Bargteheide. Am Kopernikus Gymnasium Bargteheide sind 25 Schüler in zwei Lerngruppen dabei. Es treten lästige Probleme mit dem WLAN-Netz auf.
Vom emsigen Betrieb im Bargteheider Schulzentrum ist dieser Tage nichts zu spüren. Wo normalerweise mehr als 1000 Schüler in vier Schulen unterrichtet werden, herrscht jetzt, mitten in den Sommerferien, weitgehend Stille. Nur in zwei Klassenräumen des Kopernikus Gymnasiums (KGB) brennt Licht. Gewissermaßen als optisches Signal, dass der Aufruf zum „Lernsommer.SH 2020“ von Kultusministerin Karin Prien (CDU) in Bargteheide nicht ungehört blieb.
Zwei Lerngruppen am Kopernikus Gymnasium
Wie bereits berichtet, hat die Initiative an vielen Schulen des Landes nicht den Widerhall gefunden, den sich Prien erhofft hatte. Zu kurzfristig, logistisch zu aufwendig, zu ineffizient, lauteten die kritischen Argumente gegen das an sich sinnvolle Projekt, Schülern mit Förderbedarf nach dem langen Corona-Lockdown gezielt Lernangebote zu unterbreiten.
Am Kopernikus Gymnasium ist es immerhin gelungen, zwei Lerngruppen zu formieren. Eine für die Orientierungsstufe der Klassen 5 und 6, eine für die Mittelstufe der Klassen 7 bis 10. In dieser Woche hatten Fünft- und Sechstklässler die Möglichkeit, an vier Tagen jeweils vier Stunden Wissenslücken zu schließen und Lernrückstände aufzuarbeiten. Zehn haben die Chance genutzt. Die wenigsten allerdings aus freien Stücken, als vielmehr auf Druck der Eltern.
Einer der Schüler verspürt echte Fortschritt
Als Strafe für die „eigene Faulheit“ sah Sechstklässler Vincent seine Anwesenheit. Obwohl er die Zeit des Lockdowns zumeist bei Cousin und Cousine verbracht habe, die beide älter sind, sei das Homeschooling nicht so gut gelaufen. Für ihn habe sich die Woche indes wirklich gelohnt, weil er in Deutsch und Englisch echte Fortschritte spüre.
„Das liegt sicher auch daran, dass wir durch die kleinen Lerngruppen viel individueller gefördert werden konnten“, sagt die zwölfjährige Emma. Weil sie erst vor einem halben Jahr von der benachbarten Gemeinschaftsschule aufs Gymnasium gewechselt sei, habe sie vor allem in Englisch erhebliche Defizite gehabt.
„Daheim habe ich einfach keine richtige Ruhe“
Normalerweise wäre die Todendorferin zur gleichen Zeit mit ihren besten Freundinnen in einem Fußball-Camp in St. Peter-Ording gewesen. Dass es wegen der Corona-Krise ausgefallen sei, sehe sie inzwischen mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „Dass ich so intensiv was für die Schule tun konnte, ist ja auch nicht schlecht.“
Der 14-jährige Radwan hätte am liebsten sogar noch eine Woche länger im KGB gebüffelt. „Daheim habe ich einfach keine richtige Ruhe“, berichtete der Sechstklässler, der vor vier Jahren mit seiner Familie aus Syrien geflüchtet ist. Daheim in Eichede müsse er sich gegen vier Schwestern behaupten, das sei zuweilen ziemlich anstrengend.
Von Verbindungsproblemen nicht aus der Ruhe bringen lassen
Ebenso wie der beständige Kampf mit der Technik. Als die Lehrerinnen Melanie Marahrens und Annika Pingel an diesem Tag den Unterricht mit einem Wissensquiz über die Kahoot-App auflockern wollen, sind Radwan und Vincent zwei von sechs Sechstklässlern, die mit ihren Tablets minutenlang nicht online gehen können. An einem Tag, an dem kaum mehr als ein Dutzend Personen auf das WLAN-Netz des KGB zugreifen.
„Das ist schon nervig und zeigt, dass in Sachen Digitalisierung an den Schulen noch einiges getan werden muss“, sagt Annika Pingel. Sie lässt sich von den Verbindungsproblemen aber nicht aus der Ruhe bringen. Als die Gruppe wenig später mit dem Lernprogramm Anton individuell Mathe- und Deutschaufgaben löst, spielt die Technik besser mit. Aber nur deshalb, weil Radwan sich mehrfach in die benachbarte Cafeteria begibt und Vincent auf einer Bank in Nähe der Klassenraumtür Platz genommen hat.
15 Anmeldungen für die zusätzlichen Lerneinheiten der Mittelstufe
Bei den vier Fünftklässlern nebenan läuft es offenbar geschmeidiger. Über ihre Tablets und ein interaktives Whiteboard präsentiert das Quartett der Lerngruppe von Orientierungsstufenleiter Daniel Nagel auf Englisch, welche Vorzüge die einzelnen Fachräume haben und was man dort alles machen kann. „Die geringe Teilnehmerzahl am Lernsommer hat durchaus auch eine positive Seite“, sagt Nagel. Weil sich die drei Lehrer auf weniger Schüler konzentrieren könnten, erreichten sie diese auch besser. „Man wird ihnen deutlich besser gerecht, weil Probleme direkter erkannt und behoben werden können“, so der Englischlehrer.
Für die zusätzlichen Lerneinheiten der Mittelstufe in der fünften Ferienwoche liegen laut Nagel inzwischen 15 Anmeldungen vor. Das wertet er prinzipiell als gutes Zeichen. Auch wenn die Teilnehmerzahl gemessen an den insgesamt 500 Schülern in der Orientierungs- und Mittelstufe trotz allem sehr überschaubar bleibe. Der Mehreinsatz hat sich für das Lehrer-Trio nach dieser Woche schon gelohnt. Nagel: „Wir sind überzeugt, dass die Zeit beim Lernsommer für jeden Einzelnen ein Gewinn war. Und in jedem Fall besser, als gar kein Angebot unterbreitet zu haben.“
So gering fällt die Quote aus:
Von 791 staatlichen Schulen beteiligen sich landesweit nur 146, sprich 18 Prozent, am „Lernsommer“ des Landes.
Im Kreis Stormarn sind sieben von 66 Schulen dabei, eine Teilnahmequote von elf Prozent.
Noch geringer fiel die Beteiligung nur im Kreis Rendsburg-Eckernförde aus: fünf von 77 Schulen, bedeuten eine Quote von gerade sechs Prozent.
Die größte Teilnahmequote verzeichnen die Hansestadt Lübeck mit 37 Prozent, gefolgt von den Kreisen Neumünster und Steinburg (je 33).