Ahrensburg. Selig-Sänger Jan Plewka über das Miteinander der Künstler in der TV-Show, die schönen Seiten seiner Heimatstadt – und das Rathaus.
Musiker Jan Plewka ist zufrieden. Ein aus alten Holzpaletten selbst gezimmertes Hochbeet hat er mit feinstem Mutterboden aufgefüllt, ein zweites soll an diesem Nachmittag folgen. „Ich genieße die Ruhe und die Zeit mit der Familie“, sagt der in Ahrensburg lebende Musiker über die von einem Virus erzwungene nahezu weltweite Zwangspause. „So viel Wochen am Stück war ich noch nie zu Hause“, so der Sänger der Band Selig. Seine letzten Auftritte vor der Coronakrise sehen jetzt bis zu drei Millionen Zuschauer: Jan Plewka ist einer der sieben Künstler der neuen Staffel der TV-Show „Sing meinen Song“.
Teilnahme an Show bringt große Aufmerksamkeit mit sich
„Die Einladung war schon eine besondere Ehre“, sagt der 49-Jährige mit Blick auf die Liste der bisherigen Teilnehmer, die von Sarah Connor über The BossHoss bis zu Mark Forster reicht. Deshalb hat er nicht lange überlegen müssen, ob er bei dem Projekt an der Walker Bay in Südafrika mitmacht. „Das ist ein Format mit dem Charakter der Revolution of Love: Niemand wird bewertet oder bloßgestellt“, sagt Plewka zum Abendblatt. Es gehe um Respekt, Miteinander und Ehrlichkeit. „Wenn man Lieder von anderen übernimmt, gibt dir jemand seine Seele preis.“
Auch seine Kumpels aus der Gruppe Die Schwarz-Rote Heilsarmee, denen er im Speisewagen auf dem Weg zu einem Auftritt in Köln von dem Engagement erzählte, hätten sich sehr gefreut. „Wahnsinn“ und „Irre“ seien ihre Kommentare gewesen. Wie groß die Aufmerksamkeit ist, erfuhren sie bei der Zugeinfahrt in den Kölner Hauptbahnhof: Auf einer Werbetafel schob sich ein überlebensgroßes Plakat mit den neuen Tauschkonzert-Kandidaten nach oben – und dem Bild von Jan Plewka.
Die Gruppe von Musikern harmonierte optimal
Seine fünf Mitstreiter Max Giesinger, Lea, MoTrip, Nico Santos und Ilse DeLange sowie Gastgeber Michael Patrick Kelly kannte der Ahrensburger vorher nur vom Namen. „Es gab zwar eine Kennenlernparty in Berlin, aber dort waren so viele Leute, da hatte man gar keine Zeit füreinander.“
Dass die Gruppe optimal harmonierte, habe sich auf der zweieinhalbstündigen Fahrt vom Flughafen in Kapstadt zum Drehort gezeigt. „Da war beim Einsteigen in den Van alles klar: Dass wir uns mögen, dass wir glücklich sein und unsere Lieder singen wollen.“ Bei jedem sei die Leidenschaft für Musik spürbar gewesen. Er habe das Gefühl gehabt, als ob man sich schon sehr lange kenne. Michael Patrick Kelly habe die Gäste wirklich gut ausgewählt.
Magische Momente am „schönsten Platz der Welt“
Hinzu kam „der schönste Platz der Welt“. Der Blick von der Anlage am Naturreservat, in der Nachhaltigkeit eine große Rolle spiele, reicht über die gesamte Bucht. „Der stolze Kontinent Afrika geht dort zu Ende, die Wellen klatschen an den Strand“, sagt Plewka. „Da kann man gar nichts anderes machen, als im Jetzt zu sein.“ So seien magische Momente entstanden. Um die Künstler nicht zu stören, waren sogar sämtliche Kameras getarnt. „Manchmal huschte dann ein Baum über das Gelände.“ Eine Liste mit Liedern der anderen hatte Jan Plewka vorab bekommen. „Bei der Auswahl bin ich nicht danach gegangen, ob es ein Hit war, sondern ob der Titel etwas mit mir und meinem Leben zu tun hat.“ Für ein gutes Cover sollte man den Inhalt hinter dem Lied begreifen und es dann schaffen, seine eigene Version daraus zu machen.
