Ahrensburg. Für Güterzuggleise an der A 1 zieht eine Bürgerinitiative vor Bundesverwaltungsgericht. Was das für den Bau der S-Bahn bedeutet.
Im Streit um den Bau der neuen Gleise für die S-Bahnlinie 4 zwischen Hamburg, Ahrensburg und Bad Oldesloe verschärft sich der Ton zwischen Befürwortern und Gegnern. Die einen jubeln über einen „Meilenstein“ im öffentlichen Nahverkehr der Metropolregion Hamburg.
Die anderen befürchten Vernichtung von Natur, krank machenden Dauerlärm, Landschaftsverschandelung durch bis zu sieben Meter hohen Lärmschutz und Unfallrisiken. „Wir stehen Gewehr bei Fuß und werden klagen“, sagt Claus-Peter Schmidt, Vorsitzender der Bürgerinitiative an der Bahnstrecke Hamburg-Lübeck.
Erster Bauabschnitt liegt in dicht besiedeltem Gebiet
Der juristische Widerstand richtet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für den ersten Bauabschnitt, der das dicht besiedelte Gebiet zwischen dem Bahnhof Hamburg-Hasselbrook und Luetkensallee in Wandsbek betrifft. Das Eisenbahnbundesamt hat die Pläne der Deutschen Bahn genehmigt. Den Bau wollen Anwohner vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig stoppen. „Wir sind rund 40 betroffene Anlieger, die sich regional von fünf Anwälten vertreten lassen“, sagt Schmidt. Möglicherweise schließe sich auch noch ein Naturschutzverband an.
Die Klagen sind bereits vorbereitet, können aber erst nach Bekanntmachung des Planfeststellungsbeschlusses im Amtlichen Anzeiger eingereicht werden. Das dürfte in diesen Tagen geschehen. „Unser Ziel ist es, die zwei zusätzlichen Gleise für den Güter- und Fernverkehr an der Autobahn 1 zu bauen und die bestehenden Gleise für die S 4 zu nutzen“, sagt Claus-Peter Schmidt.
„Stormarn braucht die S4“
Laut Verein geht es um besseres Verkehrskonzept
Dem Verein gehe es nicht um Einzelinteressen, sondern um ein besseres Verkehrskonzept. Er wolle die S-Bahn nicht verhindern, wohl aber, dass der gesamte Güterverkehr von und nach Skandinavien durch die Wohngebiete rolle. Die frei werdenden Gleise zwischen Ahrensburg und Hasselbrook sollen nach dem Bau des Fehmarnbelttunnels auch für bis zu 835 Meter lange Züge mit etwa 40 Waggons da sein. Gutachter erwarten täglich etwa 120 Güterzüge.
Nach Meinung der Bürgerinitiative ist die „A 1 der Schiene“ mit mindestens zwei neuen Gleisen von Bad Oldesloe bis nach Hamburg-Moorfleet die in allen Belangen bessere Lösung. „Deshalb bin ich sicher, dass die Klagen durchgehen“, sagt Schmidt. Die Einschätzung teilt Rechtsanwältin Suzan Goldschmidt, die etliche Anwohner vertritt. Sie sagt: „Die Vorhabenträgerin ist gesetzlich verpflichtet, diese Alternative zu prüfen. Es ist völlig unverständlich, dass sie eine solche Prüfung nicht vorgenommen hat.“
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Bahn AG widerspricht der Darstellung des Vereins
Die Deutsche Bahn AG widerspricht dieser Darstellung. „Wir haben mit Politik, Behörden und Bürgern auch andere Ideen abgewogen, die jetzige Lösung ist die beste“, sagt Peter Mantik, DB-Sprecher für die Großprojekte S 4 und Fehmarnbeltquerung. Seit 150 Jahren seien Güterzüge auf der Strecke Lübeck– Hamburg unterwegs. Darunter seien bis 1997 täglich bis zu 50 Züge gewesen, die aus Skandinavien mit der Fähre kamen.
