Glinde. Auf dem Areal Altes Gleisdreieck in Glinde entstehen 89 Wohnungen und 31 Reihenhäuser, die vermietet werden. Projekt ist umstritten.
Mit seinem Bagger schüttet Baumaschinist Torben Huusmann (26) derzeit mehrere Meter hohe Sandberge auf am Alten Gleisdreieck in der Glinder Innenstadt. In ein bis zwei Wochen werden dann rund 27.000 Kubikmeter Boden abtransportiert. Arbeiter waren am Dienstag damit beschäftigt, die Baustellenzufahrt für die Lastwagen herzustellen. Es ist losgegangen mit dem Wohnbauprojekt des Unternehmens Semmelhaack: mit reichlich Verzögerung. In zentraler Lage entstehen 31 Reihenhäuser und 89 Wohnungen in zwei Gebäuden mit jeweils vier Geschossen plus Staffelebene, davon 36 öffentlich gefördert, die allesamt vermietet werden.
Auch der Kampfmittelräumdienst ist dieser Tage vor Ort. Huusmann hat für die Experten Schürfungen gemacht, wie er es ausdrückt. Das sind Suchlöcher im Boden. „Vermutlich befindet sich eine alte Flakstellung unter der Erde. Keiner weiß, wo und wie tief sie liegt“, sagt Hartmut Thede, Leiter der Projektentwicklung und Mitglied der Geschäftsleitung des Elmshorner Unternehmens, das momentan mit einem Investitionsvolumen von 34 Millionen Euro plant.
Reihenhäuser haben 110 Quadratmeter und drei Ebenen
Ob das einzuhalten ist, scheint zumindest fraglich. Die Branche kämpft mit gestiegenen Baukosten. In einer jüngst veröffentlichten Umfrage des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie klagten 90 Prozent der Unternehmen über Preissteigerungen, 80 Prozent über Lieferengpässe. Materialien haben sich binnen eines Jahres um 22 Prozent verteuert. „Preistreiber sind unter anderem Bitumen für die Dachabdeckung“, so Thede. Auch Beton und Holz gehören zu dieser Kategorie.
30 Prozent Eigenmittel bringt Semmelhaack ein, erhält Zuschüsse vom Land für die Sozialwohnungen. Die Mietpreisbindung ist auf 35 Jahre festgelegt. Außerdem ist die Förderung für den KfW-55-Standard bei den Mehrfamilienhäusern gesichert. Thede beschreibt das so: „Die getroffene Vereinbarung zwischen Stadt und unserem Unternehmen wird von der Investitionsbank Schleswig-Holstein vollumfänglich begleitet.“
Wohnungen im Glinder Zentrum: 200 Haushalte stehen schon auf der Warteliste
Der Hochbau soll im Juni beginnen, für Anfang 2024 ist der Einzug geplant. Am Ende des 2,1 Hektar großen Areals nahe den Sportstätten des TSV Glinde entstehen Parkplätze. Von dort werden in Richtung Möllner Landstraße nach und nach die Komplexe hochgezogen. Die Wohnungsvergabe beginnt laut Thede frühestens in einem Jahr. Rund 200 Haushalte seien aktuell auf einer Warteliste eingetragen. „Eine hohe Nachfrage gibt es primär bei den Geschosswohnungen.“ Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein zahlen 6,25 Euro kalt für den Quadratmeter, bei den frei finanzierten Bleiben sind zwischen 11,50 und 13,50 Euro fällig – je nach Lage. Für die 110-Quadratmeter-Reihenhäuser mit drei Ebenen und ohne Keller werden 13,50 Euro aufgerufen.
Wie berichtet, war die Umsetzung des Projekts in anderer Form schon vor Jahren geplant. Ursprünglich hatte Semmelhaack 153 Wohnungen in sieben Gebäuden mit 60-prozentigem öffentlich geförderten Anteil vorgesehen. Der Bebauungsplan wurde im Mai 2015 abgesegnet. Das Unternehmen kaufte der Stadt ein 1,2 Hektar großes Grundstück für 75 Euro pro Quadratmeter ab, Glinde orientierte sich bei der Wertermittlung am Gutachterausschuss des Kreises.
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Zahl der Sozialwohnungen wurde zweimal reduziert
Eine Bürgerinitiative, die am Gleisdreieck das Waldstück erhalten will, beschwerte sich bei der Kommunalaufsicht. Ihrer Meinung nach wurde das Grundstück zu günstig veräußert. Und tatsächlich musste Semmelhaack draufzahlen. Der Preis erhöhte sich auf 170 Euro. Daraufhin steuerte das Unternehmen um, speckte ab auf 89 Wohnungen mit 62 geförderten und 31 Reihenhäusern. Die Politik akzeptierte.
Allerdings ließ die Gruppe nichts unversucht, ihr Ziel zu erreichen und ging gegen den Bebauungsplan vor. Eine Normenkontrollklage im Eilverfahren wurde vom Oberverwaltungsgericht Schleswig abgewiesen, die Entscheidung im Hauptverfahren steht aus. Und es ist nicht absehbar, wann diese getroffen wird. Eine aufschiebende Wirkung ist damit nicht verbunden. Semmelhack wollte jedoch lange kein Risiko eingehen, sah vom Baubeginn ab. Weil die Kosten massiv steigen und die KfW-Förderung abgerufen werden muss, entschloss man sich, nun zu starten: mit der Bedingung, die Zahl der Sozialwohnungen weiter zu reduzieren. Die Entscheidungsträger stimmten der Modifizierung des städtebaulichen Vertrags Ende 2021 mehrheitlich zu. Für das Entgegenkommen wird Semmelhaack seine Beteiligung am Kreisel an der Ecke Möllner Landstraße/Am Sportplatz von 330.000 auf 425.000 Euro erhöhen. Das Unternehmen schafft auch einen Wanderweg samt Spielstation.