Bei MoTrip fiel die Wahl sofort auf „Tagebuch“ – was sich als eine der größten Herausforderungen erwies. „Er meinte, sich sollte auch einen kleinen Part rappen“, sagt Jan Plewka und muss lachen: „Eigentlich müsste mir das ja liegen, ich hab’ es aber nicht richtig hinbekommen.“ Er habe viel über Rap gelernt, beispielsweise über gelbe und grüne Reime. „Da beschäftige ich mich sicher noch mal ein bisschen mehr mit.“
Musiker sieht in der Krise eine Chance für die Menschen
Unter allen Künstlern seien in Südafrika Freundschaften entstanden. Der Kontakt besteht weiterhin, wird unter anderem per WhatsApp-Gruppe gehalten. Alle trifft die Absage sämtlicher Konzerte und Auftritte für Monate hart. „Das ist schon ein krasser Bruch: Als wir losflogen, war Corona in China. Und dann sind wir aus unserer schönsten Zeit in einen grauen Science-Fiction-Film zurückgekommen“, sagt Jan Plewka. Für ihn hat sich die Natur zu Wort gemeldet, um „uns einen Schuss vor den Bug zu geben“. Es sei wie ein Spiegelbild: Die Lunge der Welt brenne, und das Virus wolle in unsere Atemwege.
Der Musiker sieht jetzt eine große Chance für die Menschen, den Planeten zu genießen. „Ich hoffe, dass möglichst viele die Stille akzeptieren und nicht wieder die Gier Oberhand gewinnt.“ Und dass die Politiker künftig auch in anderen Bereichen auf die Wissenschaftler hören und nicht auf die Lobbyisten.
In der Schule sang er seine Gedichte vor vollem Saal
Die Tauschkonzert-Künstler verbinde die Leidenschaft fürs Singen und Performen. Die wurde bei Jan Plewka, der in Siek und Großhansdorf aufgewachsen ist, sehr früh entfacht. Mit neun Jahren schrieb er Liebesgedichte für eine Mitschülern, die allerdings nichts von ihm wissen wollte. Damals gründete er mit Freunden seine erste Band, die bei einem Schulfest im Emil-von-Behring-Gymnasium spielen durfte.
„Wir haben die Tische in der Aula zusammengerückt, uns mit Sperrholzgitarren daraufgestellt und auf Persil-Kartons herumgetrommelt“, sagt Jan Plewka. Er sang seine Gedichte vor vollem Saal. „Die ganze Schule war da, die Leute haben geklatscht und gejubelt. Da wusste ich: Mein ganzes Leben lang will ich nichts anderes machen als Liebesgedichte singen.“
Neue Single „Alles ist so“ kommt Ende Mai heraus
Das ist ihm offensichtlich gut gelungen, wie ihm eine damalige Klassenkameradin vor einiger Zeit bestätigte. Nach einem Konzert fragte sie zunächst: „Kennst du mich noch?“ Um dann zu ergänzen: „Ich wollte dir gratulieren: Du machst immer noch genau das Gleiche wie in der vierten Klasse.“
Mit Selig wäre Plewka im März auf Tournee gewesen, diesen Monat standen Auftritte mit seinem Rio-Reiser-Programm an. Ende Mai erscheint die neue Selig-Single „Alles ist so“. Die haben Christian Neander (Gitarre), der mit in Südafrika war, Leo Schmidthals (Bass), der ebenfalls in Ahrensburg lebende Stephan „Stoppel“ Eggert (Schlagzeug) und Jan Plewka noch vor den Corona-Restriktionen aufgenommen. An den anderen Liedern des für Oktober geplanten Albums „Myriaden“ arbeiten die vier jetzt via Internet. „Jeder nimmt seinen Part zu Hause auf und schickt ihn den anderen“, sagt Plewka, „wir sehen uns dann in Facetime-Konferenzen.“ Die Band hofft, im Juni wieder ins Tonstudio in Hamburg zu können. Dort schließt sich ein Kreis: Es ist das Studio von Produzent Franz Plasa, in dem Selig vor einem Vierteljahrhundert die ersten drei Alben aufgenommen hat.
