Stapelfeld. Aktualisierter Antrag wird erneut ausgelegt. Inbetriebnahme Mitte 2022 nicht haltbar. Umweltinitiativen fordern strengere Grenzwerte.

Die neue Müllverbrennungsanlage (MVA) in Stapelfeld wird deutlich später stehen als geplant. Eigentlich wollte der Betreiber EEW Energy from Waste schon mit dem Bau begonnen haben, doch jetzt muss der Genehmigungsantrag beim Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) aktualisiert werden. „Die Änderungen sind so umfangreich, dass eine erneute Auslegung mit Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich ist“, sagt LLUR-Sprecher Martin Schmidt. Mit einer Entscheidung ist erst 2021 zu rechnen.

EU-Richtlinie aus Dezember 2019 sorgt für Verzögerung

Auslöser für die Verzögerungen sind neue EU-Vorgaben zum Einsatz der „Besten verfügbaren Technik“ (BVT). Die Richtlinie war im Dezember 2019 in Kraft getreten, wenige Tage vor dem öffentlichen Erörterungstermin in Großhansdorf. Den ersten Antrag hatte EEW bereits Ende 2018 eingereicht.

„Bedingt durch die zeitlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen in den letzten Monaten werden wir die Unterlagen wohl erst im dritten Quartal des Jahres final ausgearbeitet und eingereicht haben“, sagt Peter Werz, Leiter Marketing und Kommunikation bei EEW. Neue BVT-Schlussfolge­run­gen würden einbezogen. „EEW hat immer gesagt, dass wir die bestverfügbare Technik einsetzen“, so Werz. „Daran hat sich nichts geändert.“

Experten schätzen Investition auf 150 Millionen Euro

Ändern wird sich aber der für Mitte 2022 geplante Einweihungstermin des schätzungsweise 150 Millionen Euro teuren Projekts. Dann wollte das Unternehmen das Müllheizkraftwerk (MHKW) mit einer Jahreskapazität von bis zu 350.000 Tonnen Restmüll sowie eine getrennte Klärschlammverbrennung (KVA) für 32.500 Tonnen Trockensubstanz (plus 2500 Tonnen Reserve) in Betrieb nehmen. Das ist bei einer zweijährigen Bauzeit von ähnlichen Anlagen nicht mehr machbar.

Für die Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG!) Stapelfeld und den Verein „Das bessere Müllkonzept Schleswig-Holstein“ ist die erneute Öffentlichkeitsbeteiligung ein Erfolg. Die Vereine hatten das bereits im Dezember in Großhansdorf beantragt und begrüßen die Entscheidung, dass die EU-Vorgaben zur besten verfügbaren Technik sofort umgesetzt werden. Zudem müsse die Anlagentechnik und der Flächenbedarf geändert werden.

Bürgerinitiativen rügen Festhalten an höheren Grenzwerten


Nach Angaben der Bürgerinitiativen hatte das LLUR im März der EEW eine Liste von BVT-Maßnahmen vorgelegt. Der Betreiber sei danach jedoch nur auf die oberen Grenzwerte eingegangen. Für den BIG-Vorsitzenden Gerhard Schack und den Müllkonzept-Sprecher Klaus Koch ist das ein Affront. „Die BVT-Schlussfolgerungen dienen dazu, vorhandene fortschrittliche Techniken bei Neuplanungen zu etablieren und Emissionen abzusenken. Daher ist das Festhalten der EEW an höheren Grenzwerten nicht nachvollziehbar“, schreiben sie. Es sei rechtswidrig, Emissionsgrenzen am oberen BVT-Rand zu beantragen, obwohl bessere Schadstoffwerte, zumindest aber mittlere BVT-Werte von beiden neuen Anlagen eingehalten werden könnten.

Die Vereine stützen sich auf ein eigenes Gutachten. Sie haben das Ingenieurbüro für Umweltschutztechnik (IfU) im hessischen Lollar-Salzböden beauftragt zu prüfen, ob die BVT-Anforderungen von EEW vollständig übernommen wurden. Dessen Inhaber Peter Gebhardt ist schon lange bundesweit für Umweltinitiativen tätig.

Weniger Emissionen sind laut Gutachter problemlos machbar

Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass „deutlich niedrigere Emissionskonzentrationen für beide Neuanlagen erreichbar sind“. Die von EEW vorgeschlagenen oberen Grenzwerte bei knapp der Hälfte der Parameter seien nicht akzeptabel. Beispielsweise könnten bei Staub und dessen Inhaltsstoffen deutlich niedrigere Werte ebenso „problemlos eingehalten“ werden wie bei Quecksilber.

Zudem bemängelt Gebhardt, dass die beantragte Technik in mehrfacher Hinsicht deutlich hinter der bestehenden Anlage zurückbleibe. Außerdem würden Dioxine und Furane nicht kontinuierlich gemessen, und die Inputkontrollen seien unzureichend. Die Initiativen fordern, dass ihnen alle nachgebesserten Gutachten vorgelegt werden.

Erste Klärschlammverbrennung ist in Bau


Seit 2016 gehört die einstige E.on-Tochter EEW Energy from Waste zur Holding Beijing Enterprises. Die Chinesen zahlten mehr als 1,4 Milliarden Euro an den Vorbesitzer, den schwedischen Investor EQT. Die EEW GmbH betreibt 16 Abfallverbrennungsanlagen in Deutschland sowie je eine in den Niederlanden und Luxemburg. Sie hat rund 1150 Mitarbeiter.


Die MVA Stapelfeld wird 1979 von den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg sowie Hamburg in Betrieb genommen. 1996 kauft die Veba Kraftwerke Ruhr (VKR) AG die Anlage. 2003 wird sie Teil von EEW. 2012 steigt EQT mit ein. Bei Helmstedt in Niedersachsen, der Unternehmenszentrale, wird seit Januar für 45 Millionen Euro eine erste Klärschlammverbrennungsanlage gebaut, wie sie auch für Stapelfeld vorgesehen ist.