Reinbek/Ahrensburg. Abiturprüfungen starten Dienstag unter strengen Schutzvorkehrungen. Direktoren grübeln, wie Abstand im Unterricht funktionieren soll.

Für 104 Schüler der Sachsenwaldschule in Reinbek wird es am Dienstag ernst: Sie schreiben ihre erste Abiturklausur – und das wegen der Coronapandemie unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Bereits an den Eingängen werden sie von Lehrern auf ihren Gesundheitszustand kontrolliert, anschließend müssen sie zum Händewaschen und Desinfizieren. Erst dann dürfen die Jugendlichen ihren Prüfungsraum betreten.

Beim Verteilen der Unterlagen müssen Lehrer Handschuhe tragen

Helga Scheller-Schiewek leitet die Sachsenwaldschule in Reinbek mit 1150 Schülern. Platz, um sie in kleinere Klassen einzuteilen, gebe es nicht.
Helga Scheller-Schiewek leitet die Sachsenwaldschule in Reinbek mit 1150 Schülern. Platz, um sie in kleinere Klassen einzuteilen, gebe es nicht. © Anne Müller

„Um den erforderlichen Mindestabstand von zwei Metern einhalten zu können, verteilen wir die Abiturienten auf 22 Räume“, sagt Schulleiterin Helga Scheller-Schiewek. In der Mensa seien beispielsweise elf Prüflinge vorgesehen, in einigen Zimmern nur ein einziger. „Wir haben Schüler, die wegen einer Vorerkrankung zur Risikogruppe zählen und ihre Klausur deshalb separat schreiben“, sagt Scheller-Schiewek. Alle Räume seien bereits von Reinigungskräften desinfiziert worden. „Es ist ein bisschen wie im Krankenhaus.“

Beim Verteilen der Unterlagen müssen die Lehrer Handschuhe tragen, „um keine Keime zu verbreiten“, wie die Rektorin sagt. Zudem werden die Pädagogen mit Mund- und Nasenmaske ausgestattet. Sämtliche Türen zu den Prüfungsräumen bleiben laut Scheller-Schiewek offen, damit keine Klinken angefasst werden müssen. Für die Aufsicht stehen 60 bis 65 Lehrer zur Verfügung und damit deutlich weniger als in den Vorjahren. „20 Kollegen fallen aus, weil sie wegen ihres Alters oder einer Vorerkrankung zur Risikogruppe gehören“, so Scheller-Schiewek. In den Osterferien sei sie jeden Tag in der Schule gewesen, um alles vorzubereiten und zu koordinieren. Sie sagt: „Wir müssen das schriftliche Abitur nahezu neu erfinden.“

Klausuren werden auch in Turnhallen geschrieben

Die Landesregierung hat den Schulen für die Abiprüfungen eine Vielzahl an Regeln auferlegt, um die Ansteckungsgefahr für Schüler und Lehrer so gering wie möglich zu halten. Am Freitag gab es dazu eine letzte gemeinsame Videokonferenz der Schulleiter aus den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg mit dem Bildungsministerium in Kiel. Auch Michaela Witte, Leiterin der Stormarnschule in Ahrensburg, nahm teil. An ihrem Gymnasium sind 90 Schüler zu den Abiturprüfungen zugelassen. Statt in den normalen Klassenzimmern werden sie in den beiden Turnhallen, der Cafeteria und zwei weiteren großen Räumen geschrieben. Die Schüler werden von 7.30 Uhr an über fünf verschiedene Eingänge ins Gebäude hineingelassen, die ihnen zuvor zugewiesen wurden. Zudem werden ihnen die Toiletten zugeteilt, die sie nutzen dürfen. Einen festen Starttermin für die Prüfungen gebe es nicht. „Los geht es erst, wenn alle da sind“, sagt Witte. „Wir müssen versuchen, in dieser besonderen Lage Ruhe zu bewahren.“

Ähnlich sieht das auch Helga Scheller-Schiewek. „Die Abiturienten haben es viel schwieriger als in den vorherigen Jahren, weil der Unterricht abrupt unterbrochen wurde und sie auch nicht die Möglichkeit hatten, in Gruppen zu lernen und sich auszutauschen.“

Jüngere Jahrgänge benötigten eher eine Betreuung

370 Schüler besuchen die Grundschule Wiesenfeld in Glinde. Leiter Klaus Willenbücher hält es für unmöglich, sie auf Abstand zu halten.
370 Schüler besuchen die Grundschule Wiesenfeld in Glinde. Leiter Klaus Willenbücher hält es für unmöglich, sie auf Abstand zu halten. © HA

Die Abiturprüfungen sind in Schleswig-Holstein zunächst der erste Schritt. Laut Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) ist sich die Regierungskoalition einig, dass der Unterricht am 4. Mai in den vierten Grundschulklassen und den Abschluss-Jahrgängen des kommenden Schuljahres wieder beginnen soll. Ein Erlass sei in Vorbereitung, stehe aber noch unter dem Vorbehalt der Kultusministerkonferenz am 29. April.

