Ahrensburg. Bei der Podiumsdiskussion des Abendblatts in Ahrensburg mit fünf Bewerbern ging es um S 4, Fotovoltaik und Kita-Reform.

Die neue S 4 von Bad Oldesloe über Bargteheide und Hamburg ist sinnvoll. Schleswig-Holstein sollte Solar- und Windkraftanlagen sowie neue Energietechnologien ausbauen. In diesen Punkten waren sich die Direktkandidaten für die Landtagswahl von CDU, SPD, Grünen, FDP und Linken bei der Podiumsdiskussion des Hamburger Abendblatts im Ahrensburger Marstall weitgehend einig. Völlig unterschiedlich bewerteten sie dagegen die Betreuungssituation an Kindergärten und die Digitalisierung der Schulen.

Dabei spiegelte sich das Opposition-Regierungs-Verhältnis aus dem Landtag in Kiel im Ahrensburger Kulturzentrum wider: Mehrfach griffen SPD-Bewerber Thies Grothe und Ali Haydar Mercan (Linke) die Vertreter der Jamaika-Koalition verbal an, vor allem Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) und CDU-Fraktionschef Tobias Koch. Die beiden reagierten mit ihrer rhetorischen Erfahrung aus Hunderten von ähnlichen Debatten gelassen. Am Ende kommentierte Mercan die wort- und zahlenreichen Ausführungen von Buchholz so: „Ich komme mir vor wie bei einer Pressekonferenz des Ministers.“ Der Themenüberblick:

Das sagen die Kandidaten zur Energiewende

Schleswig-Holstein könne sich zu 160 bis 170 Prozent selbst mit Strom versorgen, so Tobias Koch. Bundesweit sei man Spitzenreiter bei der Genehmigung von Windrädern, auch Fotovoltaik werde ausgebaut. Eine bei Heide geplante Batteriefabrik schaffe rund 3000 Arbeitsplätze. „Industrielle Wasserstoffproduktion ist eine weitere Riesenchance“, so der CDU-Politiker. „PV-Anlagen gehören in großem Stil auf Dächer“, sagt Thies Grothe. Für Elektromobilität müssten die Netze im Voraus ausgebaut werden.

Fotovoltaik auf Neubauten und kommunalen Dächern ist für Sabine Rautenberg (Grüne) ein Muss, um „autark und klimaneutral“ zu werden. Sie ist klar gegen Gas- und Erdölförderung in der Nordsee oder längere Laufzeiten für Atomkraftwerke. „Es geht um Versorgungssicherheit, da müssen wir die Realitäten zur Kenntnis nehmen“, meint Buchholz. Kurzfristig komme man um Importe nicht herum. Für Solarstromerzeugung biete sich die Nutzung von versiegelten Flächen wie Autobahnen an. Für die Linke fordert Mercan den schnellen Ausstieg aus fossilen Energieträgern: „Um die Klimakrise zu meistern, müssen wir radikal umsteuern.“

Das sagen die Kandidaten zum Neubau der S 4

„Die wird niemand mehr verhindern“, sagt Verkehrsminister Buchholz. Alle Alternativen – auch eine Güterstrecke an der A 1 – seien geprüft und nicht für sinnvoll erachtet worden. „Es wird überall Betroffenheiten geben, fragen Sie mal die Sieker oder Großhansdorfer an der Autobahn.“ Und Lärmschutzwände – in Ahrensburg sechs Meter hoch – könnten mit Grün und Glas aufgelockert werden, damit sie nicht wie Mauern aussähen. „Der Bau des Fehmarnbelttunnels schreitet voran, 2029 werden die Züge fahren“, sagt Koch. Rautenberg erinnert daran, dass über die S 4 lange vor Fehmarnbelt diskutiert wurde: „Das sind keine Geschwisterkinder.“ Wichtig sei, dass die Züge zuverlässig führen und es günstige Tickets gebe.

„Der ÖPNV-Ausbau ist gut fürs Klima, da nehme ich auch Lärmschutzwände in Kauf“, sagt Mercan. „Es gibt bessere und bürgerfreundlichere Lösungen“, meint Grothe. „Die sind aber viel kostspieliger.“ Jetzt sollte man die Energie auf die Ausgestaltung der Strecke legen, etwa als Trog oder mit Deckel wie bei der A 7 in Hamburg. Zudem sollten wachsende Regionen wie Siek und Trittau ans Bahnnetz angeschlossen werden.

