Hamburg. Die Auswirkungen der Pandemie auf Preise und Mieten. Experten streiten über die weitere Entwicklung am Hamburger Markt.

Die Krise am Immobilienmarkt zeigte sich zunächst in Form weniger Angebote und fehlender Besichtigungen. Kurzfristig war der Immobilienmarkt eingefroren. Inzwischen gibt es erste Belebungstendenzen, doch die längerfristigen Auswirkungen durch die Corona-Pandemie auf die Immobilienpreise werden sich erst nach Monaten zeigen. Vergeben Banken noch Immobilienkredite? Wie werden sich Preise und Mieten entwickeln? Steigen wegen höherer Staatsverschuldung die Zinsen für Baugeld? Welche Regeln gelten bei Besichtigungen von Immobilien? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie haben sich die Angebote in den Immobilienportalen entwickelt?
Als Mitte März der Lockdown das gesamte gesellschaftliche Leben einfror, fürchteten Vermieter offenbar eine schnelle Zahlungsunfähigkeit arbeitslos gewordener oder kurzarbeitender Mietinteressenten und hielten sich mit Angeboten zurück. „Es zeigt sich für Hamburg ein deutlicher Rückgang der Angebote um bis zu einem Drittel bei Mietwohnungen“, sagt Manfred Neuhöfer vom Hamburger Forschungsunternehmen F+B. Mit der Debatte über erste Lockerungen stieg die Zahl der Wohnungsannoncen aber wieder an.

Was ist bei den Mieten passiert?
„Die Entwicklung der Mieten verlief deutlich gleichmäßiger und war von nur kleinen Ausschlägen geprägt“, sagt Neuhöfer. So lassen sich bei der Analyse der Mietpreisentwicklung in Hamburg kaum Corona-Effekte erkennen: Die Durchschnittsmiete in Hamburg lag nach den Daten von F + B in der zehnten Kalenderwoche bei 14,70 je Quadratmeter Wohnfläche und jetzt bei 14,46 Euro. „Vermieter verzichten eher auf die sofortige Vermietung als unverzüglich einer kommenden negativen Wirtschaftsentwicklung vorauseilend die Miethöhe zu reduzieren“, sagt Neuhöfer. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kommt in einer Studie zu folgender Einschätzung: „Ausgehend von möglichen Insolvenzen und vermehrter Arbeitslosigkeit dürften aber die zukünftigen Mietpreiserwartungen vermindert werden, weil den Haushalten insgesamt weniger Einkommen zur Verfügung steht.“


Welche Auswirkungen gibt es bei Eigentumswohnungen?
Auch in diesem Bereich gingen die Online-Inserate in Hamburg laut F + B um bis zu 20 Prozent zurück, erreichen inzwischen aber schon wieder höheres Niveau als vor dem Lockdown. Kein Vergleich zu dem, was sich in anderen Bundesländern abspielte. So gingen die Angebote in Nordrhein-Westfalen um 45 Prozent zurück.

Wie werden sich die Immobilienpreise laut Makler und Banken entwickeln?
Dazu gibt es keine einheitlichen Aussagen, was in der Situation auch nicht verwunderlich ist. „Ob die Corona-Krise die Nachfrage nach Immobilien erhöht oder dämpft, lässt sich aktuell schwer abschätzen. Klar ist, dass Interessenten auf Kauf- und Verkaufsseite durch die Krise anders über das Investment neu bewerten“, sagt Jörg Utecht, Vorstandsvorsitzender der Interhyp Gruppe, dem größten Vermittler von Baufinanzierungen. Banken und Makler erwarten dagegen kaum Veränderungen. Das ist nicht verwunderlich, denn sie haben in den vergangenen Jahren stark von der Nachfrage nach Immobilien profitiert. Mit jedem Preisanstieg erhöhte sich auch die Courtage der Makler.

Bürgermeister: Corona-Lockerungen für Hamburg
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    „Aktuell wirkt sich die Corona-Situation nicht auf die Preise für Wohnimmobilien in Hamburg aus“, sagt Lars Seidel, Geschäftsführer des Hamburger Maklerunternehmens Grossmann & Berger. „Die Schockstarre der ersten Woche der Kontaktsperre ist vorbei.“ Auch die Commerzbank rechnet damit, dass der Preistrend nur kurzzeitig unterbrochen wird: „Die Immobilienpreise werden nach einem kleinen Rückgang 2020 bereits im kommenden Jahr wieder steigen.“ ImmoScout24 stützt diese Einschätzungen und zieht einen Vergleich mit der Finanzkrise von 2008: Während der Finanzkrise sanken die Angebotspreise für Bestandseigentumswohnungen auf ImmoScout24 um weniger als zwei Prozent. Sie hatten sich nach zwei Jahren auf den vorherigen Stand erholt, im Fall von Einfamilienhäusern nach drei Jahren. Der Unterschied ist allerdings das nun dramatisch gestiegene Preisniveau. Nach dem LBS-Preisatlas für Hamburg kostete 2010 ein Einfamilienhaus mit 120 Quadratmeter Wohnfläche 273.000 Euro, heute sind es 544.000 Euro. Noch steiler verlief der Preisanstieg bei den Eigentumswohnungen (80 Quadratmeter) von 176.720 Euro auf 404.240 Euro.