„Nur mit der neuen S 4 haben die Anwohner Anspruch auf zusätzlichen Lärmschutz“, sagt Mantik. Entsprechende Wände werden auf 45 Kilometern aufgestellt. Aufgrund neuer Gesetze müssten Güterzüge außerdem künftig deutlich leiser als bisher sein. „Das bedeutet eine Halbierung des Lärms“, so Mantik. Die Bahn bereite den Baustart nun wie geplant vor.
Bis das Gericht entscheidet, könnte es Jahre dauern
Die Bürgerklagen dürften die Hauptarbeiten und damit auch die Fertigstellung der S 4 allerdings erheblich verzögern. „Wir rechnen bei dem komplexen Verfahren mit mindestens zwei Jahren bis zur Entscheidung des Gerichts“, sagt der Vereinsvorsitzende Schmidt. In einem ähnlichen Fall in Oberhausen vergingen sogar drei Jahre – dann wurde die Klage abgewiesen.
Sollten die Hamburger Ausbaugegner tatsächlich Recht bekommen, würde aus der mehrjährigen Wartezeit ganz schnell mindestens ein Jahrzehnt: Dann müsste die sogenannte „A 1 der Schiene“ komplett von vorn geplant werden. Zum Vergleich: Bei der S 4 stammt eine erste Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2002. In den Stormarner Orten an der Autobahn herrscht zudem alles andere als Begeisterung über zwei oder gar vier Bahngleise zusätzlich. Schon die Idee löste beispielsweise in Großhansdorf und Barsbüttel Proteste aus.
Von Ahrensburg bis nach Reinfeld werden Flyer verteilt
Für die Bürgerinitiative überwiegen dagegen die Vorteile. Das Gebiet sei nicht so dicht besiedelt wie der Hamburger Osten. „Barsbüttel und Oststeinbek könnten endlich Bahnhöfe bekommen und besser mit Hamburg, der Kreisstadt Bad Oldesloe und Lübeck verbunden werden“, sagt Claus-Peter Schmidt. Waren könnten schnell von der Bahn auf Lkw und umgekehrt verladen werden.
Parallel zu den rechtlichen Schritten startet die Bürgerinitiative eine große Informationskampagne. Sie hat 20.000 Flyer drucken lassen, die vom kommenden Wochenende an auch in Ahrensburg, Bargteheide, Bad Oldesloe und Reinfeld verteilt werden. „Wir wollen alle Haushalte in den Straßen direkt an der Bahnlinie über die Folgen des Ausbaus aufklären“, sagt Claus-Peter Schmidt. Und natürlich auch weitere Mitglieder werben.
Bund zahlt rund 80 Prozent der 1,85 Milliarden
Ende 2027 soll die S 4 zwischen Hamburg-Altona und Bad Oldesloe pendeln. Im Berufsverkehr gibt es einen Zehn-Minuten-Takt nach Ahrensburg, einen 20-Minuten-Takt nach Bargteheide und einen Stundentakt nach Bad Oldesloe. Die Teilinbetriebnahme bis Rahlstedt ist 2025 geplant.
Die Baukosten liegen bei rund 1,85 Milliarden Euro, von denen der Bund 1,5 Milliarden übernimmt. Hamburg (230 Millionen), Schleswig-Holstein (93 Millionen) und die Deutsche Bahn (20 Millionen) zahlen den Rest. Zwischen Hasselbrook und Ahrensburg werden auf 17 Kilometern zwei zusätzliche Gleise verlegt, danach auf drei Kilometern bis Gartenholz ein Gleis. Mehr als 40 Tunnel und Brücken werden umgebaut. Fünf neue Haltestellen kommen hinzu: in Hamburg Claudiusstraße, Bovestraße, Holstenhofweg und Am Pulverhof, in Stormarn Ahrensburg West.