Das sagen die Kandidaten zur Kita-Reform

„Sämtliche Kita-Träger sind nicht glücklich“, sagt Grothe. „Das ist kein Glanzstück.“ Die Finanzierung sei nicht auskömmlich, das Personal reiche nicht aus. Die SPD wolle Gebührenfreiheit für alle Eltern. Auch Mercan, der selbst eine Ausbildung zum Erzieher macht, kritisiert die schlechte Bezahlung und Verschlechterungen wie bei der Randzeitenbetreuung. Rautenberg, die Gemeindevertreterin in Großhansdorf und Kreistagsabgeordnete ist, bemängelt, dass die Kommunen nicht so entlastet worden seien wie versprochen. Vom Land müsse nicht nur für Kitas und Krippen mehr Geld kommen, sondern auch für Horte und Offene Ganztagsschule.

„Vorher hatte die SPD fast 30 Jahre den Bereich verantwortet und nichts gegen Fachkräftemangel und höchste Kita-Beiträge gemacht“, sagt Koch. Von Eltern komme kaum Kritik. Sie profitierten von kleineren Gruppen, spürbaren Beitragsentlastungen und mehr Wahlfreiheit. Gegenüber 2016 sei die Beschäftigtenzahl um 5000 gestiegen. Buchholz ergänzt, dass der Höchstsatz für Eltern vorher bei monatlich 800 Euro gelegen habe und jetzt bei 230. Und statt der rein schulischen Ausbildung, die zuvor selbst bezahlt werden musste, gebe es jetzt mehr Praxisorientierung und damit einen „Beruf mit Vergütung“.

Das sagen die Kandidaten zur Digitalisierung an Schulen

Die SPD will kostenlose Endgeräte für alle ab der achten Klasse. „Die Ausstattung ist flächendeckend nicht gut“, so Grothe. Für Rautenberg stellt sich die Lage je nach Engagement von Schule und Lehrern „sehr unterschiedlich“ dar. Die Linke will digitale Endgeräte schon für Erstklässler. „Noch immer haben nicht alle Lehrkräfte Arbeitslaptops“, so Mercan. Für Koch ist dagegen ein „Quantensprung“ gelungen: 90 Prozent der Schulen seien am Glasfasernetz, 65.000 Endgeräte an Schüler und 40.000 an Lehrer verteilt. Geld liege auch vom Bund bereit: „Es hapert bei der Umsetzung der Schulträger.“ Für alle Politiker muss mehr Wert auf die Schulung der Lehrer gelegt werden. Im Vergleich zu anderen Ländern gebe es „insgesamt extremen Nachholbedarf“, meint Buchholz.

Aufzeichnung des Livestreams auf der Facebook-Seite vom Hamburger Abendblatt

Zum Wahlkreis Stormarn-Mitte (WK 29) gehören die Stadt Ahrensburg, die Gemeinden Ammersbek und Großhansdorf sowie die Orte im Amt Siek (Braak, Brunsbek, Hoisdorf, Siek, Stapelfeld) und im Amt Trittau (Grande, Grönwohld, Großensee, Hamfelde, Hohenfelde, Köthel, Lütjensee, Rausdorf, Trittau, Witzhave).

Das Direktmandat gewann Tobias Koch (CDU) seit 2005 viermal in Folge. 2017 lag er mit 39,1 Prozent der Erststimmen vor Tobias von Pein (SPD, 34,4 %), Christian Schubbert-von Hobe (Grüne, 9,0 %) und Carsten Pieck (FDP, 7,6 %).

Sechs neue Kontrahenten fordern Koch diesmal heraus: Thies Grothe (SPD), Sabine Rautenberg (Grüne), Bernd Buchholz (FDP), Karen Obermüller (AfD), Ali Haydar Mercan (Linke), Thomas Kempe (Die Basis).

In Reinbek folgt die Podiumsdiskussion mit den Direktkandidaten im Wahlkreis Stormarn-Süd (WK 30) am Donnerstag, 21. April. Beginn ist um 20 Uhr in der Aula der Sachsenwaldschule (Schulstraße 19). Mit dabei sind die Landtagsabgeordneten Lukas Kilian (CDU) aus Wentorf und Martin Habersaat (SPD) aus Reinbek, Katharina Bartsch (Grüne) aus Wentorf, Volker Dahms (FDP) aus Reinbek und Thies Wilkening (Linke) aus Reinbek. AfD-Kandidatin Annette Walther hat abgesagt.

Zuschauer können die Debatte im Saal (bitte Masken auch am Platz tragen) oder im Livestream im Internet (www.abendblatt.de/stormarn) verfolgen.

Den Wahlkreis bilden Barsbüttel, Glinde, Oststeinbek und Reinbek. Das Direktmandat holte 2017 Lukas Kilian (41,2 %) vor Martin Habersaat (34,8 %).