Bargteheide. Nach einem Polizeieinsatz am Bargteheider Schulzentrum kommt es zu Fäkalien-Anschlag auf Haus. Ermittlern liegt Video der Tat vor.
Frank-Stephan Simon, Leiter des Polizeireviers Bargteheide, hatte es erst kürzlich bestätigt: „Ja, der Sportplatz des Kopernikus Gymnasiums ist inzwischen zu einem Hotspot der Stadt geworden. Immer öfter werden wir von Anwohnern gerufen, die sich über ruhestörenden Lärm in den Nachtstunden beklagen.“
Wie zur Bestätigung hat sich die Lage dort jetzt noch einmal verschärft: Nach einem Polizeieinsatz in der Nacht zu Sonnabend ist die Tür eines privaten Wohnhauses im benachbarten Louise-Zietz-Weg mit Fäkalien beschmiert worden.
Mehr als 30 Jugendliche trafen sich auf Gelände
„Dieses Vorkommnis ist bedauerlich, inakzeptabel und absolut nicht hinnehmbar“, sagt Mathias Steinbuck (CDU), Erster Stadtrat und Stellvertreter der Bürgermeisterin. Auch Bürgervorsteherin Cornelia Harmuth (CDU) zeigt sich entsetzt über den widerlichen Anschlag: „Ich bewerte das als Alarmsignal für akuten Handlungsbedarf, um solchen Auswüchsen Einhalt zu gebieten.“
Gegen 21.30 Uhr hatten sich laut Zeugen erneut mehr als 30 Jugendliche illegal im Schulzentrum versammelt. Eine Vielzahl war später von dort weiter zum südlich gelegenen KGB-Sportplatz gezogen. „Dabei kam es zum wiederholten Male zu einer extremen Lärmbelästigung, Schlafen war nicht möglich“, schilderte ein Anwohner, der anonym bleiben möchte, die Situation. Offenbar habe dann ein Nachbar gegen 23 Uhr die Polizei gerufen.
Auf den Fäkalienanschlag folgte weiterer Vorfall
Jan Wittkowski, Sprecher der zuständigen Polizeidirektion in Ratzeburg, bestätigte dem Abendblatt zwei Einsätze auf dem Bargteheider Schulcampus in jener Nacht. Nach dem Fäkalienanschlag kam es am Sonnabendvormittag zu einem weiteren Vorfall an dem Wohnhaus im Louise-Zietz-Weg. Dort haben die Beamten Ermittlungen wegen des Verdachts der Sachbeschädigung aufgenommen und Spuren gesichert. Dabei wurde ihnen unter anderem eine Videoaufzeichnung des Anschlags übergeben, die als Beweismittel in einem möglichen Strafverfahren uneingeschränkt verwendet werden darf.
„Nach Auswertung der Aufnahmen ist die Tat von einer weiblichen Person begangenen worden“, so Wittkowski. Die Polizei werde in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft alle Maßnahmen zur Ermittlung der Tatverdächtigen ausschöpfen. Das dürfte allerdings schwierig werden, da die Jugendliche Kapuze und eine Maske trug, sodass nur die Augenpartie unbedeckt blieb.
Anwohner fühlen sich regelrecht eingeschüchtert
„Wo soll das noch hinführen, was kommt als Nächstes?“, fragt ein anderer Anwohner, der ebenfalls unerkannt bleiben möchte. Inzwischen fühlten sich viele Anrainer des Sportplatzes nicht mehr nur belästigt und genötigt, sondern regelrecht eingeschüchtert. Aus diesem Grund wolle sich niemand mehr mit seinem Namen zu Wort melden – aus Angst, womöglich ebenfalls Opfer solch eines Racheakts zu werden.
„Die Stadt hat die Kontrolle über das Schulzentrum und das angrenzende Sportgelände schon lange verloren“, sagt der Mann. Seit etwa drei Jahren werde dort herumgelärmt und immer öfter auch „gekifft und gesoffen“. Der Sportplatz sei übersät mit Glasscherben, Schnapsflaschen und anderem Unrat: „Mal ganz abgesehen von den Spuren hundertfach verrichteter Notdurft.“
Beschwerdeschreiben an Stadt blieben folgenlos
Weil es auch schon zu diversen Diebstählen gekommen sei, etwa von Fahrrädern, hätten Nachbarn ihre Grundstücke inzwischen mit Bewegungsmeldern, Strahlern und sogar Überwachungskameras aufgerüstet. Auch deshalb, weil diverse Beschwerdeschreiben an die Stadt de facto ohne Reaktion geblieben sind.
