den Tannen im Barsbütteler Ortsteil Willinghusen hat die Verwaltung den Anliegern präsentiert und um Rückmeldung bis 31. Mai gebeten, welche sie favorisieren. Das Meinungsbild ist Grundlage für politische Entscheidungen. Die Bürger werden intensiv eingebunden, weil sie 70 Prozent der Kosten tragen müssen, worüber es allerdings Streit gibt. Trotzdem sollte das Projekt jetzt angegangen werden. Nun macht die Gemeinde einen Rückzieher und setzt es für zwei Jahre aus. Darauf haben sich die Wählergemeinschaft Bürger für Barsbüttel (BfB), CDU und Grüne verständigt.
„Vor dem Hintergrund der aktuell stark steigenden Baukosten bedingt durch die Folgen der Coronakrise und den Ukrainekrieg sehen wir derzeit keine Möglichkeit für eine belastbare Kostenkalkulation“, heißt es in einem gemeinsamen Antrag für den Planungsausschuss am 9. Juni sowie die Gemeindevertretersitzung drei Wochen später. Der Beschluss ist eine Formalie, das Trio hat eine Mehrheit. Es begründet den Schritt auch damit, dass man den Anliegern keine verlässlichen Beträge nennen kann. Veranschlagt für den Straßenausbau waren mindestens 868.000 und maximal 935.000 Euro. Je nachdem, ob ein Gehweg Bestandteil ist und asphaltiert oder gepflastert wird. Die Kalkulation stammt aus 2021. „Diese Summen sind nun aber nicht mehr haltbar“, sagt Bürgermeister Thomas Schreitmüller. Der Verwaltungschef war vergangene Woche bei der Sitzung des Willinghusener Ortsbeirats, wo das Thema auf der Agenda stand. Dort erklärte er, dass derzeit keine zwingende Notwendigkeit für eine Grunderneuerung besteht.
Knapp 400 Barsbütteler signieren Petition zwecks Abschaffung der Beiträge
Diese Mitteilung war für BfB, Christdemokraten und Grüne Anlass, sämtliche Planungen zu stoppen. „Die Einschätzung des Bürgermeisters ist für uns neu. Wir dachten bislang, dass die Flickschusterei ein Ende haben muss“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Henri Schmidt. Er geht davon aus, dass zu einem späteren Zeitpunkt „eine Stabilisierung der Erstellungskosten eintreten wird“ mit einer besseren Planungssicherheit für alle Beteiligten. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Hermann Hanser sagt, er sei sehr erstaunt. „Bei der Aktion handelt es sich um Wahlkampf.“ Hanser vermutet, dass die Antragsteller eine Entscheidung aufschieben mit Blick auf die Kommunalwahlen 2023, um sich nicht unbeliebt zu machen. Geht es nach den Sozialdemokraten, schafft Barsbüttel die Straßenausbaubeiträge ab und finanziert Grunderneuerungen aus der Gemeindekasse. Möglich ist das in Schleswig-Holstein seit 2018.
Genau das fordern knapp 400 Barsbütteler, die eine Petition unterschrieben haben. Diese wurde von Anliegern der Straße Bei den Tannen initiiert. Weil das Quorum von 250 Signaturen erreicht wurde, muss sich die Politik damit beschäftigen. Sie wird aber nichts ändern. „Grundsätzlich möchte ich die Satzung abschaffen, sobald es die finanziellen Rahmenbedingungen zulassen. Das wird kurz- bis mittelfristig aber nicht der Fall sein“, sagt Grünen-Fraktionschefin Angela Tsagkalidis. Ende 2021 hatte Barsbüttel 21 Millionen Euro Schulden und plant in diesem Jahr Kredite in Höhe von mehr als zehn Millionen Euro aufzunehmen.
Ihr Pendant von der Wählergemeinschaft, Rainer Eickenrodt, sieht das Land in der Pflicht, bemängelt den fehlenden Kostenausgleich im Fall der Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen. „Wir bekommen 2022 nur 160.000 Euro Förderung für sämtliche Infrastrukturmaßnahmen. Das beinhaltet auch Schulen, Kindergärten, Feuerwehr und das Jugendzentrum, ist also nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Von jenen, die Sanierungen ohne Bürgeranteil durchsetzen wollen, möchte er ein vernünftiges Finanzierungskonzept. Grundsteuern dafür zu erhöhen, macht für Eickenrodt wenig Sinn: „Davon behalten wir nur 50 bis 60 Prozent, der Rest geht an das Land und den Kreis.“ Für Christdemokrat Schmidt ist der Spielraum ebenfalls ausgeschöpft. Er sagt: „Nur wenn mehr Mittel vom Land kommen, würden wir die Satzung abschaffen.“
Bürger wollen maximal 35 Prozent zur Sanierung beisteuern
Die Bürgerinitiative, gegründet von Grundeignern der Straße Bei den Tannen, würde sich schon zufrieden geben mit einer 35-Prozent-Beteiligung für ihren Bereich. Dafür kämpft sie seit Langem. Ihrer Ansicht nach handelt es sich um keine Anlieger-, sondern eine Haupterschließungsstraße. Dem Sprecher der Gruppe, Stephan Börner, würde eine andere Einordnung viel Geld sparen. Bei der 70-Prozent-Variante soll er zwischen 9700 und 10.500 Euro zahlen – wohlgemerkt laut Kostenschätzung des vergangenen Jahres.
Dass die 380 Meter lange und 1955 erbaute Straße in einem schlimmen Zustand ist, gilt als unbestritten. Immer wieder rücken Mitarbeiter des Bauhofs an, um Löcher zu stopfen. Das Rathaus hatte bereits den Gutachter Professor Marcus Arndt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, zur Einordnung beauftragt. Er kommt zum Schluss, dass es sich Bei den Tannen um eine Anliegerstraße handeln dürfte. Eindeutig ist das nicht.
Die Initiative wird ein eigenes Gutachten anfertigen lassen, sollte Barsbüttel den Kostenanteil der Bürger nicht reduzieren. Und Börner ist sich seiner Sache sicher, sagt: „Wir werden damit durchkommen, wenn wir es darauf ankommen lassen.“ Konkret bedeutet das: Der Sprecher geht davon aus, vor einem Gericht zu gewinnen. Dass die Gruppe vor einer Klage nicht zurückschreckt, hat sie den Politikern angedeutet. 2024 könnte es dazu kommen.