Reinbek. Im Gewerbegebiet treffen sich Mitarbeiter mehrerer Firmen in der Mittagspause zum Gassigehen. Vierbeiner sind in den Unternehmen beliebt.

Gleich ist es 12 Uhr. Mischlingshündin Mascha wird schon ungeduldig. Sie will raus, stößt mit ihrer Nase gegen das Schienbein ihres Herrchens Christoph Schrapers. Der 27-Jährige ist Teamleiter Technik bei der Baugenossenschaft Sachsenwald. Kurz darauf stürmen auch die Vierbeiner seiner Kolleginnen Patricia Scholz und Patrizia Hansen in den Raum, wedeln in freudiger Erwartung mit ihren Schwänzen. Vor dem Gebäude warten bereits Mitarbeiter anderer Firmen, die ihre Tiere ebenfalls mit zur Arbeit nehmen. Es ist ein fester Termin, den die Halter ausgemacht haben – jeden Tag. Dann trifft sich die Reinbeker Bürohunde-Runde aus dem Gewerbegebiet zum Gassigehen. Bis zu zehn Personen sind am Start.

Heute sind es nur sechs. Es ist Urlaubszeit. Katharina Schlapkol (37) von der Spedition Bode hat ihre beiden französischen Bulldoggen dabei. „Eben noch lagen sie bei einem Kollegen unterm Tisch“, sagt die Dassendorferin. Wie alle anderen hat sie einen Kotbeutel dabei. Doch soweit sind die Hunde noch nicht, sie toben miteinander und genießen den Auslauf im Grünen. Schrapers und Scholz sind Initiatoren der illustren Runde, die seit Anfang dieses Jahres unterwegs ist und sich nicht als geschlossener Kreis versteht. „Es gibt noch viele Angestellte in diesem Bereich mit Hunden, die uns über den Weg laufen“, sagt Scholz. Ein Wachsen der Gruppe sei deshalb denkbar.

Die 26-Jährige ist kaufmännische Teamleiterin bei der Baugenossenschaft und war im Unternehmen die erste Mitarbeiterin mit einem Bürohund. Zum Test hatte sie den Dackel eines Nachbarn mitgebracht, um zu schauen, wie die Kollegen damit umgehen. „Dann war das Eis gebrochen.“ Der Vorstand habe positiv reagiert. Inzwischen ist ihr 20 Monate alter Mischling Pippa jeden Tag mit im Büro. Und zwar nicht nur in ihrem, sondern auch in Räumen der anderen Angestellten.

Hunde bereichern das Team

„Die Hunde bereichern das Team und sorgen für eine noch bessere Atmosphäre. Jeder ist glücklich, wenn er ein Tier streichelt. Das wirkt alles sehr beruhigend“, sagt Schrapers. Der junge Mann ist mit seinem Vierbeiner nahezu 24 Stunden am Tag zusammen, nur bei einigen Kundenterminen lässt er ihn zurück im Büro. Dann macht es sich Mascha auf ihrem Liegeplatz unter dem Schreibtisch gemütlich – oder besucht Kollegen. Zum Beispiel die Vorstandsmitglieder Dirk Reiche und Stefan Ellendt. Und das nicht selten. Der Grund: Die Chefs haben in ihren Schubladen einen Vorrat an Leckerlis.

Die Baugenossenschaft Sachsenwald ist inzwischen Mitglied im Bundesverband Bürohund. Die Organisation listet Arbeitgeber, die Tiere willkommen heißen – und jeder Interessierte hat Einblick in die Dokumente. Das Unternehmen verspricht sich dadurch Vorteile im Wettbewerb um Fachkräfte.

Bei Christoph Schrapers hat das funktioniert. Er wechselte im Januar nach Reinbek. Das Gehalt spielte zwar auch eine Rolle, hatte aber nicht oberste Priorität. Er sagt: „Bedingung für meine Zusage war unter anderem, dass ich Mascha jeden Tag mitbringen kann.“ Der Kieler lebt mit seinem Partner in der Landeshauptstadt, allerdings verbringen sie gemeinsame Zeit nur am Wochenende. Er verzichtet auf die Pendelei und ist von Montag bis Freitag in einer kleinen Wohnung der Genossenschaft untergebracht. Schrapers sieht Mascha damit öfter als seinen Freund.

