Ahrensburg/Reinbek. Postbank-Wohnatlas zeigt, wann die Ersparnis beim Wohnungskauf in vier Städten im Vergleich zum Leben in Hamburg aufgezehrt ist.

Häuser und Wohnungen kosten laut Immobilienatlas der LBS Bausparkasse Schleswig-Holstein-Hamburg im Kreis Stormarn 34 bis 50 Prozent weniger als in Hamburg. Wer allerdings im Umland lebt und in der Hansestadt arbeitet, hat Mehrkosten fürs tägliche Pendeln – und sitzt stundenlang in Bus und Bahn oder Auto. Die Postbank hat für ihren aktuellen Wohnatlas ausrechnen lassen, nach wie viel Jahren der Preisvorteil im Umland aufgezehrt ist.

Eigentumswohnung dient als Berechnungsgrundlage

Für die Modellrechnung hat das beauftragte Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) den Kauf einer durchschnittlich teuren 70-Quadratmeter-Wohnung zugrunde gelegt. In Hamburg kostet die laut Postbank gut 350.000 Euro, im Umland mindestens 150.000 Euro weniger. Diese Ersparnis haben Immobilienkäufer in den vier größten Stormarner Städten Ahrensburg, Bad Oldesloe, Glinde und Reinbek nach 21 bis 40 Jahren aufgebraucht, wenn sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis zum Hauptbahnhof pendeln. Wer das eigene Auto nimmt, zahlt schon nach elf bis 24 Jahren drauf. Dabei gibt es starke örtliche Unterschiede:

Ahrensburg: In nur 16 Minuten kommen Pendler aus Stormarns größter Stadt (rund 34.000 Einwohner) mit dem Regionalexpress zum Hauptbahnhof: ein Spitzenwert, den viele Hamburger Stadtteile nicht erreichen. Mit dem Auto dauert die 28 Kilometer lange Strecke 28 Minuten. Der Kostenvorteil hält für ÖPNV-Nutzer 40 Jahre und für Autofahrer 16,7 Jahre.

Bad Oldesloe: Aus der Kreisstadt (rund 25.000 Einwohner) ist der 47 Kilometer entfernte Hauptbahnhof per Zug in 26 Minuten zu erreichen und mit dem Auto in 40 Minuten. Der finanzielle Vorteil ist für ÖPNV-Nutzer nach 24,4 Jahren aufgezehrt, für Autofahrer allerdings schon nach 10,9 Jahren.

Glinde: Die 18.500-Einwohner-Stadt ist der einzige Ort in allen Umlandkreisen, in dem Autofahrer schneller und günstiger unterwegs sind als ÖPNV-Nutzer. Die 17 Kilometer zum Hauptbahnhof lassen sich per Bahn in 37 Minuten zurücklegen, während es mit dem Auto über die nahe A 24 nur 22 Minuten sind. Der Preisvorteil ist deshalb im ÖPNV nach 21,1 Jahren verbraucht, beim Auto erst nach 23,7 Jahren.

Reinbek: Für die 28.000 Einwohner sind die Unterschiede bei 20 Kilometern zum Hauptbahnhof nur gering: Mit der Bahn brauchen sie 26 Minuten, mit dem Auto 22 Minuten. Die Ersparnis beim Wohnungskauf ist nach 28,5 Jahren (ÖPNV) beziehungsweise 22,2 Jahren (Auto) aufgebraucht.

Laut Studie pendeln Menschen aus Pinneberg (22 Kilometer zum Hauptbahnhof) und Seevetal (Landkreis Harburg, 26 Kilometer zum Hauptbahnhof) besonders günstig. Der Kostenvorteil reicht beim ÖPNV für 44 beziehungsweise 42 Jahre. Auf Platz drei rangiert Ahrensburg. Reinbek landet auf Rang acht, Bad Oldesloe auf zehn und Glinde auf 13.

