Ahrensburg. Für Stormarns Grundschüler beginnt von Montag an wieder der Präsenzunterricht. Ministerin sieht die Schulen gut vorbereitet.
Am kommenden Montag kehren Stormarns Grundschüler in die Schulen zurück. „Das Lernen zu Hause kann den Präsenzunterricht niemals ersetzen. Gerade für Grundschüler ist der soziale Kontakt und der Austausch in der Klasse genauso wichtig, wie Anleitung und direkte Rückmeldungen durch die Lehrkräfte“, sagt Schleswig-Holsteins Kultusministerin Karin Prien. Dennoch wird in vielen Kollegien hinterfragt, wie es denn um den Schutz der Lehrkräfte, die den Präsenzunterricht sicherstellen müssen, bestellt ist.
„Ich bin Lehrerin mit Leib und Seele. Ich empfinde es aber als Widerspruch, dass ich mich privat weiterhin nur mit einer haushaltsfremden Person treffen darf, in der Schule aber mit 20 und mehr Kindern viele Stunden in einem Klassenzimmer verbringe, in denen Kontakte naturgemäß kaum zu verhindern sind, trotz aller Abstandsregeln“, sagt Janis Walzel, die an der Grundschule Grönwohld als Klassenlehrerin vor allem Erstklässler unterrichtet.
Schule und Corona: Wechselunterricht wäre bessere Lösung
Phyllis Wiechert, Lehrerin an der Grundschule Bünningstedt in Ammersbek und selbst Mutter zweier Kinder im Homeschooling, findet die schrittweise Rückkehr zur Normalität nach den vielen Wochen des Distanzlernens durchaus begrüßenswert. Bedenklich sei jedoch wie die Rückkehr in den Präsenzunterricht nun vonstatten geht.
„Warum starten wir in Schleswig-Holstein nicht mit Wechselunterricht wie in anderen Bundesländern?“, fragt Wiechert. Durch das Teilen der Klassen wäre es möglich gewesen, mit ausreichendem Abstand zu unterrichten. „Das hätte zwar einen organisatorischen Mehraufwand bedeutet, damit hätte ich mich aber besser gefühlt“, so Wiechert.
Lehrer fühlen sich wie Versuchskaninchen
Dass nach dem langen Lockdown und den weiterhin gültigen Kontaktbeschränkungen für Schulen gänzlich andere Regeln gelten, sei für sie kaum nachvollziehbar. „Ich fühle mich angesichts der Mutationen und des mangelnden Abstandes tatsächlich wie ein Versuchskaninchen“, sagt Phyllis Wiechert. Sie befürchtet, dass die Infektionszahlen schnell wieder steigen könnten.
Christian Naterski, Leiter der Gertrud-Lege-Grundschule in Neuschönningstedt, bestätigt die Bedenken vieler Lehrkräfte ebenfalls. „Viele sind sehr zwiegespalten“, sagt er. Einerseits würden sich alle freuen, wieder in einem normalen Umfeld arbeiten zu können. Andererseits gebe es aber die berechtigte Sorge um die eigene Gesundheit. „Das wir ab sofort wieder mit 20 Kindern in einem Raum arbeiten werden, passt einfach nicht zu den anderen Schutzmaßnahmen“, erklärt Naterski.
Frühere Impfung in Aussicht gestellt
Sabine Prinz, Leiterin der Stadtschule in Bad Oldesloe, berichtet, etliche ihrer Kollegen würden angesichts der bevorstehenden Rückkehr in die Schule von einem „mulmigen Gefühl“ sprechen, das sich nicht so ohne Weiteres abschütteln ließe. „Viele von uns würden sich deutlich wohler fühlen, wenn wir geimpft wären“, sagt Prinz.
Das dürfte wohl noch eine Weile dauern. Laut Prien sei es zwar Beschlusslage der Kultusministerkonferenz wie auch die Auffassung der Landesregierung, dass Lehrkräfte und Erzieher gemeinsam mit dem medizinischen Personal die höchste Priorität erhalten sollten. „Schulen und Kitas sind so wichtig für die Zukunft unseres Landes, dass wir da einen Schwerpunkt legen sollten“, sagt Prien. Sie erwarte deshalb schon bald eine Lösung für eine frühere Impfung.
4,5 Millionen Masken an Lehrer verteilt
Der Chef der Ständigen Impfkommission, Prof. Thomas Mertens, sieht unterdessen keinen Grund, Lehrkräfte zu priorisieren. Die Auswertung internationaler Daten wie der Meldedaten aus Deutschland gäben das schlicht nicht her, lautet die Begründung. Zumal Lehrkräfte in entsprechendem Alter und solche mit besonderen Vorerkrankungen ja ohnehin früher geimpft würden.
Karin Prien sieht die Grundschulen des Landes trotz aller Bedenken der Lehrkräfte gut gerüstet für die Rückkehr zum Präsenzunterricht. So seien die Schulen bereits ab November mit mehr als 4,5 Millionen einfachen OP- und FFP2-Masken versorgt worden. „Außerdem hat das Land jeder Lehrkraft nach den Weihnachtsferien noch einmal 50 medizinische Masken zur Verfügung gestellt“, sagt die Kultusministerin. Nach einer Bedarfsabfrage an den Schulen in der Vorwoche würden derzeit weitere Masken bereitgestellt.
Tests kosten Land 17 Millionen Euro
Überdies sei es erklärtes Ziel der Landesregierung, für Lehrkräfte und Erzieher so schnell wie möglich Testmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Deshalb werde aktuell ein Testregime entwickelt, um „zweimal pro Woche anlassunabhängige und kostenfreie Testmöglichkeiten“ anzubieten. Das gelte auch für das Personal in Horten, offenen Ganztagsschulen und in der Kindertagespflege. Dafür veranschlagt das Land Kosten in Höhe von etwa 17 Millionen Euro.
Für Janis Walzel sind die angekündigten Corona-Tests indes nicht mehr als „eine Beruhigungspille“. Viel wichtiger wäre aus ihrer Sicht eine möglichst zeitnahe Impfung. „Schließlich lässt sich das Virus ja nicht wegtesten. Den größtmöglichen Schutz vor einer Infektion kann nur eine Impfung gewährleisten“, so die Lehrerin aus Grönwohld.
GEW: Öffnung ist verantwortungslos
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Schleswig-Holstein hält einen vollen Regelbetrieb in Grundschulen und Kitas angesichts der aktuellen Lage und der zunehmenden Angst vor der weitaus ansteckenderen britischen Virus-Mutation für „verantwortungslos“. Die ergriffenen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz von Lehrern und Erziehern reichten bei weitem nicht aus. „Warum werfen wir in Kitas und Grundschulen alle Vorsicht über Bord, wenn Virologen die dritte Welle schon ziemlich genau prognostizieren können? Warum so ein Schnellstart auf Vollbetrieb?“, fragte Katja Coordes, die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende. Das nämlich gäbe das Infektionsgeschehen eigentlich gar nicht her.
Lesen Sie hier einen Kommentar von Abendblatt-Redakteur Lutz Kastendieck.