Barsbüttel. „Walters Gemüseglück“, „Riekes Reich“, „Veggieversum“ – so haben die Mieter ihre Gärten benannt. Noch sind Mietgärten zu haben.
Sonntagvormittag, 11 Uhr, Barsbüttel: Wo bis vor einigen Tagen noch leere Ackerfläche war, ist jetzt einiges los. Mit Gießkannen, Harken und Schaufeln bewaffnet laufen angehende Hobbygärtnerinnen und Hobbygärtner von A nach B, nehmen das Stück Land in Beschlag, das bis zum Herbst ihres sein wird, und ackern buchstäblich, was das Zeug hält. Auf den Schildern vor den abgesteckten Flächen stehen Namen wie „Walters Gemüseglück“, „Riekes Reich“, „Veggieversum“ und „Erntedank“.
Die Aufregung hat einen Grund: Das Bonner Unternehmen Meine Ernte hat in Barsbüttel offiziell die Mietgartensaison eröffnet. Der Milchhof Wriggers stellt etwa einen Hektar Fläche im Ortsteil Willinghusen zur Verfügung. Bis Ende Oktober können die Hobbygärtner auf den knapp 160 Gärten Möhren, Radieschen und Co. anbauen.
Unternehmen Meine Ernte 2009 gegründet
Das Unternehmen Meine Ernte wurde 2009 von Wanda Ganders und Natalie Kirchbaumer gegründet. Das Ziel: Es jedem Menschen zu ermöglichen, sein eigenes Gemüse anzubauen und sich ein Stück weit selbst zu versorgen. Dafür bietet das Unternehmen einen fix und fertig vorbereiteten Garten zum saisonalen Mieten an. Landwirte stellen die Fläche zur Verfügung und bereiten die Gärten vor. Der Garten ist mit etwa 20 Gemüsesorten bestückt. Es kann aber auch nach Lust und Laune selbst gepflanzt werden. Ein kleiner Gemüsegarten mit einer Fläche von etwa 45 Quadratmetern kostet 229 Euro, ein Gemüsegarten mit 90 Quadratmetern für Familien oder Gruppen 439 Euro. Wasser, Gerätschaften und Co. werden zur Verfügung gestellt. Es gibt einen regelmäßigen Gärtnerbrief mit aktuellen Gartentipps, eine Gemüsehotline, Gärtnersprechstunden und Lernvideos. In Whatsapp-Gruppen können sich die Gärtner untereinander austauschen und vernetzen. Ein Mietgarten ist also auch für Garteneinsteiger geeignet.
2010 startete Mein Garten mit sechs Gärten und 250 Kunden. Mittlerweile haben über 30.000 Menschen an bundesweit etwa 30 Standorten bei Meine Ernte gegärtnert. Neben Barsbüttel können in der Nähe auch in Norderstedt Gärten gemietet werden.
Anfänger und Wiederholungstäter sind am Start
Unter den angehenden Hobbygärtnerinnen und Hobbygärtnern sind auch Sven und Kristina Tartemann. „Wir wollen unserem Sohn beibringen, wo Essen herkommt“, so die Hamburger. Das coronabedingte Homeoffice stärkte im vergangenen Jahr den Wunsch, rauszukommen. Dieses Jahr sind sie bereits zum zweiten Mal dabei. Sven Tartemann: „Ich finde es toll, dass man hier mit Gemüse zu tun hat, dass es im Supermarkt nicht unbedingt gibt – etwa Mangold, Steckrübe oder Romanesco.“
Ganz neu im Gärtner-Thema ist Jennifer Abramowicz aus Rahlstedt. „Ich bin totale Anfängerin und werde nun in die faszinierende Welt der Pflanzen eintauchen“, sagt sie. Neben dem bereits gepflanzten Gemüse möchte sie selbst auch noch so einiges anpflanzen. Abramowicz: „Fenchel zum Beispiel.“
Wiederholungstäter hingegen sind Heiko Wegner und Darius Nosinski. Die Hamburger werden gemeinsam mit ihren Geschwistern einen 90 Quadratmeter großen Mietgarten bewirtschaften. Fünf Familien inklusive Kindern, Schwägerinnen und Schwägern helfen mit. Eine ihrer Schwestern hatte aus dem Hamburger Abendblatt von dem Angebot erfahren – und alle waren direkt begeistert. „Man hat nicht ganz so viel Verantwortung wie bei einem Schrebergarten, muss nicht Hecke schneiden oder Rasenmähen und kann trotzdem frisches Gemüse ernten“, sind sich die Geschwister einig. Sie freuen sich übrigens besonders auf die Kartoffelernte: „Wir sind alle große Kartoffelesser.“
Im Winter düngen Freilandhühner die Fläche
Paul und Christina Graber wohnen mit Sohn Max und Viktoriia Stephanova, die aus der Ukraine bei ihnen zu Gast ist, direkt in Willinghusen, etwa einen Kilometer von ihrem Garten entfernt. In ihrem Eigentum fehlt ihnen der Platz fürs ausgiebige Gärtnern. Deshalb haben sie sich entschieden, einen Mietgarten zu bewirtschaften. „Wir möchten das Bewusstsein für Lebensmittel bei unserem Sohn stärken und freuen uns, an die frische Luft zu kommen“, so Paul Graber.
Kai Wriggers vom Milchhof Wriggers ist für die Gärten verantwortlich und freut sich auf die kommende Saison. Es ist das zweite Jahr, in dem der landwirtschaftliche Betrieb mit dem Unternehmen Meine Ernte zusammenarbeitet. „Die Gärten werden super angenommen“, so Wriggers. „Viele Gärtner sind Wiederholungstäter, die schon im vergangenen Jahr dabei waren. Die Resonanz ist großartig.“
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Im vergangenen Jahr war der Milchhof Wriggers mit 90 Gärten fast ausgebucht. In diesem Jahr sind es fast doppelt so viele. „Das Projekt trifft den Zeitgeist. Viele Leute legen Wert auf Nachhaltigkeit und Regionalität. Selbst an der frischen Luft tätig zu werden und sich mit frischem Gemüse selbst zu versorgen, gefällt vielen“, so Wriggers. Auch angesichts der großen Inflation und der steigenden Preise im Supermarkt schätzten viele die Möglichkeit, ihre Lebensmittel selbst heranzuzüchten.
Das Projekt fügt sich hervorragend in den landwirtschaftlichen Betrieb ein. „Wir haben seit zwei Jahren Freilandhühner. Im Winter, wenn die Fläche frei ist, kommen die Hühner auf dieses Feld, können alles auffressen, was übrig ist und düngen den Boden“, sagt Wriggers. Übrigens: Noch sind etwa zehn Gärten frei. Wer Interesse hat, einen Garten zu mieten, kann sich unter der Telefonnummer 0176/72 48 88 00 beim Milchhof Wriggers melden.