Dieses Modell lässt sich nicht pauschal übertragen

Am schlechtesten schneidet auf Rang 24 die Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten (Landkreis Stade) ab, was an der Pendelstrecke von 65 Kilometern liegt. Dort kommen Bus- und Bahnfahrer nur knapp 13 Jahre lang günstiger weg, Autofahrer sogar nur gut acht Jahre.

Dass sich das Modell nicht pauschal übertragen lässt, weiß auch die Postbank. „Wer seine Traumimmobilie gefunden hat, sollte seine eigene Rechnung aufstellen“, sagt Stephan Hellmann von der regionalen Geschäftsleitung Nord der Postbank Immobilien GmbH. Der Wohnatlas gebe einen Eindruck, wie wichtig die verschiedenen Faktoren für die Frage seien, ob man trotz Pendelns Geld sparen könne.

Heimarbeit kann das Umland noch attraktiver machen

Eine entscheidende Rolle spiele die individuelle Situation. Es komme darauf an, wo die Wohnung genau liege und wo die Arbeitsstelle. Zudem geht die Modellrechnung von nur einem Pendler aus. Bei zwei Beschäftigten schrumpft das finanzielle Polster sehr viel schneller. Längere Arbeitswege können auch mehr Kinderbetreuungskosten nach sich ziehen. Andererseits reduzieren Heim- und Teilzeitarbeit die Pendeltage. Bei Rentnern fallen sie ganz weg. Und ein Investment in der Großstadt bedeutet in vielen Fällen höhere Schulden – und damit höhere Zinsbelastung.

Für Stormarn geht die Studie von einem durchschnittlichen Immobilienpreis für den gesamten Kreis aus. Doch kosten Wohnungen direkt an der Hamburger Landesgrenze deutlich mehr als auf dem Land in Rümpel oder Zarpen. Das HWWI hat die Folgen von 20 Prozent höheren Preisen errechnet: In Ahrensburg hielte der Kostenvorteil nur 29,4 statt 40 Jahre, in Reinbek 20,9 statt 28,5 Jahre, in Bad Oldesloe 17,9 statt 24,4 Jahre und in Glinde 15,5 statt 21,1 Jahre (alle Zahlen bei ÖPNV-Nutzung).

Trend zum Wohnen im Umland könnte sich verstärken

Weil sich die Ersparnis beim Immobilienkauf im Vergleich zu vorherigen Studien länger auszahlt, meint die HWWI-Wissenschaftlerin Dörte Nitt-Drießelmann, Autorin der Studie: „Es ist noch attraktiver geworden, ins Umland zu ziehen.“ Dieser Trend könnte sich weiter verstärken, wenn Beschäftigte nach den Erfahrungen in der Corona-Krise mehr als bisher zu Hause arbeiten dürfen. In der Folge könnten größere Immobilien mit Platz fürs Arbeitszimmer gefragt sein: Für dasselbe Budget gibt es im Umland mehr Quadratmeter.

So entstand die Musterrechnung

Die Studie stellt den Kauf einer 70 Quadratmeter großen Wohnung in Hamburg und dem Umland sowie die zusätzlichen Pendlerkosten gegenüber. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis beträgt in Hamburg 5054 Euro und in Stormarn 2829. Hinzu kommen zwei Prozent Notargebühren und Grunderwerbsteuer. Zur Berechnung der Pendelkosten wird unterstellt, dass eine Person des Haushalts in Hamburg arbeitet und 220-mal im Jahr hinfährt. Da auch Stadtbewohner einen Arbeitsweg haben, wird nur die Zeit vom Umland-Bahnhof zum Hauptbahnhof berücksichtigt. Die Mobilitätskosten pro Kilometer liegen nach Abzug der Steuervergünstigungen bei 35 Cent fürs Auto und acht Cent für den ÖPNV. Die kürzeste Fahrtdauer wurde am Dienstag, 12. Mai, zwischen 7 und 8 Uhr ermittelt. Der zusätzliche Zeitaufwand wird mit 26,13 Euro je Stunde angerechnet – der durchschnittliche Bruttolohn in Hamburg im Jahr 2019.