Klaus Willenbücher, Leiter der Grundschule Wiesenfeld in Glinde, kennt diese Pläne bisher nur aus den Medien. „Wir wissen erst ganz wenig, haben bisher nur die Meldung vom Ministerium bekommen, dass die Schule weitere zwei Wochen ausfällt“, sagt er. Darüber informierte er die Eltern seiner 370 Schüler am Freitag in einem Rundbrief. Von der Idee, zunächst mit den Viertklässlern zu beginnen, halte er wenig. „Die Übergangsempfehlungen für die weiterführenden Schulen sind schon lange raus“, sagt Willenbücher. Seiner Ansicht nach benötigten die jüngeren Jahrgänge eher eine Betreuung – auch, damit die Eltern wieder arbeiten könnten.

Auch in der Sachsenwaldschule in Reinbek sind Klassenzimmer zu klein

Es sei jedoch unmöglich, im Schulalltag den geforderten Mindestabstand einzuhalten, sagt Willenbücher. Denn die Kinder ließen sich nicht so einfach trennen. „Sie wollen zusammen spielen und toben“, sagt er. „Und sie werden auch weiterhin zu den Lehrern laufen, wenn ihnen etwas weh tut und sie getröstet werden wollen.“ Das lasse sich nicht verhindern. „Dieses Risiko muss man bei einer Schulöffnung in Kauf nehmen.“ Die Stadtverwaltung habe ihm zwar Desinfektionsmittel bereitgestellt. „Wir können uns natürlich öfter die Hände waschen und die Tische wischen“, sagt er. Das löse aber das Abstandsproblem nicht. Zumal es auch aus Platzgründen nicht möglich sei, die Tische in den Klassenzimmern mit zwei Meter Abstand zu platzieren. Zusätzliche Räume seien nicht verfügbar. Es sei zwar denkbar, die Schüler auf verschiedene Tage aufzuteilen, das wiederum entlaste aber die Eltern nicht. Willenbücher sagt: „Bei uns sind zwei Drittel der Schüler in der offenen Ganztagsbetreuung.“

Auch in der Sachsenwaldschule in Reinbek sind laut Helga Scheller-Schiewek die Klassenzimmer nicht groß genug, um die durchschnittlich 26 Schüler mit zwei Meter Entfernung voneinander zu platzieren. „Die maximale Vorsicht bei den Abiturprüfungen lässt sich im Schulalltag nicht umsetzen“, sagt sie. Es gebe keine freien Räume, die bei einer Aufspaltung der Klassen genutzt werden könnten und auch nicht genügend Lehrer, um den Unterricht parallel zu führen. Zudem befürchtet sie, dass es besonders bei den jüngeren Schülern schwierig werden könnte, dass die Abstandsregeln eingehalten werden.

Schulleiterin möchte „Einbahnstraßen“ errichten

Auch Michaela Witte plant bereits, wie der Unterricht an der Stormarnschule ablaufen könnte. Ein Vorteil sei, dass kürzlich das gesamte Mobiliar ausgetauscht wurde, es nun nur noch Einzeltische gebe. Eine Idee sei, „Einbahnstraßen“ in der Schule einzurichten, um die Schüler mit möglichst wenig Kontakten durch das Gebäude zu leiten. Zudem sei angedacht, jede Klasse in einem festen Raum zu unterrichten, sie nicht mehr „wandern“ zu lassen. Ein großes Problem sei das Lehrerzimmer. Es werde „ganz schwierig“, die Lehrer zu

Am Montag, 4. Mai, soll der Unterricht in den vierten Grundschulklassen und den Abschluss-Jahrgängen des kommenden Schuljahres wieder aufgenommen werden. Darauf hat sich die Regierungskoalition in Schleswig-Holstein geeinigt. Zuvor starten am kommenden Dienstag bereits die Abiturprüfungen. An den prüfungsfreien Tagen soll es für die Abiturienten Unterricht geben. Ein entsprechender Erlass wird derzeit laut Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) vorbereitet. Unklar ist noch, wie die weiteren Schritte aussehen.