Ammersbek. Unbekannte entfernen an der Hoisbütteler Mühle in Ammersbek Erinnerung an „Benny“. Angehörige sind fassungslos.
„Er fehlt. Jeden Tag.“ Gabriela Eckhardt sagt diese Worte über ihren bei einem Verkehrsunfall an der Hoisbütteler Mühle ums Leben gekommenen Sohn Benjamin. Christina Eckhardt sagt sie über ihren „großen Bruder“. Mittlerweile vermissen die Frauen ihn seit mehr als 1800 Tagen.
Vor fünf Jahren, am 27. April 2016, fährt Benjamin Eckhardt morgens mit seinem Motorrad aus Hamburg zur Arbeit bei Getriebebau Nord in Bargteheide. An der Einmündung Lübecker Straße/L 225 in Ammersbek übersieht eine Autofahrerin die Honda XBR 500 des 35-Jährigen, nimmt ihm die Vorfahrt. Er überlebt die Kollision nicht.
Familie des Opfers setzt sich für eine Ampel ein
Wenige Tage später stellt die geschockte Familie ein selbst gefertigtes Holzkreuz an der Unfallstelle auf. Außerdem kämpft sie erfolgreich für eine Ampel, die die T-Kreuzung sicherer macht. „Wir wollten anderen Menschen den Schmerz ersparen, der uns immer begleitet“, sagt Gabriela Eckhardt. Mit ihrer Tochter stellt sie regelmäßig Blumen und Kerzen auf. Auch Freunde schauen immer wieder vorbei.
Um so fassungsloser sind die Angehörigen darüber, dass es Menschen gibt, die offenbar etwas dagegen haben. Erst war das Holzkreuz spurlos verschwunden. Nun rissen Unbekannte die von Behörden an einem Ampelmast angebrachte Erinnerungsplakette ab. „Wer macht so etwas?“, fragt sich Christina Eckhardt. „Das hat uns richtig traurig gemacht.“
„Wie kann man nur so respektlos sein?“, fragt die Mutter
Vor einem Jahr war das Kreuz plötzlich weg. Die Familie vermutete zunächst, dass es jemand woanders hingeworfen haben könnte. Sie suchte Gräben und Knicks in der Umgebung ab – erfolglos. Dann fragten die Eckhardts bei Polizei und Verwaltungen nach, ob möglicherweise jemand die Entfernung angeordnet hatte. Doch dies war nicht der Fall, niemand habe Bescheid gewusst.
„Wie kann man nur so respektlos gegenüber dem Toten und den Trauernden sein?“, sagt Gabriela Eckhardt noch heute. „Das Unfallkreuz ist sehr bedeutsam für uns“, ergänzt ihre Tochter. „Es stört dort doch nicht und versperrt keinem Verkehrsteilnehmer die Sicht.“
Das neue Kreuz ist jetzt mit Ketten gesichert
Die Familie tischlert ein neues Holzkreuz, stellt es auf der kleinen Verkehrsinsel auf. Inzwischen hat sie es durch eine schlichtere Variante ersetzt, die optisch mehr an das erste Kreuz für „Benny“ erinnert, wir er im Freundes- und Verwandtenkreis genannt wurde. Damit es nicht noch einmal gestohlen werden kann, ist es mit Ketten gesichert.
Anfang dieses Jahres folgt der nächste Schrecken: Die Gedenkplakette, die der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV.SH) beim Aufstellen der Ampelanlage angebracht hatte, ist weg. „Wir haben sie im Gras am Kreuz entdeckt“, sagt Christina Eckhardt, „wahrscheinlich hat sie jemand gefunden und dort hingelegt.“
Für die Angehörigen ist es auch nach Jahren ein wichtiger Trauerort
Erneut sorgt die Familie in Eigeninitiative für die Reparatur. „Mein Mann hat eine neue Halterung aus Metall gebastelt“, sagt Gabriela Eckhardt. Rechtzeitig zum fünften Todestag ihres Sohnes hat sie die Plakette wieder angeschraubt. Auch wenn sie inzwischen häufiger auf dem Friedhof in Hamburg trauere, seit die Unglücksstelle weiterhin wichtig für den Umgang mit dem Schicksalsschlag: „Wir möchten, dass Benny nicht vergessen wird.“
Das Schild an dem Signalmast für die Fußgänger weist darauf hin, warum seit Mai 2017 die Ampel an der Einmündung steht. Denn nach dem Tod von Benjamin Eckhardt hören die Angehörigen, dass Hoisbütteler Mühle ein Unfallschwerpunkt ist. Immer wieder missachteten aus Richtung Ahrensburg/Bünningstedt kommende Autofahrer die Vorfahrt der Hauptroute.
Emotionaler Appell in der Gemeindevertretung
Das war die Ursache für ein gutes Dutzend Zusammenstöße und etliche Beinahe-Kollisionen in dreieinhalb Jahren. Allein in den ersten fünf Monaten 2016 registrierte die Polizei außer dem tödlich verunglückten Motorradfahrer vier weitere Verletzte.
Um schreckliche Unfälle zu verhindern, kämpfen die Eckhardts für eine Ampel. Sie wenden sich an Behörden, gewinnen Politiker für ihre Idee, bitten in der Ammersbeker Gemeindevertretung in einem emotionalen Appell um Unterstützung. Ein Jahr später sind sie dabei, als die Ampel eingeschaltet wird.
Es gab keine schweren Unfälle mehr, seitdem die Ampel steht
Seitdem hat es dort keine schweren Zusammenstöße mehr gegeben. Die Polizei registrierte bis heute vier kleinere Unfälle. Ins Krankenhaus musste niemand. Drei Menschen wurden leicht verletzt, darunter war ein betrunkener Fahrer. Hinzu kam ein Blechschaden.
Die von Ampel-Gegnern und Kreisverkehrs-Befürwortern befürchteten Staus sind ausgeblieben. „Der Verkehrsfluss ist auch zu Stoßzeiten gut gewährleistet“, sagt ein Polizeisprecher. Die Stockungen lägen im Berufsverkehr im Bereich des Üblichen. Auf der Hauptroute Hoisbüttel–Bargteheide sind täglich rund 12.000 Fahrzeuge unterwegs, auf dem Abzweiger nach Ahrensburg 8000.
Landgericht stellt Verfahren gegen 20.000 Euro Geldauflage ein
Die Unfallverursacherin war vom Amtsgericht Ahrensburg wegen fahrlässiger Tötung zu 12.000 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Das von ihr angestrengte Revisionsverfahren stellte das Landgericht Lübeck gegen eine Geldauflage von 20.000 Euro ein.
Gabriela und Christina Eckhardt sind sich sicher, dass ihr Einsatz ganz im Sinne von Benjamin wäre. Der sei ein vorausschauender Fahrer gewesen, der sich immer über rücksichtslose Verkehrsteilnehmer geärgert habe. Seine Mutter sagt: „Das wir etwas bewirken konnten, ist ein kleiner positiver Aspekt. Es bringt ihn aber nicht zurück.“
Autofahrerin dankt der Familie auf Gedenkseite
Benny beschütze jetzt den Verkehr an der Unfallstelle: Das schreibt eine Autofahrerin, die dort täglich vorbeikommt, auf einer Gedenkseite im Internet. Sie dankt der Familie dafür, den Ort des Geschehens erkennbar zu machen, zu gestalten und zu warnen. Benny lasse die Menschen aufsehen und erinnere sie daran, „was wirklich wichtig ist und dass es unsere Aufgabe ist, vorsichtig und umsichtig zu fahren“.