Ahrensburg. CDU-Fraktionschef nimmt an einer Podiumsdiskussion mit Fachkräften und Elternvertretern am Donnerstag in Ahrensburg teil.

Mit ihrer Kritik an den Defiziten des Mitte 2021 in Kraft getretenen Kindertagesförderungsgesetzes der Kieler Jamaika-Koalition hat die Arbeiterwohlfahrt (Awo) eine lebhafte Debatte ausgelöst. Während insbesondere die CDU die Einwände relativierte und in Teilen sogar zurückwies, erlebte der Awo-Vorstoß aus den Reihen anderer Kita-Träger breite Unterstützung. Am Donnerstag, 10. Februar, kommt es nun ab 19 Uhr im Ahrensburger Peter-Rantzau-Haus (Manfred-Samusch-Straße 9) zu einer prominent besetzten Podiumsdiskussion, die nach vorheriger Anmeldung per Mail unter anmeldung@awo-stormarn.de per Livestream verfolgt werden kann.

Nach Ansicht der Awo, die im Kreis Stormarn 15 Kindertageseinrichtungen in sechs Kommunen betreibt, darunter in den Städten Ahrensburg, Bargteheide, Glinde, Reinbek und Reinfeld, habe sich insbesondere der vorgeschriebene Fachkräfteschlüssel als Riesenhandicap erwiesen, weil dadurch ein bedarfsorientierter Einsatz der Erzieher und Sozialpädagogischen Assistenten de facto unmöglich geworden sei. Verschärft werde das Problem noch durch den eklatanten Fachkräftemangel.

Angebote in Randzeiten sind gefährdet

„Bei Öffnungszeiten von zehn und mehr Stunden kann die gesetzlich fixierte Betreuung über den gesamten Tag oft nicht mehr sichergestellt werden“, so sagt Anette Schmitt, Geschäftsführerin der Awo Soziale Dienstleistungen. Vor allem Angebote in den sogenannten Randzeiten, zumeist vor 8 und nach 16 Uhr, seien gefährdet, die Beschneidung von Betreuungszeiten sowie die Zusammenlegung oder gar Schließung von Gruppen in vielen Einrichtungen längst unausweichlich.

Der Ahrensburger Tobias Koch, Chef der CDU-Landtagsfraktion, hatte der Awo daraufhin eine „gezielte Kampagne“ vorgeworfen, um mit falschen Behauptungen bewusst Stimmung gegen die Kita-Reform zu machen. Damit habe die Awo ihrem Ruf als SPD-Vorfeldorganisation „alle Ehre“ gemacht. „Ganz offensichtlich soll damit vom eigenen organisatorischen Unvermögen abgelenkt und die Wut der Eltern über Kita-Schließungen und schlechte Betreuungsqualitäten stattdessen auf die Politik geschoben werden“, so Koch wörtlich.

Finanzierung ist nicht kostendeckend

Rückendeckung erhielt die Awo unterdessen vom DRK-Kreisverband Stormarn. „Da gibt es viele Punkte beim Kita-Gesetz, die nachgebessert werden müssen, und zwar dringend“, sagt Vorstandsmitglied Sibylle Schulze.

Die Finanzierung in Regionen wie Stormarn als Hamburger Randgebiet sei mitnichten ausreichend kalkuliert. So würden deutlich höhere Kosten als in anderen Regionen Schleswig-Holsteins anfallen, etwa durch Mieten und Mehraufwendungen beim Personal durch die Einstellung von Erziehern anstelle Sozialpädagogischer Assistenten (SPA).

60 offene Stellenausschreibungen beim DRK

Wie überhaupt der Fachkräftemangel das mit Abstand größte Problem bei einer sinnvollen Umsetzung des Kita-Gesetzes sei. In den 29 Kindertageseinrichtungen, die das Deutsche Rote Kreuz gemeinsam mit der Kinder- und Jugendhilfe Nord betreibt, gebe es aktuell 60 offene Stellenausschreibungen und „besorgniserregend“ wenige Bewerbungen.

„Es gibt am Arbeitsmarkt keine Erzieher in ausreichender Zahl und die eingeplanten Sozialpädagogischen Assistenten sind erst recht nicht verfügbar“, so Schulze. Hier wäre eine Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive vonnöten gewesen, samt bezahlter dualer Erzieherausbildung und Dualem Studium Kindheitspädagogik.

Rechtsanspruch auf Kitaplatz verschärft die Lage

„Der Fachkräftemangel wurde deutlich unterschätzt“, sagt auch Carsten Höhn, Sprecher des Verbands Evangelischer Kindertageseinrichtungen (VEK) in Schleswig-Holstein. Es müsse nicht nur mehr Erziehernachwuchs ausgebildet werden, sondern auch die Verweildauer der Fachkräfte im Kita-System von derzeit vier bis fünf Jahren im Schnitt deutlich erhöht werden. Das sei schon allein wegen der demografischen Entwicklung dringend geboten. Ein Drittel aller pädagogischen Mitarbeiter bei Kirche und Diakonie sei über 50 Jahre alt.

Zudem steige der Fachkräftebedarf mit jedem Jahr. Vor fünf Jahren sind im Bereich des VEK noch 30 Prozent weniger Fachkräfte beschäftigt gewesen. „Massiv verschärft wird die Situation durch die erweiterten Rechtsansprüche auf eine Kita-Betreuung, die zu einer Schaffung von immer mehr Plätzen geführt hat, sowie kommende Ansprüche auf eine Ganztagsbetreuung an Grundschulen“, so Carsten Höhn.

Lebenshilfewerk sieht keine Verbesserungen

Gravierende Mängel an der Ausgestaltung des Kita-Gesetzes moniert zudem das Lebenshilfewerk Stormarn, das im Kreis zehn ausschließlich integrative Kindertagesstätten betreibt. „Durch das Gesetz haben sich in unseren Einrichtungen keinerlei Verbesserungen ergeben“, so das vernichtende Urteil von Geschäftsführerin Ursula Johann. Im Gegenteil: Für Eltern von Kindern mit Behinderung habe die Reform sogar zu einer massiven finanziellen Mehrbelastung geführt, weil sie nun in vollem Zeitumfang beitragspflichtig seien. Zudem habe sich der Beitrag für das Mittagessen erhöht. Andererseits sei es zu „erheblichen Kürzungen“ im Bereich der Personal- und Sachkostenbezüge gekommen, obwohl Verwaltungsaufwand und Dokumentationspflicht erheblich zugenommen hätten.

„Auf die dringende Notwendigkeit einer Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitssituation in Kitas wird schon seit Jahren hingewiesen. Anstatt einer Verbesserung erleben wir nun eine weitere Zuspitzung der Situation“, sagt Ursula Johann. Deshalb bedürfe es zwingend vor allem einer Reform der Ausbildung und deren Vergütung. Deren Attraktivität müsse rasch erhöht werden.