Stapelfeld. Betreiber investiert 150 Millionen Euro in Verbrennung von Restmüll und Klärschlamm. Bürger können bis 9. März Einwendungen machen
Das schleswig-holsteinische Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) hat die entscheidende Anhörung zum Neubau der Müllverbrennungsanlage (MVA) Stapelfeld gestartet. Der 3627 Seiten umfassende Genehmigungsantrag liegt seit Donnerstag, 7. Januar, für einen Monat öffentlich aus. Bürger können bis 9. März Einwendungen einreichen.
Der Betreiber EEW Energy from Waste will neben seiner 1979 eröffneten MVA für schätzungsweise 150 Millionen Euro neu bauen. Das Müllheizkraftwerk mit einer Jahreskapazität von bis zu 350.000 Tonnen Restmüll sowie die zusätzliche Mono-Klärschlammverbrennung für 32.500 Tonnen Trockensubstanz (plus 2500 Tonnen Reserve) könnten nach rund zwei Jahren Bauzeit in Betrieb gehen. Danach werden die beiden alten Öfen stillgelegt.
Erster Erörterungstermin im Dezember 2019 in Großhansdorf
Das Genehmigungsverfahren geht in die zweite Runde. Auslöser sind Vorgaben der Europäischen Union zu den sogenannten "Besten Verfügbaren Techniken" (BVT) in der Abfallverbrennung. Diese veröffentlichte die EU wenige Tage vor dem Erörterungstermin im Dezember 2019 in Großhansdorf. Die Folge war, dass EEW seinen Ende 2018 abgeschickten Antrag überarbeitete. Zugleich wurde er für die Bauphase um ein Grundstück erweitert. Dies machte für das LLUR die erneute Auslegung notwendig.
Unter anderem sind Emissionsgrenzwerte nun niedriger. Laut LLUR betrifft das Chlorwasserstoff, Quecksilber und seine Verbindungen sowie Dioxine und Furane inklusive Polychlorierter Biphenyle. Außerdem haben sich Gebäudehöhen und -breiten verringert. Zusätzlich werden Löschwasserbehälter, ein Netztrafo und ein Pumpenhaus errichtet. "Die geänderten Gebäudehöhen wirken sich aber weder auf die Ausbreitungssituation der luftverunreinigenden Stoffe noch auf die Schornsteinhöhe aus", sagt LLUR-Sprecher Martin Schmidt.
Rathäuser in Ahrensburg und Barsbüttel sowie Amt Siek informieren
Einwendungen sind ausschließlich gegen Änderungen in den Unterlagen möglich. Die sind im Internet (www.uvp-verbund.de/freitextsuche) sowie in den Rathäusern von Ahrensburg und Barsbüttel, im Amt Siek, im Bezirksamt Hamburg-Wandsbek und beim LLUR in Flintbek einsehbar. Wegen der Corona-Pandemie ist eine Anmeldung nötig.
Ob die Genehmigungsbehörde erneut einen Erörterungstermin anberaumt - in Großhansdorf waren es drei Tage -, ist ihre Ermessensentscheidung. "Wenn es wesentliche Einwendungen gibt, ist es angezeigt, diesen Einwendern Gelegenheit zu geben, diese vorzutragen, sodass die Sachaufklärung dazu weiter erfolgen kann", sagt Martin Schmidt. Es müssten aber Corona-Beschränkungen berücksichtigt werden. Denkbar sind deshalb Online-Veranstaltungen.
EEW wollte eigentlich schon seit einem Jahr bauen
Auf einen Zeitplan legt sich das LLUR nicht fest. "Prognosen sind bei diesem Genehmigungsverfahren wenig belastbar, was die Vergangenheit zeigte", sagt Schmidt. Die gesetzliche Frist bis zur Entscheidung beträgt sieben Monate. Sie könne bei Bedarf mehrfach verlängert werden. Ursprünglich wollte EEW seit einem Jahr bauen, um Mitte 2022 den Probebetrieb aufzunehmen. Für Stapelfeld hat die Verzögerung auch finanzielle Auswirkungen. So steigen die Baukosten "im üblichen Rahmen bei Projekten dieser Größenordnung".
Bereits im vergangenen Oktober hatte das LLUR einen vorzeitigen Baubeginn genehmigt. Damit sind Vorarbeiten erlaubt, wenn mit einer Genehmigungsentscheidung zugunsten des Antragstellers gerechnet werden kann. "Noch bis Ende Januar finden Erdarbeiten zur Geländenivellierung statt", so der Firmensprecher. Außerdem will die Fernwärmeversorgung Stapelfeld ihre Leitung umlegen. Die ehemalige Kunststoffsortieranlage (KUSA) wurde abgerissen, um dort temporär eine Lager- und Vormontagefläche zu schaffen.
Rauchgasreinigung für Klärschlamm mit zusätzlichem Filter
Um in der Bauphase mehr Platz zu haben, bezieht EEW zudem ein weiteres Grundstück in die Planung ein. Um die Umweltauswirkungen über die rechtlichen Anforderungen hinaus weiter abzusenken, habe man sich freiwillig entschieden, die Rauchgasreinigung der neuen Klärschlammverbrennung mit einem nachgeschalteten Gewebefilter zu verbessern. "Mit der Erweiterung um diesen zusätzlichen Filter wird EEW die Schwefelemissionen weiter absenken können", sagt der Sprecher.
Das Niederschlagswasser fließt zudem nicht mehr wie bisher in die Braaker Au, sondern wird in einem Speicher gesammelt und selbst genutzt. Der zunächst großzügig dimensionierte Klärschlammbunker fällt etwas kleiner aus. "Bei vielen Komponenten stehen die Lieferanten nun fest. Daraus ergibt sich, wie die Teile, die sich etwa hinsichtlich Größe und Platzbedarf unterscheiden können, optimal verbaut werden können", sagt der Sprecher. So könnten auch die Gebäude der Rauchgasreinigung kleiner ausgeführt werden.
Neue EU-Vorgaben sind noch nicht in nationales Recht umgesetzt
Bei der BVT-Thematik sei das Problem, dass die EU-Vorgaben immer noch nicht ins nationale Recht umgesetzt seien. Trotzdem habe man auf Empfehlungen des Umweltbundesamtes die Anträge entsprechend geändert. Morten Holpert, Technischer Geschäftsführer in Stapelfeld, sagt dazu: „Zu den neuen BVT-Schlussfolgerungen habe ich mich unmittelbar nach dem Erörterungstermin öffentlich bekannt mit der Einschränkung, dass ein Großteil des neuen BVT in Deutschland bereits über andere gesetzliche Regelwerke umgesetzt ist.“
So gelten die EU-Richtlinien für 27 unterschiedlich stark ausgeprägte Kreislaufwirtschaften in Europa. Rumänien oder Ungarn hätten beispielsweise mehr umzusetzen als Deutschland, Dänemark oder Österreich, wo es dazu bereits andere Gesetze, Verordnungen oder Regelwerke gebe.
Bürgerinitiativen fordern sehr viel niedrigere Grenzwerte
Bürgerinitiativen und Umweltverbänden gehen die Veränderungen dagegen nicht weit genug. Sie kritisieren, dass mit der vorhandenen Technik sehr viel niedrigere Emissionskonzentrationen möglich wären. Die von EEW vorgeschlagenen oberen Grenzwerte seien nicht akzeptabel.