    Was sagen dagegen unabhängige Experten?
    Das Forschungsinstitut Empirica macht die weitere Preisentwicklung vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) abhängig. „Je stärker und je länger die Rezession, desto schärfer der Preiseffekt“, sagt Reiner Braun, Vorstand der Empirica AG. „Da eine Rezession unvermeidlich ist, gilt dies auch für die Entwicklung der Kaufpreise.“ Als Gründe für diese Entwicklung sieht er einen geringeren Zuzug, auch durch geschlossene Grenzen, Notverkäufe, stockende Neubautätigkeit und die geringere Nachfrage durch Kapitalanleger. Empirica rechnet in den kommenden Monaten mit einem Rückgang bei den Kaufpreisen von zehn bis 25 Prozent. Der höchste Wert würde danach bei einem Abrutschen des BIP um 4,5 Prozent erreicht und nur einer schwachen Erholung der Wirtschaft im nächsten Jahr.

    Die Bundesregierung rechnet aber inzwischen mit einem Rückgang des BIP um 6,3 Prozent. Das IW macht die künftige Preisentwicklung an der Bruttomietrendite und der Entwicklung der Baufinanzierungszinsen fest. „Wären die Erwartungen über künftige Mieteinnahmen so schlecht wie zuletzt in der Finanzkrise zwischen 2008 und 2009, brächen die Wohnungspreise in diesem Jahr in Hamburg im schlimmsten Fall um rund 17 Prozent ein“, sagt Michael Voigtländer vom IW. Dieses Szenario beruhe auf dem Fall stagnierender Zinsen. Sinken die Zinsen noch einmal um einen halben Prozentpunkt, würde die Preis­reduktion bei Wohnimmobilien in Hamburg bei 8,4 Prozent liegen, rechnet der Experte vor. Sinken die ohnehin schon günstigen Finanzierungskonditionen nur um 30 Basispunkte, reduzieren sich nach dem Modell die Preise in der Hansestadt um 14,2 Prozent.

    Wie läuft die Immobilienfinanzierung bei den Banken?
    Die Haspa bietet private Baufinanzierungen ab sofort wieder allen Interessenten an. Zwischenzeitlich war dieses Angebot Neukunden verwehrt worden. „Damit können sich also auch Neukunden bei uns wieder die eigenen vier Wände finanzieren lassen“, sagt Sprecherin Stefanie von Carlsburg. „Die Nachfrage nach privaten Immobilienfinanzierungen ist in der Corona-Krise naturgemäß zurückgegangen“, sagt von Carlsburg. Keine Zurückhaltung der potenziellen Immobilienkäufer herrscht bei Commerzbank und Hamburger Volksbank. „Wir stellen bei den Finanzierungsgesprächen aber eine deutliche Verschiebung von der persönlichen Beratung in der Filiale hin zum Informationsaustausch per Mail mit einer anschließenden telefonischen persönlichen Beratung fest“, sagt Volksbank-Sprecherin Heidi Melis. Die Deutsche Bank rechnet allerdings in einer Studie zum deutschen Gesamtmarkt mit einer sinkenden Nachfrage nach Hypothekenkrediten: Bezogen auf jeden Monat im Lockdown werde sie um monatlich drei Milliarden zurückgehen.

    Welche Corona-Regeln gelten für Besichtigungen und Notare?
    „Sammeltermine, bei denen zu einem Zeitpunkt alle Miet- oder Kaufinteressenten das Mietobjekt besichtigen, sind nicht zulässig“, sagt ein Sprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen. Einzeltermine sollen nur dann stattfinden, wenn sie zwingend erforderlich sind, weil ein Auszug aus der gegenwärtigen Wohnung nicht mehr verschoben werden kann. „Bei der Wohnungs­besichtigung sind die allgemeinen Regeln zum Abstand und zur Hygiene einzuhalten“, so der Sprecher. Notare können zur Beurkundung von Immobilien-Kaufverträgen unter Berücksichtigung der allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen insbesondere der Abstandsregel weiter uneingeschränkt tätig sein.

    Wie entwickeln sich die Baugeldzinsen?
    In der Corona-Krise haben die Zinsen für Hypothekendarlehen zunächst leicht zugelegt. So stiegen die Konditionen für eine zehnjährige Zinsbindung von 0,70 Prozent auf aktuell 0,86 Prozent, wie aus der Zinsübersicht des Baugeldvermittlers Interhyp hervorgeht. Bei einer 15-jährigen Zinsbindung müssen jetzt 1,16 Prozent Zinsen gezahlt werden. Zuvor lagen die Konditionen knapp unter einem Prozent. Die aktuelle Umfrage für den Interhyp-Zinsbericht zeigt, dass die Mehrheit der befragten Kreditinstitute auf Jahressicht von gleichbleibenden Zinsen ausgeht, einige erwarten leicht steigende Zinsen. Zwar steigt die Staatsverschuldung in Deutschland und anderen Staaten in Europa, aber die Europä­ische Zentralbank kauft massiv Staats- und auch Firmenanleihen auf, sorgt also für eine große Nachfrage, was die Zinsen zumindest niedrig hält.

    Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen

    • Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das Sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Händewaschen
    • Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
    • Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
    • Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
    • Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen