Ahrensburg. Monatelanger Streit zwischen Ehepaar und Verwaltung ist beendet. Der Bürgersteig ist laut Stadt uneingeschränkt nutzbar.
40 Zentimeter zu breit oder nicht? Das war die Kernfrage eines bizarren Streits der Eheleute Margitta und Wilhelm Senftleben mit dem Ahrensburger Rathaus um den Rückschnitt ihrer Buchenhecke. Monatelang stritten die Ahrensburger mit dem Bauamt, das die Verkehrssicherheit auf dem angrenzenden Bürgersteig durch das Gewächs gefährdet sah. Jetzt steht fest: Die Hecke bleibt so, wie sie war.
Klage vor dem Verwaltungsgericht ist vom Tisch
„Wir haben einen Anruf aus dem Bauamt erhalten“, sagt Wilhelm Senftleben. Am anderen Ende der Leitung habe sich Bauamtsleiter Peter Kania gemeldet. „Herr Kania sagte, er habe sich selbst vor Ort ein Bild von der Hecke gemacht. Der Bürgersteig sei uneingeschränkt benutzbar und die Angelegenheit werde von der Verwaltung nicht weiter verfolgt“, so der 78-Jährige zum Abendblatt.
Damit ist auch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht vom Tisch, die die Senftlebens erwogen hatten. Anders als berichtet hatten Margitta und Wilhelm Senftleben das Gericht noch nicht in der Hauptsache angerufen, sondern lediglich im Rahmen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, welche von der Stadt dann sofort anerkannt wurde. „Diesen Schritt wären wir erst gegangen, wenn wir mit der Verwaltung keine Einigung erzielt hätten“, so Wilhelm Senftleben.
Den Eheleuten drohten hohe Ausgaben
Was war passiert? Am 29. Februar erhielten Margitta und Wilhelm Senftleben Post aus dem Ahrensburger Rathaus. Die Buchenhecke auf ihrem Grundstück an der Roonallee gefährde die Verkehrssicherheit auf dem angrenzenden Bürgersteig und behindere Fußgänger. Das Ehepaar müsse das Gewächs umgehend bis zur Grundstücksgrenze zurückschneiden, hieß es darin.
Sollten die Senftlebens dem nicht Folge leisten, würde es für die Eheleute teuer. „Es hieß, die Stadt würde dann den Rückschnitt vornehmen und uns dafür 110 Euro pro Arbeitsstunde und zusätzlich 25 Euro je Kubikmeter zu beseitigendes Schnittgut in Rechnung stellen“, so Wilhelm Senftleben. Außerdem habe das Bauamt darauf hingewiesen, dass es sich bei einer Weigerung um eine Ordnungswidrigkeit handele, die mit einer Geldbuße von rund 500 Euro geahndet werde.
Wilhelm Senftleben arbeitete selbst als Rechtsanwalt
Doch nicht nur die drohende saftige Rechnung sorgte bei den Eheleuten für Verdruss. Im selben Schreiben wies das Bauamt darauf hin, dass laut Naturschutzgesetz zwischen dem 1. März und dem 30. September Gewächse „nicht abgeschnitten oder auf den Stock gesetzt“ werden dürfen. „Das Rathaus hatte uns eine Frist zur Erledigung des Rückschnitts bis zum 16. März gesetzt. Uns blieb also genau ein Tag“, so Wilhelm Senftleben verärgert.
Der Senior, der selbst als Rechtsanwalt gearbeitet hat, wollte das nicht hinnehmen. „Wie sollten wir in einem Tag eine Firma finden, die die Hecke für uns beschneidet?“, fragt Senftleben. Doch nicht nur das empörte den 78-Jährigen: „Wir wohnen hier seit 1987, schon als wir eingezogen sind, existierte die Hecke in genau derselben Form wie jetzt.“ Warum sie plötzlich eine Gefahr für Fußgänger sein solle, könne er nicht nachvollziehen: „Die Hecke überragt nur den unbefestigten Sandstreifen zwischen Weg und Grundstücksgrenze, der gepflasterte Bürgersteig ist vollkommen frei. Hätten wir den Rückschnitt in dem geforderten Maß vorgenommen, wäre beinahe die halbe Hecke weg, gut 40 Zentimeter.“ Zudem stehe einige Meter weiter auf Höhe des Nachbargrundstücks ein Stromverteilerkasten genau auf dem Weg, der ein viel größeres Hindernis sei.
NDR-Satiresendung nahm sich des Themas an
Das Ehepaar legte Widerspruch gegen den Bescheid ein, doch den wies die Stadt zunächst als ungerechtfertigt ab. Im April wandten sich Margitta und Wilhelm dann an das Abendblatt, das am 27. April dieses Jahres unter der Überschrift „Ehepaar streitet mit Bauamt – die Hecken-Posse von Ahrensburg“ berichtete. „Die Resonanz war groß“, erinnert sich Wilhelm Senftleben. Nachbarn, Bekannte und auch Fremde hätten sie angesprochen und sich mit den Senftlebens solidarisiert.
Auch die Fernsehmacher wurden auf den Fall aufmerksam. Zunächst berichtete das RTL-Regionalmagazin „RTL Nord“, dann spießte die NDR-Satiresendung „extra 3“ den Streit in der Rubrik „Irrsinn der Woche“ süffisant auf – und sorgte damit für eine Flut von Kommentaren im Internet.
Auf Youtube erreichte das Video innerhalb von fünf Tagen mehr als 450.000 Aufrufe, mehr als 1000 Nutzer kommentierten es. Noch rasanter verbreitete sich der Beitrag bei Facebook. Innerhalb von nur 24 Stunden wurde er etwa 700.000 mal angeschaut und mit mehr als 1300 Kommentaren versehen.
Ehepaar müsse mit keinen weiteren Konsequenzen rechnen
Dabei waren die Meinungen verschieden. Die einen sahen in dem Fall ein Beispiel für den „deutschen Verwaltungs-Irrsinn, die anderen stellten sich auf die Seite des Bauamtes, das lediglich geltendes Recht konsequent durchsetze. Margitta und Wilhelm Senftleben zeigen sich überwältigt von der Aufmerksamkeit, die der Hecken-Streit erregte, sagen aber: „Jetzt sind wir froh, dass die Sache geklärt ist und möchten damit auch abschließen.“
Wilhelm Senftleben ist allerdings sicher: „Die mediale Aufmerksamkeit hat sicher einen entscheidenden Anteil daran, dass das Bauamt eingelenkt hat.“ Bauamtsleiter Peter Kania bestätigt dem Abendblatt auf Anfrage, dass das Ehepaar Senftleben mit keinen weiteren Konsequenzen zu rechnen habe. Er sagt: „Die Hecke wurde zurückgeschnitten, allerdings nicht in dem von uns geforderten Umfang.“
Margitta und Wilhelm Senftleben sind zufrieden
Sie überrage deshalb zwar noch immer die Grundstücksgrenze, doch der Gehweg sei von Passanten „vollumfänglich benutzbar“. Kania: „Die Verkehrssicherheit ist für uns das oberste Gebot, insofern können wir den jetzigen Zustand akzeptieren.“
Margitta und Wilhelm Senftleben sind jedenfalls mit diesem Ausgang zufrieden. Etwas verwundert ist Wilhelm Senftleben dann aber doch, sagt: „Das Kappen der Triebe, mit dem sich das Bauamt jetzt zufrieden gegeben hat, nehme ich doch jedes Jahr vor.“