Glinde/Grosshansdorf. Sämtliche Vereine im Kreis führen jetzt Wartelisten. Die Nachfrage ist mit der Corona-Pandemie stark gestiegen.
In der Stimme von Peter Witt schwingt Erstaunen mit. „So einen Ansturm habe ich in all den Jahren noch nicht erlebt“, sagt der Mann, der seit mittlerweile 22 Jahren Vorsitzender des Kleingärtnervereins Glinde in seiner Heimatstadt ist. Über viele Jahre galt die Parzelle mit Gartenlaube als spießig, hatte den Ruf, ein Zeitvertreib für Rentner zu sein. Die Nachfrage war mäßig.
Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich das drastisch geändert. „Die Zahl der Interessenten, die einen Garten haben möchten, ist nahezu explodiert“, sagt Witt. Und der Kleingärtnerverein Glinde ist nicht der einzige, der von Anfragen überhäuft wird.
Immer mehr junge Familien mit Kindern haben Interesse
Lockdown, Homeoffice, Distanzunterricht und Reisebeschränkungen haben dazu geführt, dass ein Großteil der Menschen gezwungen war und ist, viel mehr Zeit zu Hause zu verbringen. Entsprechend groß ist das Bedürfnis vieler Stormarner nach einem Tapetenwechsel. Und das bekommen die Kleingartenvereine zu spüren.
„Es sind vor allem junge Familien mit Kindern, die zu uns kommen“, sagt Jens Carstens, Vorsitzender des Kreisverbands Stormarn der Kleingärtner. Die meisten Interessenten lebten in einer Wohnung ohne Garten oder Balkon. „Zu Pandemiezeiten ist es da natürlich ein Segen, einen Kleingarten zu haben, in dem die Kinder sich auch mal bewegen können“, sagt Carstens. Er genießt seine Parzelle seit mehr als 30 Jahren und ist auch Vorsitzender des Vereins in Reinbek-Schönningstedt.
Früher gab es immer wieder Leerstände
Doch zeitnah erfüllen können die Vereine den Wunsch nach einem Garten in den meisten Fällen nicht. „Früher gab es immer Leerstände, wenn auch nicht in großem Ausmaß“, sagt Carstens. „Seit Corona gibt es das nicht mehr.“
Einzig an der Pandemie möchte der Kreisvorsitzende das Wiederentdecken des Schrebergartens auch nicht festmachen. „Wir beobachten schon seit einigen Jahren den Trend, dass wir gerade für junge Leute wieder interessant werden“, sagt Carstens. Der Reinbeker sieht einen Grund dafür, dass das ökologische Bewusstsein angesichts aktueller Klimadebatten rund um Selbstversorgung und Urban Gardening insgesamt an Relevanz gewonnen habe. Carstens: „Aber die Pandemie hat zweifelsohne zu einem nie dagewesenen Run geführt.“ Zurzeit gebe es keine einzige freie Parzelle in Stormarn. Alle Vereine im Kreis führten inzwischen Wartelisten.
In Glinde gibt es momentan wöchentlich neue Anfragen
Auch Peter Witt muss die Interessenten vertrösten. „Aktuell erhalten wir wöchentlich neue Anfragen“, sagt er.„Normalerweise konnten alle in angemessener Zeit einen Garten bei uns bekommen“, so der Vorsitzende des Kleingärtnervereins Glinde. „Aber bislang hatten wir auch eine Wartelisten mit fünf bis zehn Personen, jetzt sind es mehr als 50.“ Im Schnitt würden pro Jahr sechs Parzellen neu verpachtet, bei einer durchschnittlichen Pachtdauer von 20 Jahren. „Da können Sie sich ja ausrechnen, dass ein großer Teil der Personen auf der Liste jahrelang auf seinen Garten wird warten müssen“, so Witt. Im Mittel müssen sich Interessenten in Glinde derzeit rund sieben Jahre gedulden – und das, obwohl der Verein mit 126 Parzellen der zweitgrößte in Stormarn ist.
