Wohltorf. Grenzzaun in Wohltorf wurde vor Jahrzehnten falsch gezogen – und beschäftigt jetzt die Gerichte. Ehepaar ist mit Nerven am Ende.

Die Gegend an der Eichenallee in Wohltorf ist idyllisch. Einzelhäuser soweit das Auge reicht, dazu große Grundstücke und viel Grün. Heiko und Marlis Schäfer wollten hier entspannt ihren Ruhestand verbringen. Es ist ein Wunschgedanke. „Unsere Nachbarn machen uns das Leben zur Hölle“, sagt der 75-Jährige. Er habe deswegen Bluthochdruck und einen Tinnitus bekommen, seine Frau ob des Ärgers immer wieder Hautausschlag. Der bizarre Streit geht um eine Kastanie. Der Fall beschäftigt seit Jahren die Gerichte. Die Gegenseite strebt jetzt eine Zwangsvollstreckung zwecks Fällung an.

Rückblick: 1982 übernimmt Heiko Schäfer das Haus seiner Eltern, die einen Klempnerbetrieb geführt hatten. Er kaufte ihnen die Immobilie ab. Das rotgeklinkerte Gebäude hat 120 Quadratmeter samt Keller. Grundstücksgröße: rund 550 Quadratmeter. Den Zaun haben die Nachbarn, die nicht mit dem Namen genannt werden wollen, gezogen. Im Zuge einer Vermessung 2016 für den Bau einer Doppelhaushälfte kam laut Schäfer heraus, dass Zaun und Grenzstein nicht übereinstimmen. Soll heißen: Er nutzt Teile des Nachbargrundstücks, das falsch eingefriedet geworden war. Deren Eignerin habe ihn aber erst ein Jahr später nach dem Tod seiner Mutter darauf aufmerksam gemacht.

Die Schuppenmauer hat Heiko Schäfer schon abgestemmt.
Die Schuppenmauer hat Heiko Schäfer schon abgestemmt. © René Soukup

Der Streifen ist 31 Meter lang und misst an der breitesten Stelle 80 Zentimeter. Schäfer hatte zwischenzeitlich in dem Bereich einen Sichtschutz aus Holzpaneelen mit Efeu errichtet. „Weil bei uns zweimal eingebrochen wurde“, sagt seine Frau. Die Wand hat er abgebaut und einen Teil der Schuppenstützmauer abgestemmt, diese neu verputzt. Auch wurden Rasensteine weggenommen.

Beide Parteien schlossen einen Vergleich in einem Schlichtubfgsverfahren

Im November 2017 hatte die Nachbarin Schäfer in einem Schreiben mitgeteilt, dass sie mit der Inanspruchnahme ihres Grundstücks nicht einverstanden sei und forderte ihn zum Rückbau auf. Der Rentner wies die Ansprüche zurück. Im Mai 2018 schlossen beide Parteien dann einen Vergleich in einem Schlichtungsverfahren. In einem Dokument des Schiedsamtes Aumühle-Wohltorf heißt es, der Antragsgegner, also Schäfer, verpflichte sich, den Grundstücksanteil vollständig in nackter Erde auf der Fluchtlinie zwischen den vorhandenen Grenzsteinen zurückzubauen.

Heute sagt Schäfer, es sei ein Fehler gewesen, zu signieren. „Ich dachte aber, damit würden wir endlich unsere Ruhe haben.“ Der Ingenieur hat mehrere Ordner mit Schriftstücken der Anwälte, des Amtsgerichts Reinbek und des Landgerichts Lübeck. Darin befindet sich auch ein Foto von ihm, wie er kniend im Garten an der Grundstücksgrenze arbeitet. Es wurde vom Areal der Nachbarin aufgenommen. Deren Ehemann sagt: „Herr Schäfer hat am Grenzstein rumgefummelt und manipuliert. Mit diesem Mann ist nicht klarzukommen.“ Schäfers Vater habe von seinem Schwiegervater den Bereich nur leihweise kostenlos bekommen. „Wir haben es zurückgenommen.“

Nachbarin forderte nachträglich mehr als 6000 Euro Pacht

Wegen des Fotos schaltete Schäfer wiederum einen Anwalt ein. Das Amtsgericht Reinbek wies eine Verleumdungsklage jedoch ab. Der Rechtsstreit war aber noch lange nicht beendet. Die Nachbarin forderte unter anderem mehr als 6000 Euro als eine Art nachträgliche Pacht. Zudem ging es auch 2021 um die Entfernung des Baumes, dessen größerer Teil auf Schäfers Grund liegt. Im April vergangenen Jahres wurde die Klage der Nachbarin vor dem Lübecker Landgericht abgewiesen.

Der hintere Grenzstein ist wenige Zentimeter vom Zaun entfernt.
Der hintere Grenzstein ist wenige Zentimeter vom Zaun entfernt. © René Soukup

In der beglaubigten Abschrift heißt es unter der Überschrift Entscheidungsgründe: „Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrages zu 1. auf Beseitigung des Mauervorsprungs und des Baumes unzulässig.“ Und weiter: „Der Klägerin steht gegen den Beklagten jedoch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zahlungsanspruch wegen der Nutzung des streitbefangenen Grundstückteils zu.“ Die Grenzsteine seien nicht alle sichtbar gewesen. „Anhaltspunkte für ein bewusstes Überschreiten der Grundstücksgrenze durch den Beklagten sind ebenso wenig ersichtlich wie ein vorsätzliches Verlegen oder Entfernen von Grenzsteinen.“

Das Ehepaar wollt Wohltorf verlassen – und hat es sich jetzt anders überlegt

Heiko Schäfer hatte seinerzeit schon eine Vorahnung, dass es damit nicht getan ist und weiterer Ärger droht. Wie viele Stunden er schon vor dem Computer verbracht hat für Schreiben an die Gerichte, um seine Sicht der Dinge zu schildern, weiß er nicht. Es sei aber anstrengend, vor allem aber belastend, sich immer wieder mit dem Thema beschäftigen zu müssen.

Vor wenigen Wochen haben die Schäfers ein 20 Seiten umfassendes Dokument vom Amtsgericht Reinbek erhalten. Es geht um eine Zwangsvollstreckung. Der Anwalt der Nachbarin bezieht sich auf den Vergleich vor dem Schiedsamt und fordert die Entfernung des Baumes, den Schäfer Anfang dieses Jahres hat zurückschneiden lassen. Der Rentner weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass dieser nur im Fußbereich die Grenzlinie touchiere. Er verweist außerdem auf das Urteil des Landgerichts Lübeck. Die Zwangsvollstreckungssache habe demnach keine rechtliche Grundlage mehr und sei völlig unbegründet. Die Schäfers hatten mit den Gedanken gespielt, Wohltorf zu verlassen. „Jetzt bleiben wir aber hier. Wir haben Jahre für unser Zuhause gearbeitet. Das gibt man nicht so einfach auf“, sagt Marlis Schäfer.