Glinde. TSV Glinde muss Sportstätten modernisieren, hat aber zu wenig Geld. Alternativ steht ein Umzug im Raum, finanziert von einem Investor.
Am vergangenen Donnerstag hatte Joachim Lehmann, hauptamtlicher Vorstandsvorsitzender des TSV Glinde, einen Termin mit Fraktionsmitgliedern von CDU, SPD und Grünen. Am Montag war dann die FDP geladen. Inhalt der Gespräche: die Zukunft des Sportvereins. Wie berichtet, möchte der rund 200 Meter in Richtung Norden umsiedeln. Auf dem jetzigen TSV-Gelände beabsichtigt die Erste Gut Glinde GmbH & Co KG den Bau von bis zu 600 Wohnungen, will dafür eigenen Grund mit der Stadt tauschen und dem Sportverein die neue Anlage finanzieren. Ob die Politik das erlaubt, ist unklar. Ansonsten müsste der Verein in bestehende Gebäude und Plätze mittelfristig eine siebenstellige Summe investieren und erweitern. Das Problem dabei: Über die finanziellen Mittel verfügt er nicht, außerdem existiert kein Bebauungsplan. Ein Neubau des Umkleidetraktes mit Geschossaufstockung ist damit ausgeschlossen. Es war ein Hilferuf von Lehmann und seinen Mitstreitern an die Entscheidungsträger.
Auf Areal für neue Anlage war früher eine Kiesgrube
Der 63-Jährige sagt: „Wir brauchen Planungssicherheit, unabhängig davon, in welche Richtung es sich bewegt.“ Seine bevorzugte Variante ist klar: ein Deal zwischen Stadt, Entwicklungsgesellschaft und TSV. Glinde ist Eigentümer des Vereinsgrundstücks, der Erbbaurechtsvertrag hat eine Laufzeit bis 2081. Der Investor möchte vier Hektar haben, würde dafür 4,5 Hektar in unmittelbarer Nähe abgeben für die neue Sportstätte. Sie umfasst zwei große und einen kleinen Kunstrasenplatz, zehn Tenniscourts, zwei Kleinfelder und zwei Beachvolleyballplätze. Hinzu kommt ein zweigeschossiger Bau als Ersatz für das alte Sportlerheim beim Tennisclub. Das Parkplatzproblem wäre auch aus der Welt. Laut Lehmann fehlen derzeit rund 70 Abstellmöglichkeiten für Autos.
Auf dem dafür vorgesehenen Areal war allerdings früher eine Kiesgrube, die auch mit Bauschutt verfüllt wurde. Es kam zum Entwichen von Methan. Ohne den Nachweis, dass dort keine Gesundheitsgefahr besteht, wird sich die Politik nicht bewegen. Die Entwicklungsgesellschaft hat deswegen ein Bodengutachten vom Sachverständigenbüro Dr. Skowronek anfertigen lassen, einen hohen fünfstelligen Betrag gezahlt. Laut dem Experten liegt kein relevantes Gasbildungspotenzial mehr vor.
Glinde lässt Gutachten überprüfen
Der Kreis muss dem Projekt als zuständige Behörde zustimmen. Der Fachdienst für Abfall, Boden und Grundwasserschutz hat die Untersuchungsergebnisse gelesen, beurteilt die Sache positiv. Glinde will jedoch auf Nummer sicher gehen, ließ das Gutachten von einem eigens beauftragten Fachmann prüfen. Das Schriftstück liegt der Verwaltung seit zwei Monaten vor, Kenntnis über den Inhalt haben weder der Sportverein noch die Politiker. Darüber sind alle verwundert. Rainer Neumann, CDU-Fraktionschef und Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt und Klimaschutz, hat jetzt Bürgermeister Rainhard Zug in einer E-Mail aufgefordert, die Ergebnisse im Gremium zu präsentieren. Dieser Schritt ist mit anderen Fraktionen abgestimmt.
Der Glinder Verwaltungschef sagte dieser Redaktion, er könne noch keinen Zeitpunkt für die Vorstellung nennen. „Es gibt noch Fragestellungen, die nicht geklärt sind“, so Zug. Der Sachverständige sei diesbezüglich noch in Kontakt mit der Kreisbehörde. „Hier gilt der Grundsatz, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht.“
Christdemokrat Neumann befürwortet einen Vereinsumzug, sollte das Erstgutachten bestätigt werden. Er sagt: „Das ist die Ideallösung, wäre für den TSV wie ein Sechser im Lotto.“ Die Parkplatzsituation auf dem Vereinsgelände bezeichnet er als „unmöglich“. Außerdem befürchtet der Politiker folgendes Szenario: „Bei den nächsten größeren Projekten wird sich der Verein sicherlich an die Stadt wenden.“ An die Kommune hat der TSV ohnehin noch 200.000 Euro zu zahlen. Außerdem drücken ihn Schulden in Höhe von 900.000 Euro, weil er sich vor mehr als 20 Jahren mit einem Hotel samt Tanzsporhalle übernommen hatte, kurz vor der Pleite stand. Die Immobilie wurde verkauft. Erst 2030 ist alles abgestottert.
Sportverein hat 2540 Mitglieder
Bis dahin müsste auf dem jetzigen Areal einiges gemacht werden, um fit für die Zukunft zu sein – natürlich nur im Fall eines gescheiterten Umzugs. Dazu zählen der Austausch des Kunstrasenbelags für rund 200.000 Euro, Arbeiten am Rasenplatz für 300.000 Euro inklusive neuer Drainage und die Schaffung weiterer Außentennisplätze. Wesentlich teuer ist es, den Kabinen- und Sanitäranlagentrakt bei den Tenniscourts optimal zu gestalten.
Fußball-Abteilungsleiter Frank Gabbert berichtet von zehn Quadratmeter großen Kabinen, in die sich eine Mannschaft mit 15 Akteuren quetscht und unterstreicht damit den Handlungsbedarf. Seine Sparte ist die größte im Verein. Ihr gehören 500 Personen an. Damit ist man nahezu auf Vor-Corona-Niveau, nachdem die Zahl zwischenzeitlich auf 440 abgesackt war. Der TSV zählt 2540 Mitglieder, wovon 1500 Kinder und Jugendliche sind.
Die Grünen stehen dem TSV-Wunsch nach einer Verlagerung zwar offen gegenüber, sind aber skeptisch, ob das ausgesuchte Gelände geeignet ist. Der Fraktionsvorsitzenden Petra Grüner reicht das Gutachten samt Kontrolle durch einen Experten nicht. Sie sagt: „Wir sind der Meinung, dass die Stadt ein eigenes, unabhängiges Gutachten mit Bodenuntersuchungen in Auftrag geben muss.“ Das TSV-Hauptgebäude mit Büro, Spiegelsaal und Restaurant bleibt übrigens auf jeden Fall bestehen.