Oststeinbek. Nach Entschärfung von 250-Kilo-Bombe in Oststeinbek wird das Areal nicht weiter untersucht. Doch könnten dort weitere Bomben liegen?

Manch ein Oststeinbeker mag sich die Frage gestellt haben, ob es die einzige Fliegerbombe war, die im Zweiten Weltkrieg auf einem Feld an der Straße Heidstücken unweit des Hofes Posewang niederging, nicht detonierte und Jahrzehnte unentdeckt blieb. Der 250 Kilogramm schwere Blindgänger wurde vergangene Woche ausfindig gemacht, vom Kampfmittelräumdienst am Freitag entschärft. Mehr als 5000 Menschen aus der Gemeinde sowie dem benachbarten Glinde, die in einem 1000-Meter-Radius um den Fundort leben, mussten für mehrere Stunden ihre Häuser und Wohnungen verlassen.

Oststeinbeks Bürgermeister Jürgen Hettwer hat sich auch Gedanken gemacht und weitere Prüfungen auf dem Gebiet ins Spiel gebracht. Das Ergebnis des Gesprächs mit den Entschärfern fasst er so zusammen: „Auf Suche zu gehen, scheint erfolglos zu sein.“ Er würde bei diesem Thema alles in Richtung Vorsorge ausrichten. „Wir werden uns trotzdem noch einmal fachkundigen Rat einholen“, so der Verwaltungschef.

Hobby-Metallsucher machten Koloss mit Sonden ausfindig

Dass ausgerechnet auf diesem Acker, der an die Möllner Landstraße grenzt, eine Bombe abgeworfen wurde, ist kein Zufall. In dem Bereich waren früher Wehrmachtsbaracken positioniert, auf der anderen Straßenseite befand sich eine Suchscheinwerferstellung. Sie leuchtete den Himmel für Flugabwehrkanonen aus. Diese standen in Glinde, Barsbüttel sowie Hamburg-Boberg. Zudem ist ein fahrbares Geschütz auf einem Eisenbahn-Waggon zwischen Glinde und Havighorst stationiert gewesen. Ziel all dieser Stellungen ist laut dem früheren Oststeinbeker Gemeindearchivar Karlheinz Schmidt der Schutz des Kurbelwellenwerks in Glinde gewesen. Das Unternehmen, das zum Krupp-Konzern gehörte, beschäftigte zeitweilig mehr als 6000 Menschen, die Hälfte davon waren Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene vor allem aus Osteuropa. Hergestellt wurden Teile für Panzer und Flugzeuge im Auftrag der Wehrmacht.

Aus diesen Teilen setzte sich der Zünder zusammen. Die Bombe wird zerkleinert und verbrannt.
Aus diesen Teilen setzte sich der Zünder zusammen. Die Bombe wird zerkleinert und verbrannt. © Unbekannt | René Soukup

Landwirt Timo Posewang hat Kenntnisse über die Vergangenheit erlangt aus Gesprächen mit seinem Großvater. Er stößt selbst noch gelegentlich auf Granatsplitter in seinem Acker. Der 42-Jährige sagt: „Ich habe mit dem Kartoffelroder so einiges eingesammelt.“ Weitere Fliegerbomben im Umfeld seines Betriebs vermutet er nicht. „Auf dem Feld ist jeder Quadratmeter mit der Sonde abgelaufen. Und auf der anderen Seite des Hofes war früher eine Kiesgrube, da hätte man sonst in den 60er-Jahren schon etwas finden müssen.“

Den 250-Kilo-Koloss hatten zwei Hobby-Metallsucher aus Glinde mithilfe von Sonden ausfindig gemacht. Die Erlaubnis, sich auf den Feldern zu bewegen, hat ihnen Posewang erteilt. Der Oststeinbeker kann sich glücklich schätzen, noch bei bester Gesundheit zu sein. Der Blindgänger lag 20 Zentimeter tief in der Erde und damit nur zwei Zentimeter unter der Pflugsohle, jener Schicht, bis zu der Bauern den Boden mit ihren Geräten bearbeiten.

Posewangs Einschätzung, dass es wohl der einzige Blindgänger rund um seinen Hof gewesen ist, teilt auch Mark Wernicke vom Kampfmittelräumdienst in Kiel. Der 40 Jahre alte Kriminalhauptkommissar ist seit 2012 in der Abteilung und zuständig für die Steuerung von Großprojekten an Land und zu Wasser. Die Bombe in Oststeinbek hat er mit einem Kollegen entschärft binnen rund einer Stunde. Er sagt: „Wir vermuten einen Einzelabwurf von einem kleinen Flieger aus geringer Höhe. Dafür spricht die Tiefenlage des Objekts im Boden.“

Sein Wissen über die Menge von abgeworfenen Bomben bezieht er unter anderem aus Kriegsluftbildern der Alliierten. Sie wurden vor und nach Angriffen mit spezieller Fototechnik gemacht. „Wir haben nicht von allen Gemeinden komplettes Material über die Angriffsschwerpunkte der Jahre von 1939 bis 1945. Aber unsere historischen Daten wachsen weiter“, so Wernicke.

In Bad Oldesloe wurden im Juli fünf Bomben entschärft

Für Oststeinbek gilt es noch, einiges zu eruieren. Allerdings bezieht sich das auf den Süden der Gemeinde. Dort hat es laut dem Polizisten womöglich Flächenbombardements gegeben. Diesen Schluss ließen zumindest Hinweise zu. Weitere Blindgänger in der Gemeinde sind demnach denkbar.

Die Alliierten warfen im Zweiten Weltkrieg Millionen von Bomben und Granaten über Deutschland ab, zehn bis 15 Prozent detonierten nicht, stecken unentdeckt in der Erde oder liegen auf dem Grund von Gewässern. Allein 45.000 Tonnen Bomben werden in Schleswig-Holstein vermutet. So gibt es auch in Stormarn immer wieder Funde, zum Beispiel in Bad Oldesloe. In der Kreisstadt wurden im Juli dieses Jahres im Abstand von zwei Wochen gleich fünf Exemplare entschärft, darunter ein zehn Zentner schweres Teil, die Hälfte davon Sprengstoff, an der Grabauer Straße. Der Blindgänger lag im Garten eines Mehrfamilienhauses. In Glinde erinnert man sich noch an den September 2019. Auch bei dieser Entschärfung auf einem Gewerbeareal an der Straße Beim Zeugamt ging alles gut. Rund 7800 Menschen hatten vorübergehend keinen Zutritt zu ihren Bleiben.

Der organisatorische Aufwand bei solchen Aktionen samt Evakuierung und Straßensperrungen ist groß. In Oststeinbek waren 250 Personen von Polizei, Feuerwehr, Technischem Hilfswerk (THW), Katastrophenschutz des Kreises, Rettungsdienst, des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB) und Deutschen Roten Kreuzes (DRK) sowie aus den Rathäusern im Einsatz.