Bargteheide. Hamburger Bürgermeister und SPD-Spitzenkandidat sprechen über Kitas, Wohnen und ÖPNV. Direkte Angriffe auf die Konkurrenz meiden sie.

Es soll keine „dieser typischen Politveranstaltungen“ sein, verspricht Thomas Losse-Müller, Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl am 8. Mai, zu Beginn seines Gastspiels in Bargteheide. Wie um das zu unterstreichen, gleicht die Ausstattung des Podiums im Cremon Glashaus, in das die Partei geladen hat, eher dem Wohnzimmer einer modern eingerichteten Familie als einer Wahlkampfbühne.

Tschentscher unterstützt Losse-Müller bei Wahlkampf in Bargteheide

Auf dem anthraziten Wuschelteppich stehen im Halbkreis vier hellbraune Ledersessel um einen Couchtisch mit Topfpflanzen und Teelichtern darauf. Später nehmen dort nicht nur die drei Stormarner SPD-Direktkandidaten Mehmet Dalkilinc (Nord), Thies Grothe (Mitte) und Martin Habersaat (Süd) Platz, sondern auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher, der gekommen ist, um seinen Parteifreund im Kampf um das Amt des Ministerpräsidenten zu unterstützen.

Eine Leselampe scheint Losse-Müller über die Schulter, der als einziger auf einem Küchenstuhl sitzt. Trotz Wohnzimmer-Deko: Am Ende wird es natürlich trotzdem eine „dieser Politveranstaltungen“. Noch bevor Tschentscher die Bühne betritt, rechnet Losse-Müller mit der Bilanz der aktuellen Jamaika-Koalition ab.

SPD-Kandidat kritisiert anhand von Zahlenbeispielen Jamaika-Bilanz

Ohne Sakko, die Ärmel des weißen Hemds hochgekrempelt, zeigt der Spitzenkandidat anhand von Zahlenbeispielen auf, an welchen Stellen die derzeitige Landesregierung versagt habe, um anschließend eine Rundum-Übersicht über das SPD-Wahlprogramm zu liefern. „421.000 Menschen in Schleswig-Holstein leben unterhalb der Armutsgrenze“, sagt Losse-Müller, die Löhne seien im Norden von allen westdeutschen Bundesländern am niedrigsten.

Bis 2030 fehlten zudem rund 20.000 Pflegekräfte im Land, die Zahl der Sozialwohnungen werde in acht Jahren nur noch ein Zehntel der Zahl von 1970 umfassen und bei der Digitalisierung von Behördenleistungen stünden nur vier Bundesländer schlechter da. Losse-Müllers Antworten darauf: Zwölf Euro Mindestlohn, eine Landesentwicklungsgesellschaft, die den kommunalen Wohnungsbau fördern soll und eine Digitaloffensive für Behörden und Schulen.

Seinen Konkurrenten Daniel Günther erwähnt Losse-Müller nur einmal

Auffällig: Seinen Konkurrenten, CDU-Amtsinhaber Daniel Günther, erwähnt der Spitzenkandidat nur einmal beim Namen, als er diesem vorwirft, für Stillstand beim Ausbau der Windenergie gesorgt zu haben. Auch sonst gibt sich Losse-Müller betont sachlich, geht ausführlich inhaltlich auf die SPD-Vorhaben ein und zeigt sich selten angriffslustig.

Als Tschentscher auf die Bühne kommt, betonen beide die enge wirtschaftliche und gesellschaftliche Verflechtung der Nachbarländer. „90 Prozent der Importe und Exporte Schleswig-Holsteins werden über den Hamburger Hafen abgewickelt“, sagt Tschentscher. Losse-Müller kontert: „18 Prozent der Arbeitsplätze im Hamburg sind mit Schleswig-Holsteinern besetzt.“

SPD-Kandidat sieht Hamburg bei Kitas und Wohnungsbau als Vorbild

Bei der Kinderbetreuung sieht der SPD-Kandidat die Hansestadt als Vorbild. Die Partei möchte die Kita-Gebühren in Schleswig-Holstein abschaffen. In Hamburg ist der Kita-Besuch bereits seit 2014 beitragsfrei. „Ihr habt vorgemacht, dass es geht“, sagt Losse-Müller an seinen prominenten Gast gerichtet. Auch bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums und beim ÖPNV sieht Losse-Müller die Hansestadt als Vorbild.

Tschentscher gibt sich zurückhaltend. Kritik an Jamaika gibt es nicht, er ahnt mit Blick auf die aktuellen Umfragen wohl, dass sein Gegenüber in Kiel auch nach dem 8. Mai Daniel Günther heißen wird. Der Hamburger betont die gute Zusammenarbeit in den vergangenen fünf Jahren – auch, wenn er selbstredend noch besser mit einem Ministerpräsidenten Thomas Losse-Müller zusammenarbeiten würde.

Besucher stellen Fragen zu Kinderbetreuung, bezahlbarem Wohnen und Ukraine

Nachdem die Wahlkreiskandidaten zu Wort gekommen sind, können Besucher Fragen stellen. Es geht um bezahlbares Wohnen, Kitas und den Ukraine-Krieg. Tschentscher ist da schon unterwegs zurück nach Hamburg. Und mit dem Abgang des Gastes haben sich auch die ohnehin nur zu Zweidritteln gefüllten Zuschauerränge merklich gelichtet. Und so wird mehr als deutlich, wer das eigentliche Zugpferd dieser Veranstaltung ist. Am Ende bleibt der Eindruck eines fachlich kompetenten Spitzenkandidaten, der als Person blass bleibt.