In Ahrensburg fühlt Plewka sich angekommen
Damals trennte sich die Band nach fünf Jahren und ausverkauften Tourneen. Jan Plewka nahm 1997 eine Auszeit, zog mit der gerade geborenen Tochter und Ehefrau Anna in deren Heimatland Schweden in eine abgelegene Holzhütte. Nach einem Jahr kehrte die Familie zurück, lebte zunächst mitten in Hamburg, dann am Großensee und jetzt in Ahrensburg. „Hier fühlen wir uns angekommen“, sagt Plewka. Drei der vier Kinder wohnen noch zu Hause.
„Die Natur ist grandios mit den Wäldern und Seen in der Umgebung“, sagt Jan Plewka, „auf der einen Seite haben wir die Ostsee vor der Tür, auf der anderen sind wir mit der Bahn in einer Viertelstunde am Hamburger Hauptbahnhof.“ Einer seiner Lieblingsorte ist der Wochenmarkt. „Das ist schon klasse, zweimal die Woche die frischesten Sachen zu bekommen.“
Frischer Salat aus dem selbst gebastelten Hochbeet sei besonders
Dass die Stadt etwas schöner sein könnte, zeigt ihm der Ausblick vom Markt. „Wenn ich vor dem Rathaus stehe, frage ich mich, wer sich das in einer so kleinen Vorstadt ausgedacht und erlaubt hat.“ Der 1970 erbaute graue Betonklotz, der mittlerweile unter Denkmalschutz steht, habe es sogar in ein Buch mit den langweiligsten Postkarten der Welt geschafft ...
Dort ist das südafrikanische „Sing meinen Song“-Naturwunder bestimmt nicht zu finden. „Das waren mit die schönsten Tage in meinem Leben, was ich vorher gar nicht erwartet hatte“, sagt Jan Plewka. Aber frischer Salat aus dem selbst gebastelten Hochbeet ist auch etwas Besonderes.
Die Teilnehmer im Überblick:
Michael Patrick Kellly (42) ist zum dritten Mal Gastgeber von „Sing meinen Song“. „Paddy“ schrieb mit 15 für The Kelly-Family den Hit „An Angel“. Von 2004 bis 2010 lebte er in einem französischen Kloster. Er hat außer Jan Plewka (49) fünf weitere Gäste eingeladen.
Max Giesinger (31) war 2012 Vierter der Show „The Voice of Germany“. Bekannteste Songs sind „Wenn sie tanzt“, „80 Millionen“ und aktuell „Nie stärker als jetzt“.
Sängerin Lea (27) heißt Lea-Marie Becker und startete mit 15 Jahren auf YouTube. Sie wuchs in Kassel auf, lebt in Berlin. 2019 schaffte es „110“ (mit Capital Bra und Samra) auf Platz eins der Charts. Aktueller Hit: „Treppenhaus“.
Rapper MoTrip (32, „So wie du bist“) heißt Mohamed El Moussaoui und wurde in Beirut im Libanon geboren. Als er einst war, wanderte die Familie nach Deutschland aus. Er lebt in Aachen.
Nico Santos (27) kam als Nico Wellenbrink in Bremen zur Welt. Kurz nach der Geburt zog die Familie nach Mallorca. Nach dem Abitur (auf Spanisch) folgte 2012 der erste Plattenvertrag. Der Sänger („Play with Fire“) komponiert auch für Kollegen und schreibt Filmmusik.
Die Niederländerin Ilse DeLange (42) ist seit ihrem 1998 veröffentlichten Country-Debütalbum erfolgreich. 2014 wurde ihre Band The Common Linnets beim European Song Contest Zweite hinter Conchita Wurst.
Die siebte Tauschkonzert-Staffel läuft dienstags ab 20.15 Uhr auf Vox. Die Folgen: Lieder von Max Giesinger (5.5.), Nico Santos (12.5.), von Ilse DeLange (19.5.), von MoTrip (26.5.), von Jan Plewka (2.6.), von Lea (9.6.), von Michael Patrick Kelly (16.6.), Duette (23.6.), größte Überraschungen (30.6.), beste Duette (7.7.), lustigste Momente (14.7.). Streaming: www.tvnow.de.