Stimmung im Unternehmen wird besser

„Meinen Hund habe ich vor fünf Jahren aus einer Tötungsstation in Lissabon geholt“, sagt der junge Mann. Das ging alles über das Internet. Die Vierbeiner von Schrapers und Scholz sind genauso kinderlieb wie jener ihrer Kollegin Patrizia Hansen. Golden Retriever Muffin wirkt im Kreis der Reinbeker Bürohunde-Runde wie das Oberhaupt. Das 13 Jahre alte Tier hält sich aus der Toberei weitestgehend heraus und macht mehr auf Beobachter. „Freunde von mir haben ein behindertes Kind. Das hat mit dem Finger in Muffins Nase gebohrt, da ist der Hund einfach weggelaufen“, sagt Hansen und beschreibt damit den gutmütigen Charakter ihres Lieblings. Zuhause passt Muffin auf zwei Katzen auf. „Wenn ich die drei spielen sehe, brauche ich kein Fernsehen. Das ist Harmonie pur“, sagt die 51-Jährige.

Ein bisschen wilder ist Jonny. Der Elo verschafft sich durch das Bellen ein ums andere Mal Gehör. Sein Halter Roland Vierck (55) ist beim Softwarespezialisten Seak beschäftigt und sagt über das Zusammenspiel von Mensch und Tier in dem Unternehmen: „Alle sind zugänglich zu den Hunden, durch deren Anwesenheit ist die Stimmung besser.“ Er halte die Mitnahme von seinem Elo zum Dienst nicht für eine Selbstverständlichkeit und wisse das als Privileg zu schätzen. Sein Kollege David Mevius (41) hat eine französische Bulldogge und besucht mit ihr eine Hundeschule. „Wegen des Jagdtriebs. Dort lernt sie Gehorsam.“

Baugenossenschaft hat jetzt einen kleinen Hundepool

Einige Teilnehmer der Gassi-Runde berichten, dass ihre Vierbeiner beim Start ins Büroleben in die Räume gepinkelt haben. Womöglich vor Aufregung. Inzwischen sind alle stubenrein. „Außerdem ist es für Hunde kein Problem, auch mal fünf oder sechs Stunden auszuhalten“, sagt Patricia Scholz. Das müssten zum Beispiel jene schaffen, die ihr Herrchen nicht zur Arbeit begleiten dürften und allein in der Wohnung blieben.

Bei der Baugenossenschaft beteiligen sich auch der Auszubildende und die Werksstudentin an den Spaziergängen mit den Vierbeinern. „Wir möchten die Kollegen mobilisieren“, so Scholz. Als Halterin sei sie gezwungen, sich zu bewegen. „Dadurch haben wir nach der Mahlzeit auch kein Mittagstief.“

Die Vierbeiner werden auch immer mehr in Bildungseinrichtungen eingesetzt. Dabei verbringen Schulhunde, die speziell auf Eignung getestet und ausgebildet wurden, eine gewisse Zeit im Unterricht. Zielsetzung ist die Verbesserung des Klassenklimas sowie die Stärkung der sozialen Kompetenz von Jungen und Mädchen. Dass das Streicheln eines Hundes gut gegen Stress ist, haben Wissenschaftler in Langzeitstudien herausgefunden. Außerdem stärkt es das Immunsystem und hebt allgemein die Stimmung. Dafür verantwortlich sind Endorphine, also Glückshormone, die bei der Berührung von Tieren ausgeschüttet werden.

Bei der Baugenossenschaft Sachsenwald soll es den Vierbeinern an nichts fehlen. In Erwartung von heißen Temperaturen haben Schrapers und Scholz eine Bademuschel besorgt, die auf dem Außengelände platziert ist. Bisher haben Mascha, Pippa und Muffin davon aber wenig Gebrauch gemacht.

Bundesverband Bürohund mit Sitz in Berlin hat 1500 Mitglieder

Der Bundesverband Bürohund mit Sitz in Berlin ist eine Interessengemeinschaft, die den Anstieg von psychischen Erkrankungen und Burnout im Arbeitsleben mithilfe der Eingliederung von Vierbeinern im Büro entgegenwirken will. Er hat rund 1500 Mitglieder, sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen. Der Verein wird von drei Ehrenamtlern geführt, bis zu acht externe Berater helfen beim Erledigen der Aufgaben.

Dazu gehört unter anderem die Beratung von Firmen, wie sie Hunde integrieren und Mitarbeitern die Angst vor Tieren nehmen. Der Verband bietet auch spezielle Schulungen vor Ort an. Hunde von Haltern, die im Verband organisiert sind, bekommen ein blaues Halstuch mit weißem Aufdruck sowie einen sogenannten Bürohund-Mitarbeiterausweis. Der Verein bietet seinen Mitgliedsunternehmen auch die Möglichkeit, auf der Internetseite Stellenangebote zu veröffentlichen.

Laut dem Verband sind hundefreundliche Firmen „in“ und lassen „bereits von außen betrachtet eine bestimmte positive Geisteshaltung in der Unternehmensphilosophie erkennen“. Er verweist dabei stets auf ein stimmiges Betriebsklima und sieht durch die Imageverbesserung einen Vorteil bei der Mitarbeitergewinnung gegenüber Betrieben ohne einen Bürohund.