Glinde. Politiker sind begeistert von Mobilitätskonzept mit Car-Sharing. Baugenossenschaft plant 149 neue Wohnungen am Buchenweg in Glinde.

Dirk Reiche arbeitet seit 19 Jahren für die Baugenossenschaft Sachsenwald, 2016 folgte der Karrieresprung mit dem Aufstieg in den Vorstand. In dieser Funktion hat er Dutzende Vorträge gehalten. Der Auftritt im jüngsten Glinder Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz dürfte wohl einer seiner besten gewesen sein. Kurz, präzise das Zahlenwerk erklärend und voller Leidenschaft: In der Schule hätte es dafür gewiss die Note eins mit Sternchen gegeben. Die Politiker waren jedenfalls begeistert von der Präsentation des Mobilitätskonzepts für das Quartier Buchenweg im Stadtteil Wiesenfeld, von allen Parteien gab es reichlich lobende Worte. Reiche nahm aber mehr mit als diese Anerkennung. Der Entwurfs- und Auslegungsbeschluss für den Bebauungsplan wurde anschließend einstimmig gefasst. Es ist nicht davon auszugehen, dass das geschätzt 40 Millionen Euro teure Projekt noch scheitert.

„Endlich mal ein Bauprojekt, wo man in die Zukunft denkt“, sagte Peter Michael Geierhaas (SPD). So viel Innovation wünsche er sich auch bei anderen Sachen. Der Sozialdemokrat ist bekannt für seine Akribie beim Durchleuchten von Unterlagen, hinterfragt nicht selten das vorgelegte Datenmaterial. Diesmal hatte er nichts zu kritisieren. Binnen rund zehn Jahren will die Baugenossenschaft mit Sitz in Reinbek ihre fünf Mehrfamilienhäuser mit 52 Einheiten an dem Standort abreißen und ersetzen. In mehreren Abschnitten sollen schließlich sieben Gebäude mit 149 Wohnungen erstellt werden. Die Zahl der Bewohner im Quartier von jetzt 100 verdreifacht sich. Bei dem Vorhaben wurde vor allem der Klimaschutz mitgedacht.

Diese Visualisierung zeigt die Anordnung der Mietshäuser. Das Areal ist rund 1,3 Hektar groß.
Diese Visualisierung zeigt die Anordnung der Mietshäuser. Das Areal ist rund 1,3 Hektar groß. © Baugenossenschaft Sachsenwald

Eine Säule ist dabei das Carsharing. „Ziel ist es, dass sich unsere Mieter gar kein neues Auto mehr kaufen“, sagt Reiche. Er und sein Vorstandskollege Stefan Ellendt haben entschieden, zu Beginn fünf Fahrzeuge anzuschaffen. Bei Bedarf wird die Flotte ausgebaut. Der Start ist mit drei Elektroautos und zwei mit Verbrennungsmotor geplant. Das Verhältnis soll sich langfristig weiter zugunsten der Batterie-Variante verschieben. In die Wohnungsmiete ist eine Pauschale für die Leih-Fahrzeuge eingespeist. Das soll die Menschen animieren, vom Angebot auch Gebrauch zu machen.

37 Pkw-Stellplätze in Erdgeschoss von Häusern

Der Verleih wird über einen Dienstleister geregelt. Die Genossenschaft ist in Gesprächen mit den Unternehmen „mikar“ und „cambio“. Fest steht bereits, dass das E-Werk Sachsenwald die Stromtankstellen installiert. Bürgermeister Rainhard Zug regte einen Zuschuss der Stadt für den Pkw-Erwerb in Höhe von 20.000 bis 30.000 Euro an. Diese Art der Unterstützung wird im städtebaulichen Vertrag verankert. „Selten haben sich Unternehmen so sehr mit einem Mobilitätskonzept beschäftigt. Das ist herausragend“, sagte der Verwaltungschef.

Dirk Reiche ist seit 2016 Vorstand der Baugenossenschaft Sachsenwald. Er bildet mit Stefan Ellendt eine Doppelspitze.
Dirk Reiche ist seit 2016 Vorstand der Baugenossenschaft Sachsenwald. Er bildet mit Stefan Ellendt eine Doppelspitze. © René Soukup

Angestrebt ist zudem eine Kooperation mit dem Lastenrad-Sharing-Anbieter „sigo“. Auch hier kann sich Reiche vorstellen, die Geräte selbst zu kaufen, „damit die Bewohner einen besseren Preis bekommen“. Die Vorstände haben sich bei der Erstellung des Konzepts mit Glindes Klimaschutzmanagerin Lisa Schill abgestimmt. Reiche sagt: „Wir haben uns Monate lang den Kopf darüber zerbrochen, wie wir es am besten machen.“ Das hat sich gelohnt, denn stimmig ist die Sache in vielerlei Hinsicht, etwa beim Thema Flächenversiegelung. Asphaltierte Pkw-Stellplätze für die Privatautos der Mieter vor den Häusern gibt es nicht. Lediglich die fünf Sharing-Fahrzeuge stehen im Außenbereich. 37 Parkplätze sind im Erdgeschoss von zwei Häusern zu finden, zu einem späteren Zeitpunkt könnten sie durch Wohnungen ersetzt werden. Bis zu 13 sind laut Reiche möglich. In einer Tiefgarage ist Platz für 60 Autos, mit ihr sind vier Gebäude direkt verbunden.

Sanierung der Bestandsgebäude lohnt sich nicht mehr

Auf dem rund 1,3 Hektar großen Grundstück sollen die Außenanlagen ansprechend gestaltet werden mit viel Grün, pro 400 Quadratmeter ist die Anpflanzung eines Laubbaums vorgesehen. In den sieben Häusern, das höchste hat vier Geschosse plus Staffelgeschoss, befinden sich Eineinhalb- bis Viereinhalb-Zimmerwohnungen. 30 Prozent der Bleiben sind öffentlich gefördert. Die Bestandsgebäude auf dem Areal wurden in den 50er- und 60er-Jahren gebaut, sind nicht mehr zeitgemäß. Eine Sanierung macht für Reiche und Ellendt aus wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn.

Sie wollen mit dem ersten Bauabschnitt 2022 beginnen. Mieter der jetzigen Wohnungen können in andere Immobilien der Baugenossenschaft in Glinde und Reinbek umziehen, dort bleiben oder zurückkehren nach der Fertigstellung. Für sie werden gekündigte Objekte nicht wieder vergeben. Reiche formuliert es so: „Wir nehmen Leerstand in Kauf, brennen einfach für dieses Projekt.“