Glinde. Eskaliert der Streit um das Wohnungsbauprojekt am Alten Gleisdreieck? Bürgerinitiative wehrt sich nach Kritik.

Im Streit um die Bebauung des Alten Gleisdreiecks in Glinde könnte es zu einer weiteren Eskalation kommen. Wie berichtet, wehrt sich eine Bürgerinitiative seit Jahren gegen das Projekt. Der Investor hatte zuletzt eine Änderung vorgenommen, die Zahl der Sozialwohnungen mit dem Einverständnis der Politik reduziert. Parteienvertreter begründeten vor Kurzem, weshalb sie dem Unternehmen Semmelhaack entgegenkommen – und kritisierten die Gruppe um ihren Sprecher Michael Riedinger scharf. Der 71-Jährige will Äußerungen so nicht stehen lassen und erwägt eine Klage gegen die Grünen-Fraktionsvorsitzende Petra Grüner.

So soll es auf dem Areal Altes Gleisdreieck in Glinde aussehen.
So soll es auf dem Areal Altes Gleisdreieck in Glinde aussehen. © HA | Stefan Krüger Computergrafik

Die hatte bei einem öffentlichen Termin im Rathaus Folgendes von sich gegeben: „Verhinderer Nummer eins ist die Bürgerinitiative. Ihr Verhalten hat Wut geschürt in den Fraktionen. Die Einstellung dieser Menschen ist katastrophal.“ Eigentlich hätte das 2,1 Hektar große Areal längst bebaut sein sollen. Schon 2013 beschäftigten sich die Entscheidungsträger mit dem Thema. Das Wohnungsunternehmen schlug rund 190 Einheiten vor, man einigte sich auf 153 mit 60-prozentigem öffentlich geförderten Anteil. Glinde benötigt dringend Sozialwohnungen, auf einer Liste im Rathaus sind 300 Haushalte vermerkt. 2016 war der Start anvisiert.

Anteil der Sozialwohnungen verringert sich auf 36

Semmelhaack kaufte der Stadt ein 1,2 Hektar großes Grundstück für 75 Euro pro Quadratmeter ab, Glinde orientierte sich bei der Wertermittlung am Gutachterausschuss des Kreises. Daraufhin beschwerten sich Riedinger und seine Mitstreiter bei der Kommunalaufsicht. Ihr Standpunkt: Die Fläche wurde unter Wert veräußert. Sie bekamen recht. Der Preis erhöhte sich auf 170 Euro. Deshalb änderte Semmelhaack die Planung ein erstes Mal. Jetzt waren es nur noch 89 Wohnungen, darunter 62 geförderte, dafür aber 31 Reihenhäuser zur Miete. Die Politik spielte mit.

Das Waldstück, das die Initiative erhalten will, wurde gerodet. Die Gruppe ging allerdings gegen den Bebauungsplan vor, eine Normenkontrollklage im Eilverfahren wurde vom Oberverwaltungsgericht Schleswig abgewiesen, die Entscheidung im Hauptverfahren steht aber noch aus. Klageführer ist ein Ehepaar. Das Verfahren hat zwar keine aufschiebende Wirkung, aber erst jetzt will Semmelhaack beginnen, weil die Baukosten massiv steigen und die KfW-Förderung abgerufen werden muss. Bedingung: Die Zahl der Sozialwohnungen wird erneut reduziert – von 62 auf 36. Das akzeptierte die Politik zähneknirschend.

Auf der 2,1 Hektar großen Fläche baut das Unternehmen Semmelhaack 89 Wohnungen und 31 Reihenhäuser.
Auf der 2,1 Hektar großen Fläche baut das Unternehmen Semmelhaack 89 Wohnungen und 31 Reihenhäuser. © HA Grafik | Frank Hasse

Ihre Aussage tätigte Grüner also mit Blick auf die Geschehnisse in den vergangenen Jahren. Riedinger, der sich auch im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland engagiert, will sich diesen Schuh aber nicht anziehen. Er fordert die Fraktionschefin der Grünen auf, ihre Äußerungen zeitnah öffentlich zurückzunehmen. „Anderenfalls behalte ich mir vor, durch meinen Anwalt juristische Schritte gegen Sie einleiten zu lassen“, heißt es in einem Brief an Grüner, der dieser Redaktion vorliegt. Das Dokument hat der Glinder den Fraktionsvorsitzenden der anderen Parteien und dem Landesverband der Grünen zukommen lassen.

Riedinger spricht von Verleumdung und Diffamierung. Dass das Projekt sich so lange verzögert, ist aus seiner Sicht ausschließlich die Entscheidung des Investors. Er sagt: „Wenn es etwas zu beanstanden gibt, dann sicherlich nicht das Verhalten der Bürgerinitiative, die zahlreiche Verstöße der Stadtverwaltung gegen Recht und Gesetz aufgedeckt hat und nichts anderes als die ihr rechtsstaatlich garantierten Rechte wahrgenommen hat.“

Investor plant Beginn der Arbeiten Ende März

Der Senior will sich und rund 300 Unterstützer auch nicht als Verhinderer von Sozialwohnungen verstanden wissen. Er betont, die Gruppe wäre mit öffentlich geförderten Einheiten in zum Beispiel zwei Gebäuden auf dem vorderen Teil des Areals an der Möllner Landstraße einverstanden. In diesem Fall könne man darüber reden, die Normenkontrollklage zurückzuziehen. „Ein entsprechendes Angebot liegt dem Bürgermeister seit Mai 2021 schriftlich vor“, berichtet Riedinger.

Verwaltungschef Rainhard Zug beschreibt die Kommunikation hingegen so: „Ich bin im vergangenen Jahr auf die Klageführer zugegangen, ein Gesprächsangebot wurde abgelehnt.“ Die Politik habe alles versucht, um auf die Interessen der Anwohner einzugehen. Das Tischtuch scheint zerschnitten, man wird wohl nicht mehr auf einen gemeinsamen Nenner kommen.

Für das Wohnungsunternehmen Semmelhaack ist eine Verkleinerung des Projekts im Stadtzentrum ohnehin nicht mehr vorstellbar. „Die Aufträge sind vergeben, außerdem haben wir eine rechtskräftige Baugenehmigung“, sagt Hartmut Thede, Leiter der Projektentwicklung und Mitglied der Geschäftsleitung. Ende dieses Monats sollen die Arbeiten beginnen, die Fertigstellung ist für Oktober 2023 geplant. Petra Grüner indes lehnt Riedingers Forderung ab. Die Grünen-Politikerin: „Ich werde nichts zurücknehmen, habe niemand persönlich angegriffen. Wir haben Positionen, wollen als Grüne bezahlbaren Wohnraum vorantreiben. Als Politikerin kann ich nicht jedermanns Liebling sein.“