Das bestätigt auch Norbert Muras, Fraktionschef der Wählergemeinschaft für Bargteheide (WfB) und Vorsitzender des Bauausschusses. „Bereits Ende April vergangenen Jahres hat es eine Begehung mit Vertretern der Verwaltung gegeben. Im September habe ich im Rathaus noch mal nachgefasst, aber bis heute ist nichts passiert, keiner fühlt sich zuständig“, sagt Muras.
Am 4. Juli hat er den „völlig verwahrlosten Zustand“ in Wort und Bild aktuell dokumentiert. „Praktisch ist der Sportplatz durch defekte Zäune von allen Seiten jederzeit zugänglich. Und das, obwohl der Stadt für das gesamte Gelände die Sicherungspflicht obliegt“, sagt der Stadtvertreter. Zahlreiche Anlagen seien von Glasscherben übersät, vermoost sowie von Unkraut überwuchert und dadurch de facto unbenutzbar.
Stadt will Betretungsverbot zwischen 22 und 6 Uhr
Die Verwaltung erklärte auf Abendblatt-Anfrage, sie sei bereits seit mehreren Monaten damit befasst, eine Lösung zu finden, um das bis dato nur für den Schulsport zugelassene Areal besser zu sichern. Kurzfristig soll ein Betretungsverbot zwischen 22 und 6 Uhr mit entsprechender Beschilderung und eine präzisierte Nutzungsordnung erlassen werden. „Damit wird die Grundlage geschaffen, um Zuwiderhandlungen durch die Polizei und Ordnungskräfte fortan ahnden zu können“, so Rathaussprecher Alexander Wagner.
Für die nächste Sitzung des Bauausschusses am 13. August soll das Thema KGB-Sportplatz mit Dringlichkeit auf die Agenda gesetzt werden. „Ich hoffe, wir bekommen zeitnah eine Entscheidung hin“, so der Vorsitzende Norbert Muras. Für SPD-Fraktionschef Mehmet Dalkilinc steht indes schon jetzt fest, dass eine „komplette Verbarrikadierung“ der Anlage nicht die Lösung sein kann: „Eine gezielte Auslastung der Anlage durch den Trainingsbetrieb von Vereinen und Verbänden bis in die Abendstunden hinein wäre sicher die bessere Alternative.“ Auch so könne ein besserer Schutz der Anwohner ermöglicht werden.
>>> Lesen Sie im Anschluss auch den Kommentar des Autors Lutz Kastendieck zum Thema >>>
KOMMENTAR
Bargteheides Jugend braucht eigene Plätze
Nach dem Fäkalien-Anschlag auf ein Wohnhaus am Bargteheider Schulzentrum ist das Entsetzen groß. Der widerliche Angriff auf Bürger könne nicht toleriert werden, heißt es zu Recht. Allzu lange hat die Stadt den eskalierenden Auseinandersetzungen zwischen lärmenden Jugendlichen und Anwohnern allerdings weitgehend tatenlos zugesehen.
Schlaglichtartig deutlich geworden ist zudem, dass es für Heranwachsende in dieser Stadt zu wenig (halb)öffentliche Rückzugsorte gibt. Die immer wieder geäußerte Bitte um geschützte Plätze für Treffpunkte im Freien ist bislang ungehört verhallt. Nur mit Aufenthaltsverboten wird man das Problem der dauernden Konfrontation zwischen feiernden Jugendlichen und genervten Anwohnern nicht lösen können, sie werden den seit Jahren vollzogenen Verdrängungsprozess nicht aufhalten. Stattdessen braucht es attraktive, jugendgerechte Alternativen. Deshalb muss der zur Verfügung stehende öffentliche Raum neu gedacht, geteilt und mit Leben gefüllt werden.