>>> Lesen Sie hier den Kommentar zum Thema von Harald Klix, Redakteur des Hamburger Abendblatts:

Nur die eigenen Daten zählen

Die Pendlerstudie wartet mit einigen nützlichen Daten auf. So sieht man auf einen Blick, wie weit die 24 größten Orte in den sechs direkten Hamburger Umlandkreisen von der Innenstadt entfernt liegen. Und wie lange man von für die Strecke vom jeweiligen Bahnhof zum Hauptbahnhof braucht. Da gibt es deutliche Unterschiede zwischen Ahrensburg (16 Minuten), Reinbek (26), Norderstedt und Wedel (beide 40). Dasselbe gilt fürs Auto, von Glinde (22 Minuten) über Bad Oldesloe (40) und Bad Segeberg (45) bis nach Ratzeburg (50). Klar ist: Wer sein Berufsleben lang 220 Tage jährlich pendelt, verbringt zusammengerechnet Monate auf Schiene oder Straße – und ärgert sich über Zugausfälle und Staus.

Höhere Pendlerkosten für Paare

Der zweite Teil der Studie bringt Immobilieninteressenten dagegen nur wenig Erkenntnis. Die Umrechnung, nach wie viel Jahren die Ersparnis beim im Umland niedrigeren Kaufpreis aufgezehrt ist, lässt sich nicht pauschalisieren. Die Rechnung hängt viel zu sehr vom Einzelfall ab. Das fängt schon beim Quadratmeterpreis für Wohnungen an, bei dem der Postbank-Wohnatlas den Stormarner Durchschnitt von 2830 Euro für den gesamten Kreis annimmt.

Harald Klix, Redakteurder Regionalausgabe Stormarn des Hamburger Abendblatts
Harald Klix, Redakteurder Regionalausgabe Stormarn des Hamburger Abendblatts © Yasmina Klix

Laut jüngstem LBS-Immobilienatlas kosten Neubauten in Reinbek (4300 Euro) sowie Ahrensburg und Umgebung (4160) deutlich mehr. Wie in jedem Neubaugebiet zu sehen ist, ziehen vor allem junge Familien aus der Großstadt „nach draußen“. In den meisten Fällen arbeiten heutzutage Frau und Mann, was die Pendlerkosten schlagartig verdoppeln kann. Gar nicht berücksichtigt wurden die Ausgaben für Kinderbetreuung. In Schleswig-Holstein sind Kita-Plätze im Unterschied zu Hamburg nicht kostenlos. Da kommen bei zwei Kindern schnell mehr als 500 Euro monatlich zusammen.

Ort der Arbeitsstätte ist entscheidend

Schließlich ist entscheidend, wo genau in Hamburg die Arbeitsstätte ist. Wer nach Rahlstedt muss, ist von Ahrensburg viel schneller als von Nien­stedten. Wessen Firma in Billstedt liegt, kommt aus Reinbek und Glinde günstiger hin als aus Schnelsen. Ein Umzug raus aus der Stadt kann sogar Pendlerkosten senken: Wer im teuren Alstertal lebt, braucht mit der S-Bahn von Poppenbüttel bis zum Hauptbahnhof fast eine halbe Stunde – länger als mit dem Regionalexpress aus Bad Oldesloe. Der fährt allerdings viel seltener. Niemand wird nach Pinneberg oder Seevetal ziehen, nur weil sich dort das Pendeln besonders lange rechnet. Unabhängig von allen Zahlenspielereien ist am Ende die individuelle Situation ausschlaggebend. Und die Grundsatzentscheidung, ob man in der lebhaften Großstadt Hamburg, der beschaulichen Vorstadt oder einem ruhigen Dorf leben möchte – und kann.