Im Kleingärtnerverein Großhansdorf ist die Lage ähnlich. „Bis zum vergangenen Jahr gab es keine Warteliste“, sagt der Vorsitzende Arnold Martini. Jetzt stehen zwölf Namen drauf. „Leider bedeutet das, dass wir nicht alle Wünsche nach einem Garten sofort erfüllen können.“ Mit 51 Parzellen und 80 Mitgliedern gehört der Verein in der Waldgemeinde zu den kleineren im Kreis.
Großhansdorf hat Tischkicker und Billard angeschafft
Für den Vorsitzenden hat der Andrang einen positiven Nebeneffekt. „Der Altersschnitt der Pächter ist in kurzer Zeit rapide gefallen“, sagt Martini. Unter den Neumitgliedern seien viele Familien mit Kindern. „Das bringt frischen Wind“, meint Arnold Martini. Der Verein habe sich bereits auf die jungen Neuen eingestellt. „Wir haben zum Beispiel einen Tischkicker, eine Tischtennisplatte und einen Billardtisch für das Vereinshaus angeschafft“, erzählt Martini.
Zu den Glücklichen, die noch vor der Pandemie einen Garten bekommen haben, zählt Manuela Käßler. Die 46-Jährige hat die Parzelle vor zwei Jahren mit ihren beiden Kindern (acht und 15) übernommen. „Wir haben eine Wohnung ohne Garten“, sagt die Großhansdorferin, „da war ich während des Lockdowns so dankbar, dass die Kinder hier auch mal raus konnten.“ Sie selbst habe den Anbau von Obst und Gemüse für sich entdeckt. Tomaten, Kartoffeln, Bohnen, Erdbeeren, Möhren, Zwiebeln und Kohlrabi gedeihen inzwischen im Garten der Familie. „Es schmeckt, und ich weiß, was ich esse“, sagt Käßler.
Es kann sich lohnen, immer mal nachzufragen
Wer mit dem Gedanken spielt, sich einen Kleingarten zuzulegen und sich noch nirgendwo hat registrieren lassen, benötigt viel Geduld. „Wir hoffen, dass die Wartezeit die Leute nicht abschreckt“, sagt der Kreisvorsitzende Jens Carstens.
Ob die Nachfrage nach dem Ende der Pandemie wieder abflauen wird, darüber mag er keine Prognose abgeben. „Derzeit ist das Einzige, was man tun kann, sich auf eine Warteliste setzen zu lassen und auch gern immer mal wieder nachzufragen“, sagt der Reinbeker. „Und hoffen, dass bald etwas frei wird.“
Ahrensburg ist mit 188 Parzellen am größten
In Schleswig-Holstein gibt es laut Landesverband der Gartenfreunde mehr als 30.000 Kleingärten, davon 2000 in Stormarn. Verpachtet werden sie von 17 Vereinen, die im Kreisverband der Kleingärtner organisiert sind: Ahrensburg, Am Schwarzen Damm Bad Oldesloe, Bad Oldesloe von 1950, Barsbüttel, Brennermoor, Fuhlenstegen, Glinde, Großhansdorf, Hohenkamp, Hoisbüttel, Neue Heimat Hoisbüttel, Reinbek, Reinfeld, Schönningstedt, Heimattrost Bad Oldesloe, Siek und Witzhave.
Der größte von ihnen ist der 1946 gegründete Kleingärtnerverein Ahrensburg mit 188 Parzellen. Dahinter folgt Glinde mit 126 Gärten. Die meisten Kleingartenvereine gibt es in Bad Oldesloe: Dort haben gleich sechs von ihnen ihren Sitz. Die meisten Vereine wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gegründet. Einige sind aber auch deutlich älter, etwa der Kleingärtnerverein Hohenkamp in Bad Oldesloe, der 1918 ins Leben gerufen wurde. fsn